Das Zeitwort 5. Das Hilfszeitwort *1

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 237 - 239

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Verb: Tempusbildung im Passiv

Genannte Bezugsinstanzen: Sprache des Buchhandels, Behördensprache, Fachsprache (Handwerk), Gesprochene Sprache, Schriftsprache
Behandelter Zweifelfall:

Modalverb: Auswahl

Genannte Bezugsinstanzen: Behördensprache, Gesprochene Sprache, Schriftsprache
Text

Zu warnen ist vor einem häufigen Fehler beim Gebrauch oder vielmehr Nichtgebrauch von worden. ,Der Knabe ist verwöhnt' — was kann das einzig bedeuten? Daß er jetzt als ein früher verwöhnter Knabe erscheint. Ein herrschender Zustand wird durch bloßes ist bezeichnet, nicht die frühere Handlung, woraus der Zustand entstanden ist. Will man die Handlung, das Werden, ausdrücken, so darf dessen richtige Vergangenheitsform nicht fehlen: ,Der Knabe $Seite 238$ ist (seinerzeit) verwöhnt worden, kein Wunder, daß er (jetzt) verwöhnt ist. — Der Dieb ist gestern verhaftet worden' (Handlung); spricht man heute von seinem Verbleib, so muß es heißen: ,Der Dieb ist verhaftet' (er ist ein Verhafteter). — ,Das Haus ist aufgebaut' kann der Baumeister an dem Tage sagen, wo der Bau vollendet worden (!) ist; wer später über die Ausführung des Baues berichtet, muß sagen: ,Der Bau ist im Jahre 1912 vollendet worden (oder wurde vollendet)'. Es darf nicht heißen: ,Die Straße ist 1912 gepflastert' , sondern ,.. wurde gepflastert' oder ,.. ist gepflastert worden' ; aber nicht etwa, wie man zuweilen hört, kaum liest: ,.. ist gepflastert geworden' . — ,Das Buch ist 1917 gedruckt' ist falsch; es muß heißen: ,.. ist gedruckt worden' . ,Das Buch ist gedruckt' schreibt der Verleger an den Verfasser, um ihm zu melden, daß der Druck des Buches fertig (geworden) ist. Dies ist keine Schulmeisterei, sondern eine zum klaren Verständnis des Sinnes dringend nötige Fügung; die Weglassung von worden kann zu groben Mißverständnissen führen: ,Die Zeitung ist in A. verbreitet' bedeutet: sie hat dort viele Abnehmer; dagegen ,.. ist verbreitet worden' besagt, man hat versucht, sie dort zu verbreiten, doch wird über den Erfolg nichts ausgesagt.

Eine französelnde Fügung mit wollen, die den Sinn dieses Wortes völlig verrückt, sollte in guter Schriftsprache, zumal in der Behördensprache, nicht länger geduldet werden. ,Die Bewerber um den Nachtwächterposten wollen sich beim Gemeindevorsteher melden.' Warum in aller Welt nicht mögen, das doch ebenso höflich ist wie wollen? Wohl gar in der vor einem Schlachthause hängenden Aufforderung an die Fleischer: ,Schweine wollen nur Montags und Donnerstags geschlachtet werden.' Will man auf den Gebrauch von wollen zu solchen höflichen Aufforderungen nicht ganz verzichten, dann bediene man sich nur der erkennbaren Sei-Formen, die keinen Zweifel am Sinne lassen: ,Man wolle bedenken, man wolle nicht vergessen.' Nur so bedienen sich die Franzosen vernünftigerweise ihres vouloir.

Verschwinden sollte das feige dürfte in Sätzen wie: ,Das dürfte wahr sein.' Es ist aber schon so tief aus der Kanzleisprache in die allgemeine Sprech- und Schreibweise, freilich zumeist der Papiermenschen, eingedrungen, daß keine Hoffnung bestehen ,dürfte', es loszuwerden. Wer einmal ein Weilchen $Seite 239$ über dürfte als Form für die Vermutung nachgedacht hat, dem wird (,dürfte') wohl der Geschmack an dem Wort vergangen sein.


Zweifelsfall

Verb: Tempusbildung im Passiv

Beispiel

Der Knabe ist verwöhnt., Der Knabe ist verwöhnt worden, kein Wunder, daß er verwöhnt ist., Der Knabe ist seinerzeit verwöhnt worden, kein Wunder, daß er jetzt verwöhnt ist., Der Dieb ist gestern verhaftet worden., Der Dieb ist verhaftet., Er ist ein Verhafteteter., Das Haus ist aufgebaut., Der Bau ist im Jahre 1912 vollendet worden., Der Bau wurde 1912 vollendet., Die Straße ist 1912 gepflastert, Die Straße wurde 1912 gepflastert., Die Straße ist 1912 gepflastert worden., Die Straße ist gepflastert geworden., Die Zeitung ist in A. verbreitet., Die Zeitungist in A. verbreitet worden., Das Buch ist 1917 gedruckt., Das Buch ist 1917 gedruckt worden., Die Bewerber um den Nachtwächterposten wollen sich beim Gemeindevorsteher melden., Schweine wollen nur Montags und Donnerstags geschlachtet werden., Man wolle bedenken, man wolle nicht vergessen., Das dürfte wahr sein.

Bezugsinstanz Fachsprache (Handwerk), Behördensprache, Schriftsprache, gesprochene Sprache, Sprache des Buchhandels
Bewertung

darf nicht fehlen, darf nicht heißen, der Geschmack ist vergangen, dringend nötig, ebenso, falsch, Fehler, feige, französelnd, freilich, Frequenz/Gebrauch, Frequenz/häufig, Frequenz/Nichtgebrauch, Frequenz/zumeist, höflich, kann zu groben Missverständnissen führen, keine Hoffnung es loszuwerden, muß es heißen, muß sagen, nicht, richtig, sollte nicht länger gedultet werden, sondern, völlig verrückt, will man nicht ganz verzichten

Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Modalverb: Auswahl

Beispiel
Bezugsinstanz Behördensprache, Gesprochene Sprache, Schriftsprache
Bewertung
Intertextueller Bezug