Engel(1922) Das Bindewort: Unterschied zwischen den Versionen

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|KapitelText=Das Bindewort
|KapitelText=Mehr eine Stilfrage als eine der engern Sprachlehre ist    die allgemeine Regel, die hier als Einleitung stehe: Bindewörter sollen Verbindbares gesellen, sei's durch Neben-oder Entgegenstellung; nicht aber äußerlich aneinander fügen, was innerlich nicht irgendwie, bejahend oder verneinend, zu-sammenhängt. Lächerlichkeiten wie: ,Der Tiger ist so stark wie der Löwe, hat aber ein geflecktes Fell, oder: ,Der Löwe' ist gelb und großmütig', oder: ,Der Dachdecker fiel aus der höchsten Turmluke. Er war ein geborener Hamburger und auf der Stelle tot' durchschaut jeder. Es gibt aber manche bindewörtliche Satzfügung, selbst in der Wissenschaft, die ebensowenig innerlich begründet ist; namentlich wird mit einem allzu willfährigen Und oder Und so von gewissen Schaum-schlägern gar oft der Schein einer schlüssigen Beweisführung erzeugt, obwohl nichts bewiesen, alles vorgetäuscht worden.
Mehr eine Stilfrage als eine der engern Sprachlehre ist    die allgemeine Regel, die hier als Einleitung stehe: Bindewörter sollen Verbindbares gesellen, sei's durch Neben-oder Entgegenstellung; nicht aber äußerlich aneinander fügen, was innerlich nicht irgendwie, bejahend oder verneinend, zu-sammenhängt. Lächerlichkeiten wie: ,Der Tiger ist so stark wie der Löwe, hat aber ein geflecktes Fell, oder: ,Der Löwe' ist gelb und großmütig', oder: ,Der Dachdecker fiel aus der höchsten Turmluke. Er war ein geborener Hamburger und auf der Stelle tot' durchschaut jeder. Es gibt aber manche bindewörtliche Satzfügung, selbst in der Wissenschaft, die ebensowenig innerlich begründet ist; namentlich wird mit einem allzu willfährigen Und oder Und so von gewissen Schaum-schlägern gar oft der Schein einer schlüssigen Beweisführung erzeugt, obwohl nichts bewiesen, alles vorgetäuscht worden.
Über Als und Wie sind nach mehr als einem Menschen-alter des Streites und der vernünftigen Belehrung die An-sichten so geklärt und so einig geworden, daß heute die durch-greifende Regel aufgestellt werden darf: Als steht für das Vergleichen ungleicher, Wie für das Vergleichen gleicher Be-griffe. Dies sollte fortan unverbrüchlich für jeden Schreiber gelten, der sicher sein will, keine Möglichkeit eines Mißver-ständnisses zu erzeugen. Die Regel ist keineswegs ein Aus-fluß der Schulmeisterei, sondern alle Gründe sprachlicher und gedanklicher Zweckmäßigkeit sprechen dafür: es gibt kein andres Mittel, um jede Zweideutigkeit auszuschließen. Die unter-schiedlose Anwendung von Als oder Wie muß nicht immer, ja nicht oft zu Mißverständnissen führen; aber schon einmal unter zehn Richtigkeiten ist zuviel.
Über Als und Wie sind nach mehr als einem Menschen-alter des Streites und der vernünftigen Belehrung die An-sichten so geklärt und so einig geworden, daß heute die durch-greifende Regel aufgestellt werden darf: Als steht für das Vergleichen ungleicher, Wie für das Vergleichen gleicher Be-griffe. Dies sollte fortan unverbrüchlich für jeden Schreiber gelten, der sicher sein will, keine Möglichkeit eines Mißver-ständnisses zu erzeugen. Die Regel ist keineswegs ein Aus-fluß der Schulmeisterei, sondern alle Gründe sprachlicher und gedanklicher Zweckmäßigkeit sprechen dafür: es gibt kein andres Mittel, um jede Zweideutigkeit auszuschließen. Die unter-schiedlose Anwendung von Als oder Wie muß nicht immer, ja nicht oft zu Mißverständnissen führen; aber schon einmal unter zehn Richtigkeiten ist zuviel.
Dazu kommt, wie schon mehrfach hervorgehoben werden mußte (vgl. S. 162), die Erwägung, daß durch die Sprachbe-lehrung des letzten Menschenalters Zehntausende von Lesern jedes der Regel zuwiderlaufende Wie statt Als sogleich als $Seite 186$ einen Verstoß empfinden und sich innerlich gegen den Schreiber auflehnen, der ja nicht zur Stelle ist, um die altbekannten Ver-teidigungsgründe vorzubringen, über welche die neuere Sprach-lehre mit Recht hinweggeschritten ist. Der scheinbar gewich-tigste, daß sich bei fast allen großen deutschen Schriftstellern zuweilen Wie findet, wo nach der Regel Als; stehen sollte, hält nicht Stich: die deutsche Sprache namentlich des 18. Jahr-hunderts hatte sich ohne strenge Schulzucht und Sprachlehre entwickelt und darf uns in solchen verhältnismäßigen Kleinig-keiten, worauf die Klassiker weniger Wert legten, nicht als Muster, ja nicht einmal als Entschuldigung dienen, denn wir werden sprachlich besser erzogen als sie und — wir sind keine Klassiker wie sie.
Dazu kommt, wie schon mehrfach hervorgehoben werden mußte (vgl. S. 162), die Erwägung, daß durch die Sprachbe-lehrung des letzten Menschenalters Zehntausende von Lesern jedes der Regel zuwiderlaufende Wie statt Als sogleich als $Seite 186$ einen Verstoß empfinden und sich innerlich gegen den Schreiber auflehnen, der ja nicht zur Stelle ist, um die altbekannten Ver-teidigungsgründe vorzubringen, über welche die neuere Sprach-lehre mit Recht hinweggeschritten ist. Der scheinbar gewich-tigste, daß sich bei fast allen großen deutschen Schriftstellern zuweilen Wie findet, wo nach der Regel Als; stehen sollte, hält nicht Stich: die deutsche Sprache namentlich des 18. Jahr-hunderts hatte sich ohne strenge Schulzucht und Sprachlehre entwickelt und darf uns in solchen verhältnismäßigen Kleinig-keiten, worauf die Klassiker weniger Wert legten, nicht als Muster, ja nicht einmal als Entschuldigung dienen, denn wir werden sprachlich besser erzogen als sie und — wir sind keine Klassiker wie sie.

Version vom 31. August 2016, 11:55 Uhr

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 185 - 187

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Mehr eine Stilfrage als eine der engern Sprachlehre ist die allgemeine Regel, die hier als Einleitung stehe: Bindewörter sollen Verbindbares gesellen, sei's durch Neben-oder Entgegenstellung; nicht aber äußerlich aneinander fügen, was innerlich nicht irgendwie, bejahend oder verneinend, zu-sammenhängt. Lächerlichkeiten wie: ,Der Tiger ist so stark wie der Löwe, hat aber ein geflecktes Fell, oder: ,Der Löwe' ist gelb und großmütig', oder: ,Der Dachdecker fiel aus der höchsten Turmluke. Er war ein geborener Hamburger und auf der Stelle tot' durchschaut jeder. Es gibt aber manche bindewörtliche Satzfügung, selbst in der Wissenschaft, die ebensowenig innerlich begründet ist; namentlich wird mit einem allzu willfährigen Und oder Und so von gewissen Schaum-schlägern gar oft der Schein einer schlüssigen Beweisführung erzeugt, obwohl nichts bewiesen, alles vorgetäuscht worden. Über Als und Wie sind nach mehr als einem Menschen-alter des Streites und der vernünftigen Belehrung die An-sichten so geklärt und so einig geworden, daß heute die durch-greifende Regel aufgestellt werden darf: Als steht für das Vergleichen ungleicher, Wie für das Vergleichen gleicher Be-griffe. Dies sollte fortan unverbrüchlich für jeden Schreiber gelten, der sicher sein will, keine Möglichkeit eines Mißver-ständnisses zu erzeugen. Die Regel ist keineswegs ein Aus-fluß der Schulmeisterei, sondern alle Gründe sprachlicher und gedanklicher Zweckmäßigkeit sprechen dafür: es gibt kein andres Mittel, um jede Zweideutigkeit auszuschließen. Die unter-schiedlose Anwendung von Als oder Wie muß nicht immer, ja nicht oft zu Mißverständnissen führen; aber schon einmal unter zehn Richtigkeiten ist zuviel. Dazu kommt, wie schon mehrfach hervorgehoben werden mußte (vgl. S. 162), die Erwägung, daß durch die Sprachbe-lehrung des letzten Menschenalters Zehntausende von Lesern jedes der Regel zuwiderlaufende Wie statt Als sogleich als $Seite 186$ einen Verstoß empfinden und sich innerlich gegen den Schreiber auflehnen, der ja nicht zur Stelle ist, um die altbekannten Ver-teidigungsgründe vorzubringen, über welche die neuere Sprach-lehre mit Recht hinweggeschritten ist. Der scheinbar gewich-tigste, daß sich bei fast allen großen deutschen Schriftstellern zuweilen Wie findet, wo nach der Regel Als; stehen sollte, hält nicht Stich: die deutsche Sprache namentlich des 18. Jahr-hunderts hatte sich ohne strenge Schulzucht und Sprachlehre entwickelt und darf uns in solchen verhältnismäßigen Kleinig-keiten, worauf die Klassiker weniger Wert legten, nicht als Muster, ja nicht einmal als Entschuldigung dienen, denn wir werden sprachlich besser erzogen als sie und — wir sind keine Klassiker wie sie. Daß Mißverständnisse die unausbleibliche Folge der Ver-wechslung von Als und Wie sind, ist oft durch Beispiele bewiesen worden. Der Satz ,Wir müssen den Alkohol höher besteuern wie die Schweiz' ist ohne die späteren Ausein-andersetzungen unverständlich. Er kann bedeuten: . . noch höher besteuern, als es zurzeit in der Schweiz geschieht; aber auch: .. höher besteuern (als jetzt bei uns der Fall), wie das ja schon in der Schweiz geschieht. Alle Bildungsprachen ohne Ausnahme, darunter alle andern germanischen, unterscheiden aufs bestimmteste zwischen Gleichheit und Verschiedenheit bei Vergleichen; auch das ältere Deutsch hatte völlig sicher ge-schieden; einzig im Neuhochdeutschen herrscht Unordnung, die nicht im Wesen der Sprache, sondern nur in der Nachlässig-keit der Schreiber — wir dürfen heute sagen: der früheren Schreiber — begründet ist. Übrigens beweist die Prüfung aller unsrer besten Schriftsteller, auch der des 18. Jahrhun-derts, daß sie jene Unterscheidungsregel in den allermeisten Fällen unbewußt befolgt haben; die Ausnahmen sind ver-gleichsweis so selten, daß sie für uns nicht in Betracht kommen. Also der Schreiber von heute, der die Gefahr ver-meiden will, seinen Lesern von heute als sprachlich unerzogen zu gelten, tut wohl, streng zu unterscheiden: nach Steigerungs-wörtern und Ausdrücken der Ungleichheit oder der Aus-schließung steht Als, bei Vergleichungen von Gleichem steht Wie. ,Ich bin größer als du. — Er ist ganz anders als sie. — Er ist so groß wie sie. — Das weiß niemand (kein Andrer) als Gott. — Das weiß niemand (so gut) wie Gott. Er besitzt nichts (andres), als was er am Leibe trägt.' Wie $Seite 187$ statt Als wirkt fehlerhafter als gelegentliches Als statt wie. Die Regel schließt nicht aus, daß Als statt Wie in fest-geprägten Ausdrücken unantastbar ist: soweit als möglich, so-wohl als auch. Man bemerke: der festen Ausdrücke mit nichtmißverständ-lichem Als statt Wie gibt es ziemlich viele; derer mit gutem Wie statt Als so gut wie keine. Dies kommt daher, daß das älteste Bindewort für die Vergleichung von Gleichem Als war; das Bindewort der Vergleichung von Ungleichem war Dan (heutiges Denn). Dieses Denn hat sich in biblischen und ihnen nachgebildeten erhabenen Gelegenheitswendungen erhalten und dient in nichterhabener Rede noch heute sehr gut zur Vermeidung von als als: ,Er war größer als Fürst denn als Mensch; Mehr als Abenteurer denn als Gesandter' (Goethe). Einer der Sprachmeisterer verwirft denn als und findet als als schöner! Als wie ist gute Dichtersprache, aber nachlässige Um-gangs- und Schriftsprache. Goethes Professor Faust durfte sagen: ,Und bin so klug als wie zuvor'; ein Professor des 20. Jahrhundert wird nicht so sagen, darf jedenfalls nicht so schreiben. Aber selbstverständlich ist ganz richtig: ,Er war so groß als Mensch wie als Staatsmann'. Ferner ist es nicht falsch, in gewissen Fällen statt des erzählenden A1s zu schreiben Wie: ,Wie ich den Schaden besah.. — Grade, wie ich in den Saal trat, entfernte er sich.' Über Als in Beisatzfügungen muß in anderm Zusammen-hange gesprochen werden (S. 259).

Scan
Engel(1922) 185-187.pdf


Zweifelsfall

Zweifelsfall Importplatzhalter

Beispiel

Der Tiger ist so stark wie der Löwe, hat aber ein geflecktes Fell., Der Löwe ist gelb und großmütig., Er war ein geborener Hamburger und auf der Stelle tot., Wir müssen den Alkohol höher besteuern wie die Schweiz., Er ist ganz anders als sie., Er ist so groß wie sie., Das weiß niemand (kein Andrer) als Gott., Das weiß niemand (so gut) wie Gott., Er besitzt nichts (andres), als was er am Leibe trägt., soweit als möglich, sowohl als auch, Er war größer als Fürst denn als Gesandter, Und bin so klug als wie zuvor, [Er war größer als Fürst] als als [Gesandter], Er war so groß als Mensch wie als Staatsmann., Wie ich den Schaden besah, Grade, wie ich in den Saal trat, entfernte er sich.

Bezugsinstanz 18. Jahrhundert, 20. Jahrhundert, alt, alt, Kirchensprache, Literatursprache, alt, Schreiber schlechten Stils, Goethe - Johann Wolfgang, gegenwärtig, gegenwärtig, gegenwärtig, Literatursprache, neuhochdeutsch, Umgangssprache, gegenwärtig, Wissenschaftssprache, gesprochene Sprache, Schriftsprache, Schriftsprache, Literatursprache, Umgangssprache, Schreiber guten Stils, Wissenschaftssprache
Bewertung

darf jedenfalls nicht so, der Regel zuwiderlaufend, durfte sagen, ebensowenig innerlich begründet, Frequenz/selten (beste Schriftsteller des 18. Jahrhunderts), ganz richtig, gut, in der Nachlässigkeit begründet, Lächerlichkeit, nachlässig, nicht falsch, nichtmißverständlich, schöner (einer der Sprachmeisterer), sprachlich unerzogen, unantastbar, unverständlich, Verstoß (Zehntausende Leser), wirkt fehlerhafter, zu verwerfen (einer der Sprachmeisterer)

Intertextueller Bezug Sprachbelehrung des letzten Menschenalters, einer der Sprachmeisterer