Wustmann(1903) Das Können und das Fühlen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche
(Die Seite wurde neu angelegt: „{{Kapitel |Überschrift=Das Können und das Fühlen |ErsteSeite=378 |LetzteSeite=379 |KapitelNummer=1620 |WorkflowStatus=nur Text |KapitelText=Eine richtige Mo…“)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
{{Kapitel
{{Kapitel
|Überschrift=Das Können und das Fühlen
|Überschrift=''Das Können'' und ''das Fühlen''
|ErsteSeite=378
|ErsteSeite=378
|LetzteSeite=379
|LetzteSeite=379

Version vom 15. September 2016, 20:06 Uhr

Hinweis: Dieses Kapitel ist derzeit noch in Bearbeitung. Die angezeigten Informationen könnten daher fehlerhaft oder unvollständig sein.

Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 378 - 379

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Wortbildung: Substantivierungen

Genannte Bezugsinstanzen: Neu, Schriftsprache
Text

Eine richtige Modenarrheit ist es, gewisse Haupt- wörter immer durch einen substantivierten Infinitiv zu umschreiben — wenns nicht manchmal bloßes Ungeschick ist! Und bloßes Ungeschick ist wohl anzunehmen, wenn jemand statt Ende schreibt: das Aufhören, oder statt Mangel: das Fehlen. Eine Modenarrheit aber liegt ohne Zweifel in der Art, wie jetzt das Wissen, das Können, das Wollen, das Fühlen und das $Seite 379$ Empfinden gebraucht wird — Wörter wie Kenntnis, Fähigkeit, Fertigkeit, Geschick, Absicht, Gefühl, Empfindung scheinen ganz vergessen zu sein. Den Anfang hatte wohl das Streben gemacht,//*) Abgesehen natürlich von Infinitiven, die ganz zu Substantiven geworden sind, wie Leben, Essen, Vergnügen, Vermögen, Wohlwollen u. a.// dann kam das Wissen: er hat ein ganz hervorragendes Wissen. Jetzt spricht man aber auch von dichterischem Wollen: anfangs ein Dorfgeschichtenerzähler, wurde Rosegger allmählich ein Poet von großem Wollen — auch diese Kompositionen zeigen die künstlerische Ziel- bewußtheit (!) seines Wollens. In höchster Blüte aber steht das Können und das Fühlen: folgendes Ge- dicht mag das Können des Dichters veranschaulichen — das Konzert lieferte einen glänzenden Beweis für das künstlerische (!) Können des Vereins — Beethoven widmete ihr die Cis-moll-Sonate, kein geringes Zeugnis für das musikalische Können der Angebeteten — die Dame hat sich unter dieser vortrefflichen Leitung bereits ein achtunggebietendes Können angeeignet — die Künstlerin stellte ihr graziöses Können auch noch als Gräfin in den Dienst Thaliens — Herr W. hat damit eine neue Probe feines bedeutenden gärtnerischen (!) Könnens gegeben (es handelt sich um ein Teppichbeet) — die Gedichte zeigen ein gesundes, ursprüngliches Fühlen — in allen Briefen gibt er nur dem einen Fühlen Ausdruck — Tilgner hat den Geist (!) des öster- reichischen Empfindens am besten zum Ausdruck gebracht — zu der Verehrung für das große Wollen und Können des Meisters gesellt sich das Mitleid mit dem leidenden Menschen — die Pyramiden der Ägypter erzählen uns von dem Fühlen und Wollen ihrer Erbauer und deren Zeitepoche (!). Das Neueste ist das Erleben und das Verstehen: für uns moderne Menschen pflegt Italien das größte Erleben unsers Daseins zu sein — nimm dieses Buch in dein treues und zartes Verstehen auf! Es kann einem ganz schlimm und übel dabei werden.

Scan
Wustmann(1903) 378-379.pdf