Unsere Sprache scheint nicht mehr so triebkräftig, um aus reinen Wurzeln neue einfache Wörter mit Hilfe einfacher Konsonanten zu bilden, selbst Reihen gleicher Bildungsart, wie etwa die $Seite 2$ Hauptwörter auf t- von b- und m-Stämmen (geben: Gift, heben: Heft, haben: Haft; (ver)nehmen: Vernunft, (an)kommen: (An)kunft), oder auf -st neben n-Stämmen (brennen: Brunst, gönnen: Gunst, gewinnen Gewinst, spinnen: Gespinst; (ab)spannen: Gespenst; können; Kunst) gesellt sich heute kaum ein neues Glied bei. Höchstens wenn in einer Wortklasse eine Endung besonders oft auftritt, aber mehr die Wortklasse bezeichnend als wortbildend, dann wird sie oft rein mechanisch angefügt, um Wörter und selbst Wendungen als einer solchen Wortklasse zugehörig zu kennzeichnen. So sind die vielen Genetive auf s, die als Adverbien gebraucht werden, die Veranlassung geworden, überhaupt Adverbien durch ein solches s kenntlich zu machen. Man denke nur an jenseits, blindlings, hinterrück(en)s, unterweg(en)s, selbst tags darauf und bis heutigentags und (des) Nachts; dann anderorts und aus lebhafterer Erinnerung an einen möglichen Genetiv andernorts, geradeso wie sich neben dem altberechtigten anderseits jünger andrer- und einerseits entwickelt haben, von Teil aber richtig nur eines- und ander(e)nteils. Auch an wirkliche und scheinbare Partizipien ist das s angetreten, wie durchgehends, zusehends, vollends, während eigends statt eigens schlecht ist. Wo das s gegen den Gebrauch einmal fehlt, empfindet man den Mangel bereits unangenehm, so etwa wenn der Tiroler Schriftsteller R. Hörmann verspricht, etwas besonder zu erzählen. Anderseits heißt es der Steigung für dies s zu sehr nachgeben, wenn man es auch an Fügungen hängt, in denen schon Präposition und Substantiv das adverbiale Verhältnis deutlich genug ausdrücken, oder wenn der ursprünglich immer partitiv gedachte und noch jetzt mehr oder minder so empfundene adverbiale Genetiv geradezu ein Widerspruch ist gegenüber einem Ausdrucke, der die Ausdehnung über eine Strecke bezeichnet und somit den Akkusativ fordert. Deshalb ist falsch über mittags//1 Auch nicht gut ist über Essens, obwohl es auf einer Weglassung von Zeit beruhen dürfte.//, tagsüber, sommersüber, durchwegs, inlands statt über mittag, (den) Tag über, den Sommer über, durchweg, mehr ins Land hinein. Öfters hat mit diesem s herrschend werden können, weil es die Komparativbedeutung verloren hat und nur noch so viel wie manchmal besagt, aber darum ist kein Anlaß, mit den Österreichern das s auch an die Komparative ferner und weiter anzuhängen. Auch stillschweigends statt stillschweigend ist nicht zu empfehlen, da das Wort noch viel zu sehr in seiner eigentlichen partizipialen Bedeutung gefühlt wird. Vollends sind mancher-, vielerorts widerspruchsvolle Bildungen; beginnen sie doch mit einem Wesfall in der Mehrzahl und am Schluß ist in diesem s das ursprüngliche Zeichen des Wesfalls der Einzahl angehängt.
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