Satzbau *1

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 312 - 314

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Kongruenz: Numerus

Genannte Bezugsinstanzen: Schriftsprache
Behandelter Zweifelfall:

Koordinierte Nebensätze

Genannte Bezugsinstanzen: Schreiber guten Stils, 18. Jahrhundert, Prosa, Gegenwärtig, Goethe - Johann Wolfgang, Schriftsprache, Fachsprache (Rechtswissenschaft)
Behandelter Zweifelfall:

Wortstellung: Nähestellung oder Distanzstellung

Genannte Bezugsinstanzen:
Behandelter Zweifelfall:

Konkurrierende Relativpronomina

Genannte Bezugsinstanzen:
Text

Besondre Aufmerksamkeit verlangt der Bezugsatz nach Form und Inhalt. Er dient zum Bestimmen, Erläutern, Ergänzen eines wichtigen Wortes (Hauptworts oder Fürworts) im vorausgehenden Satz, muß daher so eng wie tunlich an das Wort angeschlossen werden, zu dem er gehört. Wie z. B. in dem eben abgeschlossenen Satz, wo zwischen Wort und dem nichts steht, was nicht unbedingt dazwischen stehen muß. Der Satzbau: ,Die Dachwohnung der Villa, die man erst im Winter bezogen hatte, erwies sich als zu feucht' , läßt zweifelhaft, ob das ganze Haus oder nur die Dachwohnung bezogen und feucht war; wenn nur diese, dann muß der Bau — zwar nicht der Villa, aber zunächst des Satzes — geändert werden: ,In der Villa erwies sich die Dachwohnung . .'

Eine recht häufige Verbruddelung kommt in Sätzen mit dieser Fügung vor: ,Einer der edelsten Menschen, den ich gekannt habe . ., Einer der gröbsten Fehler, der begangen werden kann, ist dieser.' Die Aufmerksamkeit des Schreibers ist so überwiegend auf den Einen verdichtet, daß er darüber den Zusammenhang der Form vergißt.

Größte Vorsicht ist nötig bei bezüglichen Fürwörtern mit mehrdeutiger Form: keine Verwechslung des 1. und des 4. Falles! ,Das Brot, das ich gegessen und mir gut bekam. — Ein Buch, das bei Cotta erschienen ist und ich sogleich gelesen habe. — Ein Spiel, welches er als Glücksspiel bezeichnet und auch anscheinend eines ist. — Die Hoffnung, die er so lange gehegt hatte und ihn nun doch betrogen hat.' Die Wiederholung des Fürworts ist unumgänglich, dem aufmerksamen Leser entgeht solch ein Fehler selten.

Will ein Schreiber sich nicht den Zwang auferlegen, von einem Bezugsatz nie einen zweiten abhängen zu lassen, dann sollte er wenigstens die Vorsicht üben, den zweiten Bezugsatz so knapp wie möglich zu fassen. Einen Satzbau wie diesen wird man nicht beanstanden: ,Die Römer, die schon in Zeiten, die weit zurücklagen, die Erfahrung gemacht hatten, daß . .' $Seite 313$ Was über die Länge des zweiten Bezugsatzes hinausgeht, ist vom Übel.

Achtung vor dem falschen Bezugsatz! Der richtige soll ergänzen, vervollständigen, näher bestimmen, unterscheiden; er soll nicht einen Gedanken fortspinnen, soll nicht etwas ganz Neues zum Inhalt des vorangehenden Satzes fügen, namentlich nichts, was in der Zeit nachfolgt. In andrer Form haben wir in den unechten Bezugsätzen denselben Denk- und Ausdrucksfehler wie in den unechten beiwörtlichen Mittelwörtern (vgl. S. 133). ,Man will die Schwurgerichte durch eine besondere Art von Schöffengerichten ersetzen, deren Konstruktion in der Lust schwebt und als völlig unpraktisch erscheint' (von einem berühmten Rechtslehrer der Gegenwart). Kann jemand eine so offenbar törichte Absicht haben? Keiner hat sie, aber durch den falschen Bezugsatz, der statt eines etwa mit aber angeschlossenen Hauptsatzes angeleimt worden, entsteht dieser Irrtum. — ,Noch heute enthält dieser Teich viele kleine Fische, an denen sich einst die rings lagernden Kreuzfahrer erquickten.' (Wunderbar zählebige Fische!)

Nicht immer erzeugen die schlechten Bezugsätze so vollkommnen Unsinn; meist bleibt es bei der Lockerung und Verkrümmung des Satzgefüges. ,Die Pilger überreichten eine Glückwunschadresse, die der Papst beantwortete und dann (worauf er) allen Anwesenden den apostolischen Segen gab. — Die Bücher, die er gelesen und ihnen (denen er) reiche Belehrung verdankte.' Satzbilder dieser Art finden sich in Goethes Prosa zu Hunderten: ,Unglückliche, denen man nicht helfen, sie nicht erquicken kann. — Da droben ist die Taube, nach der Francisco lange geschossen und sie niemals getroffen hatte.' Sehr bequem, aber heute nicht mehr zulässig. Die Schreiber und Leser des 18. Iahrhunderts hatten weniger strenge Ansichten vom Satzbau, sortierten nicht dieselbe Straffheit wie wir. Ob von einem höhern Standpunkt der Stilkunst jene oder wir im Rechte, steht hier nicht zur Entscheidung; die Gegenwart hat ihr eignes Stilgesetz, und ihm hat sich der Durchschnittschreiber zu unterwerfen. Für den Klassiker — auch nicht für den, der sich dafür hält — schreibt man keinen Führer zu gutem Deutsch.

Schließlich sei wiederum erinnert an die gelenkigen und nützlichen Bezugwörter woran, worauf, wobei, worin, wofür, woraus, worum, wogegen usw., die eine wohl- $Seite 314$ tuende Abwechslung und Beflügelung in das ewige Einerlei von der, die, das oder welcher, welche, welches zu bringen geeignet sind. Viele Schreiber machen nie davon (von ihnen!) Gebrauch, woraus (aus welchem Umstande!) zu schließen ist, daß sie sie entweder gar nicht mehr kennen oder sie für unfein und niedrig halten (vgl. S. 164). Ferner wird auch hier bemerkt, daß WO ebensogut als zeitliches wie räumliches Bezugsfürwort (oder Umstandswort) dient (vgl. S. 163).

Als Hilfsmittel für den guten Satzbau muß neben und nach dem eignen scharfen Durchdenken des Stoffes und der pflichtmäßigen Sorgfalt die Durchforschung solcher Schriftsteller empfohlen werden, deren Satzbau mustergültig ist, trotz gelegentlichen Eigenwilligkeiten und selbst Nachlässigkeiten. In meiner Sammlung Deutsche Meisterprosa stehen die besten Namen und bei diesen ihre besten Proben.

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Engel(1922) 312-314.pdf


Zweifelsfall

Wortstellung: Nähestellung oder Distanzstellung

Beispiel
Bezugsinstanz
Bewertung

zweifelhaft, nicht zu beanstanden, Übel, unecht, töricht, falsch, Irrtum, schlecht, so vollkommner Unsinn, sehr bequem, aber heute nicht mehr zulässig, gelenkige und nützliche Bezugwörter, wohltuend, mustergültig, beste Namen, beste Proben

Intertextueller Bezug Engel: Deutsche Meisterprosa


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Zweifelsfall

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