Hochmodern, ungleich besser

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 441 - 442

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Semantik: Steigerung

Genannte Bezugsinstanzen: Gegenwärtig
Text

Hoch genug hinaus kann heut auch niemand mehr, und so wird jede Eigenschaft bis in die Höhe gehoben, auf welcher alle sein möchten, indem ihrer Bezeichnung ein hoch vorgehängt wird, auch dann, wenn sich die Ausdehnung der Eigenschaft weder sinnlich //1 Wohl aber rechtfertigt sich das hoch in hochtragend (z. B. von einer Kuh) oder in dem von der künstlichen Gangart der Pferde entlehnten hochtrabend. Ebenso bei Farben und Tönen, auch beim Alter: hochrot, hoher Tenor, hochbetagt. Auch die heut weniger als je benötigten Anreden Hoch(wohl)geboren, hochansehnliche Versammlung, wie alles, was mit Hoheit zusammenhangt, rechtfertigt sich sprachlich, indem sich damit bildlich eine Höhenvorstellung verbindet; Leute die hohes Ansehn genießen, stehn dem Betrachter gleichsam in Achtung gebietender Höhe.// noch bildlich nach der Höhe hin vollzieht. Über die hochunterrichtende Klarlegung einer hochinteressanten Frage durch einen hochberühmten Fachmann kann man daher heute so manchen hochbeglückt und hochentzückt reden hören. Aber ihr Jäger nach der Höhe, wenn ihr auch noch so hochschön auf hochfeinem Schuhwerk und in hochelegantem Anzug einhergeht, ein derartiges Sprachgewand ist wohl für die Gasse hochmodern. Wer Geschmack hat, macht dies euer Hochgestelze nicht mit; ebensowenig die hochmodische Hochgradigkeit, die heute nicht bloß nach Graden Meßbarem beigelegt wird wie dem Bier, dem Spiritus, dem Fieber, obwohl auch hohes Fieber ausreichte, sondern auch allerhand Eigenschaften wie Empfindlichkeit und Gereiztheit, Erregtheit und Betroffenheit! Unschuldiger scheinbar und doch noch sinnloser ist das Wort ungleich statt viel oder weit neben der zweiten Steigerungsstufe: eine ungleich höhere Besoldung. Der Weg ist im Sommer ungleich gangbarer als in der ungünstigen Jahreszeit (Jensen). Als ob es nicht selbstverständlich wäre, daß eine höhere Stufe der niedern ungleich ist //2 Auch unvergleichlich schlechter ist oft nichts als ein modischer Ersatz statt des gewöhnlichen viel schlechter; immerhin hat es aber mehr Sinn, insofern es ein kürzester Ausdruck für einen Vergleichsatz ist; schlechter, als daß ein Vergleich möglich wäre.//.

$Seite 442$ So weist die Betrachtung dieser modischen Redeweise auf die Grenze hin, jenseis deren die Abstumpfung des Sprachgefühls nicht bloß zu so breiter und unnütz schwerfälliger Ausdrucksweise führt, sondern geradezu einen Widerspruch zwischen der Sache und ihrem Sprachbilde hervorruft. Auf diesem Widerspruche beruht aber in der Hauptsache der größte Fehler, der unser heutiges Schrifttum entstellt:

Scan
Matthias(1929) 441-442.pdf


Zweifelsfall

Semantik: Steigerung

Beispiel
Bezugsinstanz gegenwärtig
Bewertung

ebensowenig, für die Gasse hochmodern, noch sinnloser, statt, Unschuldiger scheinbar, Wer Geschmack hat, macht dies euer Hochgestelze nicht mit

Intertextueller Bezug