Das Vorwort *3
Buch | Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig. |
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Seitenzahlen | 178 - 180 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schreiber schlechten Stils, Welsch, Geschäftssprache |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schreiber schlechten Stils, Alt, Goethe - Johann Wolfgang, Schriftsprache, Umgangssprache, Redewendung/Sprichwort |
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schreiber guten Stils, Schriftsprache, Umgangssprache |
Text |
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Es gibt manche Schreiber, ja sogar einige ältere Sprachlehren, die glauben, die allbekannten Verschmelzungen von Vorwörtern mit Geschlechtswörtern seien weniger fein und eigentlich nur in der bequemeren Umgangs- und Schreibsprache zulässig. Das ist grundverkehrt. Die Formen am, im, beim, vom, zum, zur, ans, aufs, ins, vors, überm, übers usw. sind ebenso gut und fein wie die unverbundenen Formen und gehören zum festen und besten Bestande unsrer Sprache. Und wer die landläufigsten Ver- $Seite 179$ schmelzungen dieser Art wohl oder übel zuläßt, der mäkelt laut oder leise über einige seltnere, z. B. übers, hinterm, vorm. Ich wüßte nicht, was zu sagen wäre gegen Goethes Spruch: ,Übers Niederträchtige niemand sich beklage' , oder gegen landläufige gute Wendungen: ,hinterm Ofen, vorm Tode' . Nach Hunderten zählen die festgeprägten Verbindungen wie: aufs Haupt schlagen, beim Wort halten ans Herz schließen, zum besten halten usw. Im Gegenteil, es ist dringend zu warnen vor der sprachwidrigen Auflösung und Zerreißung von Ausdrücken, die nur in der bündigen Form ihre Wirkung tun, in der getrennten gespreizt und unnatürlich geziert klingen. Nur eitle, schlechte Schreiber fassen etwas in das Auge, sind mit der Geduld an dem Ende, bringen etwas an das Licht, wehren sich auf das Äußerste, nehmen etwas auf das Korn, unterhalten sich auf das beste. Wo keine formelhafte Prägung vorliegt, kann natürlich, ja muß unter Umständen getrennt werden: Ich mache mich auf das Äußerste gefaßt, werde mich aber aufs äußerste dagegen wehren. Bei den ältern Schriftstellern, namentlich bei den Dichtern kommen noch ganz andre Verschmelzungen vor als die vorhin genannten, z. B. bei Goethe: aufn (auf den), aufs (auf des), zun (zu den). Solche Freiheiten sind dem heutigen Prosaschreiber nicht mehr erlaubt; allerdings ist die Formel ,ums Himmels willen' noch heute gutes Deutsch. Die Regel fürs (!) Unterscheiden zwischen zusammengezogener und getrennter Form in nicht festgeprägten Ausdrücken lautet: Die Verschmelzung ist nur zulässig mit dem tonlosen Geschlechtswort, also dem reinen Geschlechtswort, das nicht mit Nachdruck auf ein bestimmtes Hauptwort hinweist, darum besonders häufig da, wo nicht das bestimmte, sondern das unbestimmte Geschlechtswort zugrunde liegt. ,Er ist im Fieber' , d. h. in einem Fieber, nicht in dem Fieber; ,Er ist am Herzschlag gestorben' , an einem Herzschlag, nicht an dem, an diesem. Tritt zu einem Hauptwort ein zu dessen Ergänzung und näherer Bestimmung dienendes Beiwort oder ein Bezugsatz, so bekommt das Geschlechtswort Zielkraft, hört auf farblos unbestimmt zu sein, und alsdann wird die Auflösung notwendig oder doch ratsam. ,Wir mußten uns im Augenblick entschließen' ; aber: ,Wir mußten uns in dem Augenblick entschließen, wo die Frage aufgeworfen wurde.' ,Er kam am Dienstag an und reiste schon am Ankunftstage wieder ab' $Seite 180$ aber: ,Er reiste an dem Tage, wo er angekommen war, wieder ab.' Zweifelfälle bleiben nicht aus, und den Dichtern ist Freiheit gelassen. Schillers Satz: ,Zum Werke, das wir ernst bereiten' , fließt natürlicher als die Auflösung ,zu dem' , und bei näherer Untersuchung finden wir, daß der Bezugsatz keine nachdrückliche nähere Bestimmung hinzufügt, die den Dichter zur Trennung hätte zwingen müssen. Wir aber werden schreiben: ,Er schied zu früh von dem Werke, das sein ganzes Leben erfüllt hatte.' In der Geschäftswelt entstanden und von da über alle Schreibenden verbreitet ist die widersinnige Zeitangabe ,Am Mittwoch, den 12. November ..' Daß dies falsch ist und durch nichts verteidigt werden kann, sieht, einmal darauf hingewiesen, jeder ein; also weg damit und entweder: ,Am .. dem', oder kürzer, mit Weglassung des ,am' : ,Donnerstag, den ..' Man braucht gegen solch altes Zöpfchen, das jeder bisher tragen zu müssen glaubte, nicht gleich loszuzetern: ,Abscheulicher Fehler . . Zeichen der immer mehr zunehmenden Verrohung unsers Sprachgefühls', natürlich aus der Feder solcher Zuchtmeister, die über solchem Splitterchen den klotzigen Balken der abscheulichen Verrohung unsrer Sprache durchs Welsch ganz gleichmütig mitansehen. In der Umgangsprache, selbst in der guten, wird mit Recht kein Anstoß genommen an ,Vom König und der Königin, Im Januar und den folgenden Monaten' . Aber auch die gute Schriftsprache darf sich solche notwendige Freiheiten nicht verbieten lassen, sondern getrost schreiben: ,Im Garten und dem Hause herrschte Ruhe' . Das Sprachgefühl des Lesers sorgt ohne Störung für die richtige Ergänzung durch das in einem im steckende und empfundene in. Bei den Schmelzformen mit s: ans, aufs, im, fürs steht ebensowenig ein Häkchen wie bei denen mit m: am, im (vgl. S. 86). |
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Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Alt, Schreiber schlechten Stils, Umgangssprache, Goethe - Johann Wolfgang, Redewendung/Sprichwort, Schriftsprache |
Bewertung |
grundverkehrt, ebenso gut und fein, zum festen und besten Bestande, dringend zu warnen vor der sprachwidrigen Auflösung und Zerreißung, gespreizt und unnatürlich geziert, widersinnig, abscheulichen Verrohung unsrer Sprache durchs Welsch, |
Intertextueller Bezug |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Geschäftssprache, Schreiber schlechten Stils, Welsch |
Bewertung | |
Intertextueller Bezug |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Umgangssprache, Schriftsprache, Schreiber guten Stils |
Bewertung | |
Intertextueller Bezug |