Das Hauptwort 3. Das Geschlecht

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 98 - 100

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Unsicherheit
Text

Über Hauptwörter mit verschiedenen Geschlechtern und entsprechend verschiedenen oder auch gleichen Bedeutungen belehrt jede deutsche Sprachlehre; hier werden, wie durchweg, nur die Zweifelfälle betrachtet. Einige landschaftliche Besonderheiten wurden schon erwähnt (S. 68); nachgetragen seien noch für die Schweiz: der Großmut, der Bank, der Schneck, der Laus (die Floh, die Fräulein, das Reis für reichsdeutsches der Reis, die Abscheu, die Schoß, der Almosen, das Tau (statt der Tau), die Koffer. Schweizer Lesern sei bedeutet, daß für die Schriftsprache diese Abweichungen unzulässig sind; der landschaftliche Sprachgebrauch wird davon nicht berührt.

Die weibliche Benennung von Schiffen: die Emden, die Dresden, die Vaterland, die Bismarck — auch die zwei letzten wurden schon gedruckt und gesprochen! — sind nicht echtdeutsches Gewächs, sondern Nachäffung englischer Sprachform. Noch sitzt diese undeutsche und für unser Sprachgefühl grund- und sinnlose Geschlechtsbezeichnung nicht so fest, daß wir sie als geheiligten Sprachgebrauch hinnehmen müßten. Jeder Deutsche hat das Recht, Einspruch gegen solche offenkundige Engländerei zu erheben und zu verlangen, daß den Schiffen ihr natürliches oder aus irgendwelcher vernünftiger Anschauung hergeleitetes Geschlecht gegeben werde. Ein gepanzerter Berserker wie der (Kreuzer) Emden oder der (Panzer) Bismarck oder das (Kriegschiff) Vaterland können durch keine Klügelei zu holden weiblichen Wesen gemacht werden. Das gesunde Gefühl des Deutschen wird ihn in jedem Falle richtig leiten, richtiger als mit der ewigen englischen Weiblichkeit. $Seite 99$ In zweifelhaften Fällen wie Hamburg, Baden, Emden ziehe man der vor und ergänze Kreuzer; dies ist auch für Linienschiffe immer noch angemessener als die. Bei Schiffen mit Städtenamen denken wir doch nicht zuerst ergänzend: die Stadt, sondern eben auch: der Kreuzer, der Panzer. Kein andres Seevolk außer uns Deutschen treibt solche Englandäfferei; jedes folgt seinen eignen Sprachgesetzen und schreibt La Patrie, Le Danton, II Dante. Es handelt sich hier keineswegs um eine Kleinigkeit, sondern um einen Ehrenpunkt, von der Sprachvernunft gar nicht erst zu reden. Nebenbei sei schon hier außer der Reihe bemerkt, daß auch die Ausdrucksweise An Bord Seiner Majestät Schiff Deutschland nicht nur empörend sprachwidrig, sondern eine rohe Nachäffung des Englischen ist. Wem solch Abhängigkeitsverhältnis zwischen der deutschen Flotte und dem englischen Sprachgesetz ganz recht ist, mit dem ist nicht zu streiten. Hier liegt noch kein zu achtender alter deutscher Sprachgebrauch vor, sondern bewußte Äfferei, die keine Rücksicht verdient.

Der Elsaß wird sprachgeschichtlich für ,richtiger' erklärt; alle Welt sagt das Elsaß, also schreiben wir richtig das Elsaß.

Der Abscheu ist heute die herrschende Form; früher hieß es oft die Abscheu.

Bereich kommt bei Goethe und Andern männlich und sächlich vor; heute hat sich das Bereich stärker durchgesetzt, ohne daß der Bereich falsch wäre.

Der Chor (chorus) war im 18. Jahrhundert, z. B. bei Goethe, fast nur sächlich. Eine drollige Wendung lautet: Das Chor der Rache, wohl mit dem Gedanken an das Corps, Chor als Sängerplatz ist sächlich.

Heute überwiegen das Drangsal, die Mühsal, die Trübsal; bei Goethe kommen andre Geschlechter vor.

Das Euter herrscht jetzt vor; die Euter ist nicht falsch.

Manche Sprachlehren fordern als besser oder einzig richtig (,es darf nur heißen'): Ihre Fräulein Braut, Ihrer Fräulein Tochter. Die Sprache liest keine Sprachlehren, sondern folgt ihrem, d. h. der Sprechenden, innern Gefühl und spricht heute fast ausschließlich: Ihr Fräulein Braut, Ihrem Fräulein Tochter. Die Sprachlehren sind hiermit sehr unzufrieden, aber die Sprache beharrt bei ihrem Willen. Der Leser wird wissen, wem er zu folgen hat. Er sagt ja auch: Liebes Fräulein Marie!

$Seite 100$ Weil in Leipzig angeblich der Gehalt (für Beamte), die Gehalte gesprochen wird, beschimpfte von Leipzig aus ein Sprachbüttel den Geschmack des ganzen übrigen Deutschlands, wo man das Gehalt, die Gehälter spricht und schreibt —: ,plebejisch, häßlich, niedrig'. Ich habe ermittelt, daß es heute auch in Leipzig weit überwiegend das Gehalt, die Gehälter heißt. Die Sprache hat sich selbst einen Weg gebahnt: sie hat eben den Unterschied zwischen Inhalt und Lohn deutlicher machen wollen, und von einer ,Gemeinheit' der Form Gehälter fühlt heute kein Mensch etwas.

Gift, das bei Goethe in allen drei Geschlechtern vorkommt, ist heute in der Schriftsprache nur sachlich.

Landschaftlich wird der Lohn (die Belohnung) und das Lohn (Gehalt) unterschieden; die Schriftsprache kennt für beide Bedeutungen jetzt nur der Lohn.

Das oder der Münster? In der Schweiz heißt es nur das, bei Goethe der. Ich sage das, habe aber nichts gegen der. Der Grund, daß das lateinische Urwort monasterium sachlich ist, gibt nicht den Ausschlag.

Das statt der Sarg ist Landschafts-, nicht Schriftsprache.

Teil war im ältern Deutsch, so noch bei Luther, überwiegend sächlich. Heute schwankt das Geschlecht in gewissen Wendungen: ich für mein Teil und für meinen Teil; ich habe mein Teil und meinen Teil; ein gutes Teil und ein guter Teil davon. Der Sprachgebrauch hat sich noch nicht ausschließlich für die eine oder die andre Form entschieden, also sind beide richtig. In biblischen Wendungen, wie das gute Teil erwählt, hat sich das sächliche Geschlecht behauptet. Ferner nur: Ich habe mein Teil weg; aber: Ich habe meinen Teil der Erbschaft bekommen.

Der oder das Ungestüm? Der oder das Vogelbauer? Der oder das Wams? Der Zeh oder die Zehe? Der oder die Zierat? Beide Formen sind auch in der Schriftsprache zulässig; die Wage schwankt noch zu Gunsten der einen oder andern. Bei Zierat kommen die drei Geschlechter berechtigt vor.

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Engel(1922) 098-100.pdf


Zweifelsfall

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Beispiel
Bezugsinstanz Schweiz, Schriftsprache, Mundart, gesprochene Sprache, alt, Goethe - Johann Wolfgang, Literatursprache, gegenwärtig, 18. Jahrhundert, Sprachgelehrsamkeit, Leipzig, Luther - Martin, Kirchensprache
Bewertung

unzulässig, Nachäffung, grund- und sinnlos, offenkundige Engländerei, Englandäfferei, empörend sprachwidrig, rohe Nachäffung, verdient keine Rücksicht, richtiger, richtig, drollig, Frequenz/herrschende Form, nicht falsch, Frequenz/überwiegend, zulässig, berechtigt

Intertextueller Bezug