Engel(1922) Das Zeitwort 2 Die Zeiten 1: Unterschied zwischen den Versionen
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|KapitelText=Anders als mit der Vertauschung der 1. und 2. Ver-gangenheit steht es mit der häufigen Verwechslung der Gegen-wart und der 2. Vergangenheit der Leideform in Fällen wie: ,Die Kirche ist gebaut', und ,.. ist gebaut worden' (vergleiche S. 237). Man scheut sich vor der Weitschweifigkeit ist wor-den, glaubt, man dürfe worden beliebig auslassen, und be-geht einen Fehler, den jedes mittlere Sprachgefühl sogleich empfindet. ,Die Kirche ist gebaut' ist Gegenwart und heißt: der Bau ist jetzt fertig; ,Die Kirche ist erbaut worden' ist$Seite 285$2. Vergangenheit und gibt einen Rückblick auf Bautätigkeit und Bauzeit. ,Die Pferde sind gesattelt' meldet der Reit-knecht, um zu sagen: sie stehen jetzt gesattelt da; ,Die Pferde sind heute schlecht gesattelt worden' müßte es richtig heißen, wenn ein Urteil über die Tätigkeit des Sattelns abgegeben wird; mit ,Die Pferde sind heute schlecht gesattelt' wird nur über ihren jetzigen Zustand geurteilt. Wer sich vor dem nach-schleppenden worben scheut, der schrebe statt seiner lieber die 1. Vergangenheit: ,.. wurden heute schlecht gesattelt.' In den meisten, nicht in allen Fällen, wird man in der Um-gangsprache zur Not auch mit einfachem ist und sind be-stehen. | |||
Das 2. Mittelwort und die Nennform (Infinitiv) lauten in nicht wenigen Zeitwörtern gleich und verführen dadurch zur unachtsamen Verwechslung: ,Man hat oder wird mich verraten' — dies mag beim schnellen Sprechen unbemerkt durchschlüpfen, beim Lesen wird die Unzulässigkeit wohl als-bald entdeckt und übel vermerkt werden. Es bleibt nichts übrig, als zu wiederholen: ,.. und wird mich verraten', oder eine Wendung wie: ..,und wird es wieder tun'. | |||
Unbegründeter Wechsel der Zeitform, besonders der Übergang aus der lebhaft erzählenden Gegenwart in die 1. Vergangenheit oder umgekehrt, wirkt als Stümperei: ,Um 1 Uhr kommt der Kaiser im Schlosse an, empfängt die Ge-neräle und begab sich dann ..' | |||
Die dritte Vergangenheitsform, die Vorvergangenheit (Plusquamperfectum), wird von einigen Sprachlehrern für gradezu undeutsch erklärt. Das ist eine Übertreibung und widerspricht der Wirklichkeit. Die Form ist allerdings in der Redesprache nicht sehr beliebt, weil ihre strenge Beachtung für geziert gilt; sie kommt aber selbst in der belebtesten Rede vor und ist in der gepflegteren Schriftsprache unentbehrlich. Nur braucht sie nicht überall da zu stehen, wo das Latei-nische sie fordert; in sehr vielen Fällen kann die 2. Ver-gangenheit die 3. vertreten: ,Als er das sah, wurde er zornig' wäre im Lateinischen falsch, es müßte heißen: .. ge-sehen hatte; im Deutschen läßt die lebendigere Vergegen-wärtigung des Vorgangs durch die Sprache die 2. Vergangen-heit zu: der Zorn wird schon während des Sehens als auf-steigend gedacht. Eine scharfe Untersuchung des Zeitverhält-nisses der beiden Vorgänge, des Sehens und des Zürnens,$Seite 286$muß der deutschen Fügung den Vorrang der Genauigkeit vor der gerühmten lateinischen geben. | |||
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Version vom 4. Januar 2017, 21:28 Uhr
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Buch | Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig. |
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Seitenzahlen | 284 - 286 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Gesprochene Sprache, Schriftsprache, Umgangssprache |
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Gesprochene Sprache, Schriftsprache, Gehobene Sprache, Latein, Umgangssprache |
Text |
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Anders als mit der Vertauschung der 1. und 2. Ver-gangenheit steht es mit der häufigen Verwechslung der Gegen-wart und der 2. Vergangenheit der Leideform in Fällen wie: ,Die Kirche ist gebaut', und ,.. ist gebaut worden' (vergleiche S. 237). Man scheut sich vor der Weitschweifigkeit ist wor-den, glaubt, man dürfe worden beliebig auslassen, und be-geht einen Fehler, den jedes mittlere Sprachgefühl sogleich empfindet. ,Die Kirche ist gebaut' ist Gegenwart und heißt: der Bau ist jetzt fertig; ,Die Kirche ist erbaut worden' ist$Seite 285$2. Vergangenheit und gibt einen Rückblick auf Bautätigkeit und Bauzeit. ,Die Pferde sind gesattelt' meldet der Reit-knecht, um zu sagen: sie stehen jetzt gesattelt da; ,Die Pferde sind heute schlecht gesattelt worden' müßte es richtig heißen, wenn ein Urteil über die Tätigkeit des Sattelns abgegeben wird; mit ,Die Pferde sind heute schlecht gesattelt' wird nur über ihren jetzigen Zustand geurteilt. Wer sich vor dem nach-schleppenden worben scheut, der schrebe statt seiner lieber die 1. Vergangenheit: ,.. wurden heute schlecht gesattelt.' In den meisten, nicht in allen Fällen, wird man in der Um-gangsprache zur Not auch mit einfachem ist und sind be-stehen. Das 2. Mittelwort und die Nennform (Infinitiv) lauten in nicht wenigen Zeitwörtern gleich und verführen dadurch zur unachtsamen Verwechslung: ,Man hat oder wird mich verraten' — dies mag beim schnellen Sprechen unbemerkt durchschlüpfen, beim Lesen wird die Unzulässigkeit wohl als-bald entdeckt und übel vermerkt werden. Es bleibt nichts übrig, als zu wiederholen: ,.. und wird mich verraten', oder eine Wendung wie: ..,und wird es wieder tun'. Unbegründeter Wechsel der Zeitform, besonders der Übergang aus der lebhaft erzählenden Gegenwart in die 1. Vergangenheit oder umgekehrt, wirkt als Stümperei: ,Um 1 Uhr kommt der Kaiser im Schlosse an, empfängt die Ge-neräle und begab sich dann ..' Die dritte Vergangenheitsform, die Vorvergangenheit (Plusquamperfectum), wird von einigen Sprachlehrern für gradezu undeutsch erklärt. Das ist eine Übertreibung und widerspricht der Wirklichkeit. Die Form ist allerdings in der Redesprache nicht sehr beliebt, weil ihre strenge Beachtung für geziert gilt; sie kommt aber selbst in der belebtesten Rede vor und ist in der gepflegteren Schriftsprache unentbehrlich. Nur braucht sie nicht überall da zu stehen, wo das Latei-nische sie fordert; in sehr vielen Fällen kann die 2. Ver-gangenheit die 3. vertreten: ,Als er das sah, wurde er zornig' wäre im Lateinischen falsch, es müßte heißen: .. ge-sehen hatte; im Deutschen läßt die lebendigere Vergegen-wärtigung des Vorgangs durch die Sprache die 2. Vergangen-heit zu: der Zorn wird schon während des Sehens als auf-steigend gedacht. Eine scharfe Untersuchung des Zeitverhält-nisses der beiden Vorgänge, des Sehens und des Zürnens,$Seite 286$muß der deutschen Fügung den Vorrang der Genauigkeit vor der gerühmten lateinischen geben. |