Die Apposition
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Buch | Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen |
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Seitenzahlen | 209 - 211 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schriftsprache |
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Neu, Schriftsprache |
Text |
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Eine Regel, die schon der Quintaner lernt, lautet: eine Apposition muß stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie gehört. Das ist so selbstverständlich, daß es ein Kind begreifen kann. Nun sehe man sich aber einmal um, wie geschrieben wird! Da heißt es: das Gastspiel des Herrn R., erster Tenor an der Skala in Mailand — der Verfasser der Sylvia, ein Buch, das wir leider nicht kennen — es gilt das namentlich von dem mitteldeutschen Hofbau, die verbreitetste aller deutschen Bauarten — der First ist mit freistehenden Figuren, Petrus und die vier Evan- $Seite 210$ gelisten geschmückt — offenbar hat Trippel von jener Skulptur, eine dem Apoll von Belvedere nicht allzufernstehende Arbeit, die Anregung erhalten — in Koblenz war ich ein Stündchen bei Bädeker, ein recht liebenswürdiger, verständiger Mann — das Grab war gut unterhalten, mit Reseda und Monatsrosen, die Lieblingsblumen der Verstorbnen. Solche Verbindungen kann man sehr oft lesen; mag der Genitiv, der Dativ, der Akkusativ vorausgehen, ganz gleich: die Apposition wird in den Nominativ gesetzt. Sie wird behandelt wie eine Parenthese, als ob sie gar nicht zum Satzgefüge gehörte, als ob sie der Schreibende „beiseite" spräche oder in den Bart murmelte. Auch dieser Fehler ist, wie so manches in unsrer Sprache, durch Nachäfferei des Französischen entstanden. Nicht daß das Französische bei seiner strengen Logik eines solchen Unsinns fähig wäre, zu einem Hauptwort im Genitiv eine Apposition im Nominativ zu setzen, bewahre! Wenn der Franzose schreibt: le faite est orné de statues, St. Pierre et les quatre évangélistes, so empfindet er natürlich les évangélistes so gut von de abhängig wie das vorhergehende. Der Deutsche aber, der ein bißchen Französisch gelernt hat, sieht nur die unflektierte Form, bildet sich ein, das sei ein Nominativ, und plumpst nun hinter des und dem und den mit seinem der drein. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, ein solcher Nominativ als Genosse und Begleiter eines casus obliquus. Auch wenn die Apposition mit als angeschlossen wird, muß sie unbedingt in demselben Kasus stehen wie das Wort, zu dem sie tritt, z. B.: ein Vortrag über Victor Hugo als politischen Dichter (nicht politischer!) — ein Portal mit zwei gefesselten Türken als Schildhaltern (nicht Schildhalter!) — eine Zusammenfassung Schlesiens als eines Ganzen (nicht ein Ganzes!). Nur wenn sie sich an das besitzanzeigende Adjektiv anschließt, also eigentlich im Genitiv stehen müßte, nimmt man sich allgemein die Freiheit, zu sagen: mein Beruf als Lehrer, seine Bedeutung als Dichter. $Seite 211$ Ja nicht zu verwechseln mit der Apposition hinter als ist das Prädikatsnomen hinter als und dem Partizip eines Zeitworts, wie gesandt, berufen, bekannt, berühmt, gefeiert, bewährt, berüchtigt usw. Manche schreiben hier neuerdings: die Stadt hat ihr als ausgezeichneten Verwaltungsbeamten bekanntes Oberhaupt verloren. Das ist nun wieder des Guten zu viel. Das Prädikatsnomen steht in solchen Fällen stets im Nominativ, mag der Kasus, auf den es sich bezieht, sein, welcher er will, z. B.: auf die Vorstellungen des als Gesandter an ihn geschickten Tilo — an die Stelle des als Professor nach Aachen versetzten Baumeisters — als Nachfolger des als Gehilfe des Finanzministers nach Petersburg berufnen Geheimrats ― dem als vortrefflicher Dirigent bekannten Kapellmeister. Dieser Nominativ erklärt sich daraus, daß er stets hinter dem verbuum finitum steht, sogar oft bei rückbezüglichen Zeitwörtern, wie sich zeigen, sich beweisen, sich verraten, sich entpuppen, sich bewähren, wo doch der Akkusativ am Platze wäre: er hat sich als ausgezeichneter Verwaltungsbeamter bewährt. Hier ist zwar ein Unterschied möglich; er zeigte sich als feinen Kenner - ist etwas andres als: er zeigte sich als feiner Kenner. Der Akkusativ entspricht einem Objektsatz im Konjunktiv (er zeigte, daß er ein feiner Kenner sei), der Nominativ einem Objektsatz im Indikativ (er zeigte, daß er ein feiner Kenner ist). Aber diesen Unterschied werden die wenigsten nachfühlen; die meisten schreiben unwillkürlich überall den Nominativ. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Neu, Schriftsprache |
Bewertung |
Frequenz/die meisten schreiben, des Guten zu viel, Frequenz/oft |
Intertextueller Bezug |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Schriftsprache |
Bewertung |
selbstverständlich, Fehler, plumpst drein, Unsinns, steht stets, Frequenz/oft, Frequenz/kann man sehr oft lesen, wie ein Schlag ins Gesicht |
Intertextueller Bezug |