Kaiser Wilhelms
Buch | Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen |
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Seitenzahlen | 13 - 14 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | 18. Jahrhundert, Sprache des Buchhandels, Theatersprache, Lessing - Gotthold Ephraim, Gesprochene Sprache, Schriftsprache, Kirchensprache |
Text |
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Tritt vollends der Herrschertitel dazu, so pflegt alle Weisheit zu Ende zu sein. Wie dekliniert man: Herzog Ernst der Fromme, Kaiser Friedrich der Dritte? Bei einer vorangestellten Apposition wie Kaiser, König, Herzog, Prinz, Graf, Papst, Bischof, Bürgermeister, Stadtrat, Major, Professor, Doktor, Direktor usw. kommt es darauf an, ob die Apposition als bloßer Titel, oder ob sie wirklich als Amt, Beruf, Tätigkeit der Person aufgefaßt werden soll oder aufgefaßt wird. Im ersten Fall ist es das üblichste, nur den Eigennamen zu deklinieren, den Titel aber ohne Artikel und undekliniert zu lassen, also Kaiser Wilhelms, Papst Urbans, Doktor Fausts Höllenfahrt, Bürgermeister Müllers Haus. Der Titel verwächst für das Sprachgefühl so mit dem Namen, daß beide wie eins erscheinen.//** Daher schreibt man auch auf Büchertiteln: Von Pfarrer Hansjakob, von Prof. A. Schneider (statt von dem Professor), wo bloß der Titel gemeint ist.// Im achtzehnten Jahrhundert sagte man sogar: Herr Müllers, Herr Müllern, nicht: Herrn Müller (Lessing: Mache er Herr Justen den Kopf nicht warm!). Im zweiten Falle wird der Artikel zur Apposition gesetzt und die Apposition dekliniert, dagegen bleibt der Name undekliniert: des Kaisers Wilhelm, des Herzogs Albrecht, ein Bild des Ritters Georg. $Seite 14$ Freilich geht die Neigung vielfach dahin, auch hier die Apposition undekliniert zu lassen, z. B. des Doktor Müller, des Professor Albrecht. Treten zwei Appositionen zu dem Namen, eine davor, die andre dahinter, so ist für die voranstehende nur die erste der eben besprochnen beiden Arten möglich, also: die Truppen Kaiser Heinrichs des Vierten, das Denkmal König Friedrichs des Ersten, eine Urkunde Markgraf Ottos des Reichen, die Bulle Papst Leos des Zehnten. Beide Appositionen zu deklinieren und den Namen undekliniert zu lassen, z. B. Königs Christian des Ersten, des Kaisers Wilhelm des Siegreichen, wirkt unangenehm wegen des Zickzackganges der beiden Kasus (Genitiv, Nominativ, Genitiv).//* Eine Geschmacklosigkeit ist es, vor derartige Appositionen, wo sie wirklich den Beruf, das Amt, die Tätigkeit bedeuten, noch das Wort Herr zu setzen: der Herr Reichskanzler, der Herr Erste (!) Staatsanwalt, der Herr Bürgermeister, der Herr Stadtverordnete, der Herr Vorsitzende, der Herr Direktor, der Herr Lehrer (die Herren Lehrer sind während der Unterrichtsstunden nicht zu Sprechen), der Herr Königliche Oberförster, der Herr Organist, der Herr Hilfsgeistliche, sogar der Herr Aufseher, der Herr Expedient, die Herren Beamten usw. Wenn das Herr durchaus zur Erhöhung der Würde dabeistehen soll, so gehört es unmittelbar vor den Namen: der Abgeordnete Herr Götz, der Organist Herr Schneider, der Hilfsgeistliche Herr Richter usw. Fühlt man denn aber gar nicht, daß der Reichskanzler, der Bürgermeister und der Direktor viel vornehmere Leute sind als der Herr Reichskanzler, der Herr Bürgermeister und der Herr Direktor? Wie vornehm klangen die Theaterzettel der Meininger, wie lächerlich klingt eine Liste der Prediger des nächsten Sonntags, wenn sie alle vom Superintendenten bis herab zum letzten Kandidaten als Herren aufgeführt sind! Das allerlächerlichste sind wohl die Herren Mitglieder. Wie heißt denn davon die Einzahl? der Herr Mitglied? oder das Herr Mitglied?// |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | 18. Jahrhundert, Gesprochene Sprache, Sprache des Buchhandels, Schriftsprache, Lessing - Gotthold Ephraim, Kirchensprache, Theatersprache |
Bewertung |
unangenehm, Geschmacklosigkeit, das allerlächerlichste |
Intertextueller Bezug |