Anderes auslautendes e
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 60 - 61 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Meyer - Conrad Ferdinand, Heigel - Karl August von, Oberdeutsch, Mitteldeutsch, Mundart, Schriftsprache, Volk |
Text |
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Neben allen diesen berechtigten Gesichtspunkten muß noch ein unberechtigter erwähnt werden, dieser zugleich für Adjektive, Adverbien und Substantive mit dem Ausgange e. Es herrscht nämlich die Einbildung, als seien die oberdeutschen Formen ohne e feiner als die mit e, während sie doch im Grunde lediglich mundartlich sind. Man wird daher allein Formen wie Stirn, Gedräng, Getös, bang, behend, blöd, bös, irr, nah, beinah, eng, trüb u. ä. im Munde feiner reden wollender Leute vernehmen, dieselben Wörter aber mit e im Volke wie überhaupt im ungezwungenen Stile besonders Mitteldeutschlands. Dabei ist freilich nicht zu leugnen, daß das weitergehende Schwinden des e im Munde der Feineren nur ein weiterer Fortschritt auf dem Wege ist, $Seite61$ den wir für zahllose andere Wörter schon lange wandeln. Schließlich muß gerade für dieses Ausgangs-e bemerkt werden, daß es für seine Bewahrung oder Abwerfung belanglos ist, ob es ein organisch entwickelter Vertreter früherer vollerer Vokale oder ein jüngerer unorganischer Ansatz ist. So ist z. B. die Endung in Beere, Mühle, Kehle, Weise ebenso neu wie in Türe, und doch wird sie in jenen vier Wörtern stets beibehalten; umgekehrt kann sie selbst dann wegfallen, wenn sie mehr als einen alten Vokal vertritt, wie in heut(e), das für hiutagu = an diesem Tage steht. So immer heutzutage, und bei K. v. Heigel z. B. heut nicht, heut nicht, aber morgen. Dagegen ist es wünschenswert, das e des Zeitadverbs lange zu bewahren, das in ungezierter Prosa außer in fast präpositionaler Verwendung nach Zeitbestimmungen (4 Jahre, Stunden lang) immer zweisilbig erscheint; denn die Sprache hat sich dadurch eine Unterscheidung von dem adjektivischen und hauptsächlich zu Raumangaben dienenden lang ermöglicht, und gegen die seit langem übliche Gestaltung des prädikativen Adjektivs steht in C. F. Meyers Versuchung des Pescara: Laßt Euch die Zeit nicht lange werden. |
Zweifelsfall |
Grundform mit oder ohne -eZweifelsfalltitel fehlt |
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Beispiel |
Stirn, Gedräng, Getös, bang, blöd, irr, nah, beinahe, eng, trüb, Beere, Mühle, Kehle, Weise, Türe, heute, heutzutage, heut, Jahre, lang, lang, lange, behend, bös, irr, nah, beinah, trübe, Türe, lang |
Bezugsinstanz | Heigel - Karl August von, Meyer - Conrad Ferdinand, mitteldeutsch, Mundart, oberdeutsch, Schriftsprache, Volk |
Bewertung |
belanglos, feiner, ungezwungen, wünschenswert |
Intertextueller Bezug |