Stellung des Reflexivs

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 398 - 399

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Wortstellung: Reflexivpronomen

Genannte Bezugsinstanzen: Bauer - Erwin Heinrich, Hartmann von Aue, Goethe - Johann Wolfgang, Ehlers - Otto Ehrenfried, Raabe - Wilhelm
Text

Die Forderung des Wohllautes wird heute beim Reflexiv, vor allem seiner schwachtonigsten Form sich, so oft unbeachtet gelassen, daß man förmlich froh sein muß, wenn man über einen Satz mit reflexivischer Wendung einmal ohne Unebenheit hinwegkommt. Dazu vereinigt sich gerade hier mit der Forderung des Wohllautes die andre der Verständlichkeit und Sinngemäßheit, und diese fordert, daß dies Wörtchen, das oft kaum noch ein voll empfundenes Fürwort und mehr nur ein Zeichen einer besonderen Sinnesfärbung ist, nicht an einer Stelle steht, wo man das bedeutsamste, unterscheidende und deshalb zu einer Entgegensetzung auffordernde Wort erwartet, sondern dort, wo man einen Fingerzeig für die Auffassung des Satzes noch brauchen kann, möglichst an seinem Anfange. Heute, wo es oft dem Ende ganz nahe gerückt ist, kann man sich immer erst nachträglich durch einen gewaltigen Ruck in die richtige Auffassung versetzen; etwa wie einem am Ende eines Weges der Wegweiser nicht eben zur Bequemlichkeit anzeigt, daß man irre gegangen sei.

Goethe hat auch dies wohl empfunden, und so trifft man bei ihm kaum auf einen Satz, wo sich nicht möglichst weit vorgerückt wäre: Das Bild, auf das sich meine ganze Liebe bezog. Narciß schien sich auf seine Geliebte ohne Rückhalt etwas zugute zu tun. Dann klangen die Saiten allein, bis sich wieder die Stimme leise in gebrochenen Lauten darein mischte. — Solchen wahrhaft melodischen Sätzen halte man zu dem Beispiele mit es sich oben nur folgende gegenüber, um sich von der herrschenden Geschmacklosigkeit abgestoßen zu fühlen: So wird das schmucke Büchlein sich (— wem denn sonst?) Freunde weit und breit machen (§ 386, 2). Eine Form, in die die Menschen sich (statt: sich die Menschen) gezwängt haben. Damit mischten dann auch sich — wen denn sonst? — Elemente der heimischen Sage. Emerich war nur kaltblütig, solange es nicht um Frauen sich handelte. Das Ärgste ist es freilich, wenn man es gar auch in der Stimmhebung vor dem Zwischensatze und selbst am Schlusse des Satzes erscheinen läßt: Es fiel ihr ein, daß ein Teil der Ge­nossen sehr wohl sich, wie öfter — wen denn? — in letzter Zeit, bei ihr versammelt haben konnte (E. Bauer), und: So mußte ich, um zu Weih­nachten in Neapel eintreffen zu können, mich, wollte ich diese indischste aller Städte überhaupt sehn, der Eisenbahn bedienen (O. Ehlers). Frei- $Seite 399$ lich steht auch bei W. Raabe: Mehr als einmal schüttelte Cesare Campolani sich, als ob ihn fröstele//1 Diesem Mißbrauche gegenüber war die — ältere (vgl. S. 391, Anm. 1) — Möglichkeit völlig natürlich, das Reflexiv an die erste Satzstelle zu rücken: sich huop wider morgen ... dirre angestlîcher strît (H. v. Aue). — Sich mac halt nihtes nîht verbergen vor dem grôzen lichte.//.

Scan
Matthias(1929) 398-399.pdf


Zweifelsfall

Wortstellung: Reflexivpronomen

Beispiel
Bezugsinstanz Bauer - Erwin Heinrich, Ehlers - Otto Ehrenfried, Goethe - Johann Wolfgang, Raabe - Wilhelm, Hartmann von Aue
Bewertung

wahrhaft melodischen Sätzen

Intertextueller Bezug