Bindewörter. Und
Buch | Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen |
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Seitenzahlen | 259 - 262 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schriftsprache |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schriftsprache |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Sprache des Buchhandels, Schweden, Österreich, Frankreich, Sprache der Kunst, Geschäftssprache |
Text |
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Auch der Gebrauch der Bindewörter hält sich jetzt nicht frei von Fehlern und namentlich nicht frei von Geschmacklosigkeiten, die sich aber natürlich gerade deshalb, weil sie so geschmacklos sind, besondrer Beliebtheit erfreuen. Richtig angewendet werden ja im allgemeinen die geläufigen Verbindungen: nicht nur — sondern auch, $Seite 260$ sowohl — als auch, entweder — oder, weder — noch; doch kann man bisweilen auch Sätze lesen, wo nicht nur — aber auch gegenübergestellt sind, was natürlich falsch ist. Feiner und weniger geläufig ist die Verbindung nicht sowohl — als vielmehr. Bei den vorhergehenden Verbindungen sind entweder beide Glieder bejahend oder beide verneinend: hier ist das erste verneinend und das zweite bejahend. Mit dieser Verbindung wissen manche nicht recht umzugehen; sie möchten sich aber doch gern damit zieren und schreiben dann: nicht sowohl was die Anzahl, sondern mehr was die Bedeutung der Stücke betrifft. Aber selbst bei dem einfachen und werden Fehler gemacht. Ein sehr gewöhnlicher Fehler entsteht dadurch, daß sich der Schreibende nicht genügend klar darüber ist, wieviel Glieder er vor sich hat. Da schreibt z. B. einer — gleich auf dem Titelblatt eines Buches! —: Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnot im Dreißigjährigen Kriege. Wieviel Glieder sind das, zwei oder drei? Der Schreibende hat es für drei gehalten, es sind aber nur zwei. Das erste Glied ist Seuchen, das zweite ist Hungers- und Kriegsnot, dieses besteht selber wieder aus zwei Gliedern. Folglich fehlt die Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Gliede. Vielleicht fürchtet man sich vor einem doppelten und — es spielt da wieder der Aberglaube herein, daß man nicht kurz hintereinander zweimal dasselbe Wort gebrauchen dürfe! —, aber die Logik verlangt es hier unbedingt. Beseitigen wir noch den zweiten groben Fehler, daß der Plural der vor Seuchen zugleich als Singular auf Hungersnot bezogen ist, so lautet das Ganze richtig: Geschichte der Seuchen und der Hungers- und Kriegsnot usw. Ähnliche Beispiele, wo überall ein und fehlt — wo? deuten die Klammern an —, sind folgende: Ex-Libris, Zeitschrift für Bücherzeichen- [] Bibliothekskunde und Gelehrtengeschichte — von der Hardts Beziehungen zum Braunschweiger Hofe [] zu Spener, Franke und dem Pietismus — die Beziehungen zum Hofe von Alexandrien [] zur alexandrinischen Kunst und Wissenschaft — das Material entnimmt er seinen $Seite 261$ eignen Erinnerungen [] Aufzeichnungen und Briefen aus dem schleswig-holsteinischen Archiv — ein gemeinsames Münz-, Maß- [] Gewichtssystem [] Patent- und Markenschutzrecht — ein Gärtchen, in dem er Gemüse baute [] Blumen und Bienen pflegte — das schlechte Essen [] Trinken und die lästigen Fliegen — wer lesen, schreiben [] rechnen kann und täglich seine Zeitung liest. In allen diesen Fällen liegen nur zwei Glieder vor, von denen aber das eine selbst wieder aus zwei oder mehr Gliedern besteht, und in den meisten Fällen fehlt das und gerade da, wo die beiden Hauptglieder miteinander verbunden werden müssen. Es ist genau so, wie wenn jemand schreiben wollte: die Räuber, Kabale und Liebe anstatt: die Räuber und Kabale und Liebe. Eine rechte Dummheit ist es, wenn auf Buchtiteln, in Buchhändleranzeigen, auf Konzertprogrammen usw. von zwei Männern, die, entweder gleichzeitig oder nacheinander, der eine vielleicht nach dem Tode des andern oder der eine als Übersetzer des andern, an einem Werke gearbeitet haben, die Namen durch Bindestriche miteinander verbunden werden, z. B.: kritische Ausgabe von Lachmann-Muncker, Quellenkunde von Dahlmann-Waitz, Phantasie von Schubert-Liszt, das Leben der Wörter von Nyrop-Vogt. Zwei Namen so zu verbinden hat allenfalls Sinn, wenn der Mann zu seinem Namen den der Frau oder (wie in der Theaterwelt) die Frau zu dem ihrigen den des Mannes fügt. Aber zwei (!) Personen durch einen solchen Doppel- und Koppelnamen zu bezeichnen ist doch ganz sinnwidrig. Warum denn nicht: kritische Ausgabe von Lachmann und Muncker? Wozu solches Telegrammgestammel, wo es gar nicht nötig ist? Aber die Franzosen reden doch auch von Erckmann-Chatrian. Nicht wahr? das wars! Das muß doch wieder nachgemacht werden. Aber es ist wieder nur gedankenlose Nachäfferei, denn diese beiden wollten doch den Schein erwecken, daß sie nur eine Person wären! Dieselbe Dummheit — einen Bindestrich statt und zu schreiben — ist aber auch sonst noch verbreitet, namentlich in den beliebten Verbindungen: kritisch-historisch, $Seite 262$ historisch-kritisch, religiös-sittlich, religiös-sozial, sozial-wirtschaftlich, sozial-ethisch, technisch-konstruktiv, hygienisch-therapeutisch usw. Welche Unklarheit und Verwirrung haben diese törichten Koppelwörter schon in den Köpfen angerichtet! Kann es einen größern Unsinn geben als religiös-sittlich? Religion und Sittlichkeit sind doch zwei ganz verschiedne Gebiete. Kann es einen größern Unsinn geben als historisch-kritische Anmerkungen? Eine historische Anmerkung ist doch keine kritische, und eine kritische keine historische. Sehr beliebt ist auch die Abgeschmacktheit — sie stammt aus Österreich —, statt und zwar so zu schreiben: so zwar, z. B.: entscheidend sind die Leistungen im Deutschen, so zwar, daß ein Schüler, der im Deutschen nicht genügt, für nicht bestanden (!) erklärt wird. Wer logisch denkt, wird hinter so zwar stets noch ein zweites Glied erwarten, das anfängt: aber doch auch so, daß usw. Eine ganz neue Dummheit ist es, auf Quittungen, Wechseln u. dgl. in der Angabe der Geldsumme statt und zu schreiben auch: 75 Mark auch 20 Pfennige. Das ist schwedisch, aber nicht deutsch: utan svafvel och fosfor. Falsch ist es, einen Satz mit denn an einen untergeordneten Nebensatz anzuknüpfen, z. B.: leider ist der Brief nicht so bekannt geworden, wie er es verdiente, denn er ist für den Entwicklungsgang des Künstlers von großer Wichtigkeit. Man erwartet: denn er ist an einer sehr versteckten Stelle abgedruckt. An einen untergeordneten Nebensatz kann sich immer nur wieder ein untergeordneter Nebensatz anschließen; ein Satz, der mit denn anfängt, ist aber bei- oder nebengeordnet. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Schriftsprache |
Bewertung |
nicht frei von Fehlern, nicht frei von Geschmacklosigkeit, geschmacklos, natürlich falsch, feiner, besondrer Beliebtheit, wissen manche nicht recht umzugehen |
Intertextueller Bezug |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Schriftsprache |
Bewertung |
die Logik verlangt es hier unbedingt, grober Fehler, spielt da der Aberglaube mit rein |
Intertextueller Bezug |
Zweifelsfall | |
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Beispiel |
nicht nur - sondern auch, sowohl - als auch, entweder - oder, weder - noch, nicht sowohl - als vielmehr, und, so zwar |
Bezugsinstanz | Sprache des Buchhandels, Frankreich, Sprache der Kunst, Österreich, Geschäftssprache, Schweden |
Bewertung |
die Abgeschmacktheit, dieselbe Dummheit, Eine ganz neue Dummheit, eine rechte Dummheit, Falsch ist es, gewöhnliche Fehler, größeren Unsinn, ist doch ganz sinnwidrig, muss doch wieder nachgeäfft werden, nur gedankenlose Nachäfferei, solches Telegrammgestammel, törichten Koppelwörter schon in den Köpfen angerichtet, Unklarheit und Verwirrung, werden Fehler gemacht |
Intertextueller Bezug |