Wortschatz und Wortform *1

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 53 - 55

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

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Genannte Bezugsinstanzen: Pückler-Muskau - Hermann von, Volk
Text

Der Welscherei nahe verwandt ist das Reden in Zungen, die Pücklerei (nach dem Muster des Fürsten Pückler), das Prunken mit Sprüchlein und Bröcklein aus mindestens sechs Sprachen, auch aus solchen, von denen man eben nur dergleichen Flitterkram aufgeschnappt hat. Nur auf Leser mit gleichem Ungeschmack wie dem des Schreibers wirken die Sätzlein aus dem Büchmann oder einem andern ,Zitatenschatz'; die wahre Bildung verschmäht den billigen Schein, der durch Sapienti sat, Rebus sic stantibus, Do ut des, Autos efa, Nous verrons, Se non è vero, Quien sabe, Last not least erzeugt werden soll. Wohl wirkt zur rechten Zeit das rechte Wort eines großen Denkers oder Dichters mit besondrer Schlagkraft; doch je seltner dieses erlaubte Stilmittel angewandt wird, desto wirksamer. Der ,Zitateles' ist eine lächerliche Gestalt, um so lächerlicher, für je sprachfremder in seiner Zitätchenwelt man ihn erkennt.

Man vermeide sodann Wendungen, die nur deutsch klingen, in Wahrheit schlechte Übersetzungen aus einer Fremdsprache sind. ,Es macht warm' ist Französisch, nicht Deutsch; die Emden, die Deutschland, gar die Vaterland sind Englisch, nicht Deutsch; in der Falte (sous ce pli) ist Französisch, nicht Deutsch, auch nicht zulässiges Kaufmannsdeutsch.

Deutsche Pennälerei, Übertragung von lateinischen Schülerbröcklein aufs reife deutsche Leben sind Benennungen wie Bremenser, Hallenser, Jenenser, Badenser, Weimaraner (bei Goethe nur scherzhaft), Anhaltiner. Ich rate keinem, mich einen Pommeraner zu nennen. Heute sagt man ja selbst in den Schulen nicht mehr Athenienser, Karthaginienser, sondern Athener, Karthager. Wem Jenaer schlecht klingt, der wird wohl auch Gothenser, Gerenser, Grimmenser, Altonenser schreiben. Goetheaner, Hegelianer sind unfein, und Wagnerianer ist niedrig. In der Schlafrocksprache einer engen Berufszunft mag dergleichen hingehen, in die saubre Schrift- $Seite 54$ sprache gehört es nicht. Am tiefsten eingedrungen sind Hannoveraner, hannoveranisch; ich schreibe sie nie, und keiner ist verpflichtet, lateindeutsche Endungen an ein deutsches Wort zu kleben. Die Lutheraner sind schwerer loszuwerden; daß die Lutherischen edler, weil deutsch, klingt, wird jeder Nichtwelscher empfinden. Gegen Brasilianer, Florentiner, Sizilianer, Peruvianer, Piemontesen wäre bei strengster Sprachzucht manches einzuwenden: es lohnt aber nicht, gegen diese versteinerten Ausländereien anzukämpfen. Bemerkt sei nur, daß die Franzosen, Engländer, Italiener sich fast für alle diese Benennungen nur der Wortbildungsmittel ihrer eignen Sprache bedienen.

Gleichviel, welchen Wert man im allgemeinen auf peinlich richtige Schreibung des Wortbildes legt, für das Fremdwort gilt diese Sorgfalt nicht, auch nicht für das geduldete. Vollends für fremde Wörter, die keine Fremdwörter sind: Kaffe, Tee, Schokolade ist die einfachste, der Aussprache am nächsten kommende Schreibung, die empfehlenswerteste. Freilich mit dem, der hartnäckig Café statt Kaffehaus schreiben will und mit polizeilicher Erlaubnis sogar auf Ladenschildern an öffentlicher Straße so schreibt, ist überhaupt nicht zu streiten, denn völkisches und sprachliches Ehrgefühl hat man oder hat man nicht.

Schroff abzulehnen ist die Forderung mancher Sprachbedienten des Auslands, die einheimische Aussprache jeder nun einmal aufgenommenen fremden Bezeichnung so genau wie möglich wiederzugeben, also abweichend von längst üblichen Schreibungen uns abzuquälen mit echtjuchtenrussischem Kasak (Kosak), Patjomkin (Potemkin), Moskwa (Moskau), Ariol (Orel). Auf diesem Wege kommen wir zu Milano, Napoli, Ticino (Tessin), Venezia, Adige (Etsch), Jurjew (Dorpat).

Für die Wortform fremder Menschennamen ist die ihnen in ihrer Heimat eigne Schreibung maßgebend. Wir werden Viktor oder Victor Hugo, nicht Ügo, schreiben; Shakespeare, nicht Schexpier. Aufhören aber sollte die bedientenhafte, zu groben Irrtümern führende Wiedergabe eines nichtfranzösischen, nichtenglischen Fremdnamens mit den Schriftmitteln der Franzosen oder Engländer. Der unheilvolle griechische Staatsmann neuester Zeit heißt auf Griechisch Weniselos; die Franzosen geben dies richtig mit Venizelos wieder. In Deutschland wird er fast durchweg französisch geschrieben und von $Seite 55$ den Meisten dank dieser Ausländerei Fenitzelos gesprochen. Die Engländer müssen den indischen j-Laut durch y wiedergeben und schreiben das Himalaja gesprochene Gebirge richtig Himalaya; es besteht nicht der kleinste Grund für uns Deutsche, es ihnen nachzuschreiben, denn deutsches y ist nicht j. Das in deutsche Siegerhände gefallene englische Schiff Ayesha hätte sogleich Ajischa heißen müssen, blieb aber nach deutscher Art, oder Unart, ruhig weiter Ayesha. — Kleinigkeiten? In Fragen der völkischen Sprachehre gibt es wie in allen Ehrenfragen keine Kleinigkeiten. Die Franzosen schreiben richtig Hindenbourg, Loudendorf, Guillaume.


Zweifelsfall

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Beispiel
Bezugsinstanz Pückler-Muskau - Hermann von, Volk
Bewertung

Schlafrocksprache, versteinerte Ausländereien, bedientenhafte, zu groben Irrtümern führende Wiedergabe

Intertextueller Bezug