Das Beiwort

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 120 - 122

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Wortbildung: Suffixkonkurrenzen bei Adjektivierungen

Genannte Bezugsinstanzen: Ungelehrte, Schriftsprache
Behandelter Zweifelfall:

Wortbildung: Suffigierung mit -(i)sch

Genannte Bezugsinstanzen: 18. Jahrhundert, Ungelehrte, Schriftsprache
Text

Der häufigste Fehler in der Wahl der Beiwortform ist die Verwechslung von lich und ig, oder vielmehr das fehlerhafte Vorwiegen der Bildungen mit lich. Man erbittet einen vierwöchentlichen Urlaub statt eines vierwöchigen, und bekommt einen abschläglichen Bescheid statt eines abschlägigen; macht eine zweimonatliche Krankheit durch statt einer zweimonatigen; erlebt eine mehrstündliche Störung des Fernsprechverkehrs statt einer mehrstündigen. Und doch gibt es kaum einen wichtigen Zweifelfall, der so leicht und sicher zu klären wäre wie dieser: ig bezeichnet die ununterbrochene Dauer, lich die wechselnde Wiederkehr. Eine dreimonatliche Krankheit wäre eine, die alle drei Monat einmal wiederkehrt; eine drei Monate andauernde ist eine dreimonatige. Ein vierwöchentlicher Urlaub wird immer nach je vier Wochen aufs neue erteilt; einer, der vier Wochen dauert, heißt vierwöchig. Eine ablehnende Antwort ist eine abschlägige, denn sie wird nur einmal erteilt, nicht in regelmäßiger Wiederholung; dagegen gibt es abschlägliche Teilzahlungen, die wiederkehren. Es heißt: vierteljährliche Mietezahlung (Kündigung), vierteljähriger Aufenthalt; jährlicher Urlaub einmal im Jahr, einjähriger Urlaub für ein ganzes Jahr; viertelstündiger Schlaf, aber viertelstündlich einen Eßlöffel; dreistündiger Dienst mit dreistündlicher (alle drei Stunden erfolgender) Ablösung. Eine Ware wird mit dreimonatlicher Abzahlung gekauft, hat aber nur eine zweimonatige Lebensdauer. Diese Pflanzen sind zweijährig und blühen einmal jährlich. Er wurde zu zweimonatiger Gefängnisstrafe verurteilt. Ein halbjähriger Unterricht mit vierteljährlicher Bezahlung.

Es heißt allgemein: ,ein langjähriger Beamter' , obwohl die Alltagsvernunft viel dagegen einzuwenden hat; der Sprachgebrauch ist über diese Einwendungen ebenso hinweggeschritten wie über die gegen den hundertjährigen Gedenktag (vgl. $Seite 121$ S. 155), der nicht hundert Jahre dauert, sondern etwas Hundertjähriges bezeichnet, so wie der langjährige Beamte etwas Langjähriges, seinen langjährigen Dienst. Es handelt sich um feste Sprachformeln, die nicht zu verdammen sind mit neunklugen Spöttereien: ,also gibt es auch einen zehnjährigen Beamten, eine sechsjährige Gattin?' Nein, die gibt es nicht, obwohl sie nach der ,Analogie' ebenso gut denkbar wären; aber der Sprachgebrauch duldet sie nicht und hat seine guten Gründe dafür.

Auch Tifteleien mit fremdsprachlich und fremdsprachig, altsprachlich und altsprachig hat der Gebrauch beiseite geschoben, weil er in solchen Fällen kein Bedürfnis zur strengen Unterscheidung hatte wie bei monatlich und monatig. Gewiß bezeichnet ig mehr die festanhaftende Eigenschaft, und die peinliche Untersuchung würde feststellen, daß der fremdsprachige Unterricht einer ist, der mittels fremder Sprache erteilt wird, also etwa auch Unterricht im Deutschen, den ein Franzose auf Französisch erteilt; dagegen fremdsprachlicher Unterricht der zum Erlernen einer fremden Sprache.

Viele glauben, die von Eigennamen abgeleiteten Beiwörter auf isch müßten den buchstäblichen Wortlaut des Namens unverwischt lassen. Dies gilt, wenn überhaupt, d. h. wenn man in der Schriftsprache von jedem beliebigen noch so unbekannten Namen ein Beiwort auf isch ableiten will, wovor zu warnen ist, allenfalls für Namen, deren ursprüngliche Rechtschreibung sonst bis zur amtlichen Unzulässigkeit verwischt würde. In einer öffentlichen Urkunde darf nicht unvermittelt von einem Hessischen oder Briesischen Verlag gesprochen werden, und selbst wenn die Namen Hesse und Briese schon vorher deutlich dagestanden hätten, würde man Bedenken tragen, Hessische und Briesische zu schreiben, hingegen besteht kein Grund, allbekannte geschichtliche Namen, die längst beiwörtliche Bedeutung angenommen haben, genau in ihrer Hauptwortform zu erhalten und dadurch das Bildungsgesetz des Beiworts zu verletzen. Diese Buchstabenpeinlichkeit widerspricht dem Wesen aller Sprachen: Von Eigennamen abgeleitete Beiwörter benutzen zumeist nur den Stamm, kümmern sich nicht um die Endungen. Einzig fürs Deutsche bestehen Pedanten auf Goethesche Gedichte, wohl gar mit .. e'sche und fordern Hallesche Zeitung. Es heißt Goethisch, Hallisch; im 18. Jahrhundert schrieb man sogar Hällisch. $Seite 122$ Schreiben wir doch auch Taciteisch, nicht Tacitusisch! Wer für Gelehrte schreibt, darf Manessische Handschrift sagen; für Ungelehrte nur, wenn der Name Manesse zuvor schon einmal genannt wurde.

Daß die richtige Form allmählich heißt, verdient hier angemerkt zu werden; es hat nichts zu tun mit allemal, sondern bedeutet allgemächlich, woher auch das h stammt.


Zweifelsfall

Wortbildung: Suffixkonkurrenzen bei Adjektivierungen

Beispiel
Bezugsinstanz Schriftsprache, Ungelehrte
Bewertung
Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Wortbildung: Suffigierung mit -(i)sch

Beispiel
Bezugsinstanz 18. Jahrhundert, Schriftsprache, Ungelehrte
Bewertung
Intertextueller Bezug