Neue Zeitwörter oder eigenartiger Gebrauch solcher, die in anderer Form oder nur in Zusammensetzungen üblich waren
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| Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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| Seitenzahlen | 4 - 5 |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
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| Genannte Bezugsinstanzen: | Alt, Goethe - Johann Wolfgang, Sprachverlauf, Gesprochene Sprache, Schriftsprache, Literatursprache, Bismarck - Otto von, Umgangssprache, Sprache der Politik |
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2) Neue Zeitwörter oder eigenartiger Gebrauch solcher, die in an- derer Form oder nur in Zusammensetzungen üblich waren. Von Bei- wörtern sind z. B. gebildet: der Himmel fahlt, es feuchtet, es finstert, die Pflanze geilt, vergeilt sein; und in Verbindung mit Vorwörtern: der Mond bleichte totkalt ins Zimmer; schwaches Licht blaßte nieder, die Segel schlaff- ten zusammen, die Bergwand steilte (sich) empor. Zahlreicher sind solche Ableitungen von Hauptwörtern: das Gefühl, das golden durch die Seele adert; deichen (mit Deich umziehen, Deicharbeit machen); sie ist die Zugspitze auf- und abgedrahtseilt; der Regen dümpelt (tümpelt: bildet T.); banken (faul, fest auf der B. sitzen); ein Steilweg brückt zur Tiefe; die gebeulte Brust; Durch diese Kreise falterte die Gestalt wie ein Sonnenstrahl; eine gefelderte Decke; Schätze felsen seine Enge enger; festen (ein F. feiern); gespenstern; generalstreiken; Kalt höhte der Norden sich; es—, mich fro- stet; der schnee flockt; es—, die Sonne glutet; der Wein goldete im Glase; er klotzt nur so (ist klotzig reich); Meine Freude kümmert nur im Dunkel; dort kuppte das Heidegebirge; der Dom kuppelt in den Himmel; Er kurvte (fuhr in K.) zu Tal; leinen (an die L. nehmen); es mondet (der M. scheint, es wird bald einen Monat); Ein Buchental muldete sich zur Ebene hin; In deinem Glanzlicht muß ich nachten; das Kind neugierte in den Korb; Leere ödete aus den finstern Ecken; parken (am Park, an der Auto- haltestelle warten); der Vogel pfeilte in die Luft; polken (Polka tanzen); Kein liebes Veilchen purpurt; reigen (R. tanzen); schiern, schlitteln; schlittern (stehend auf dem Eise gleiten); die schleiernde Nacht; wie im Alter Reue brennt und Tränen drüber schneen; Nebel schwadet über die Wiesen; seekrankheiten; stumpfsinnen; tanken (Brennstoff aus dem T. entnehmen); walden (im W. hausen); Weihnachten (W. sein, werden, feiern); die Unermüdliche wieselte durch die Menge; Auf seiner Stirn wölkte der Unmut; die Masten zinkten hervor; zu höflich, um zu zwisten (Zw. zu erregen). Besonders von Personen- u. a. Eigennamen sind solche Tätigkeitsbezeichnungen nicht so neu: bauern (als B. leben); dieseln (mit Dieselmotor treiben); echternachern (tun wie bei der E.-Sprung- prozession); fletschern (nach Fletschers Weisung Speise tüchtig kauen); feuerwerke[r]n; klausnern; mensendiecken (Frauenturnen nach M. trei- ben) ; morsen (telegraphieren); müllern (Zimmerturnen nach Dr. M. treiben); taschenspielern; wäschern; zigeunern. Wieder helfen auch Vorwörter: Da fächerte ein Tal sich auf; Westlich geiert Gewölk empor; ummanteln; Mein Herz durchflügelt die Landschaft der Liebe; die Sonne zerfunkte in mei- nen Augen; Das Herz verperlte sein Blut; Es durchpfeilte den Torweg; verproleten; Mächtig quadert die Mauer empor; Goldgefunkel durchspeerte $Seite 5$ die Wege; ihn kreuzigen, zerstriemen; Zigarrenrauch entwölkt dem Manne; die Stadt zackte uns entgegen. Selbst ganze Wendungen und Vergleiche „ballt“ heutige Freude an kraftvoller Gedrungenheit in ein Tatwort: Ich will mit dir die Erde abschiedgrüßen, Sie eislächelte; sich am Podium hin- prangern; Dein Herz hat alle Nägel der Vernunft gleich jenem Berge aus mir herausmagnetet; das Boot, das zwischen den Wellen hochpfeilte; Sie nutznießt die Inflation; ich seelenverhungere; der Wille weltentrückte ihn; wer kann dich fassen, Macht, und wortgestalten? Unverkennbar sind manche dieser Bildungen launig gefärbt, anderseits ist ihre Art nicht schlecht- hin neu. Goethe bietet: Ein Gelächter echot in den Räumen (F. II) und: wie zur Nacht der Himmel erst sich sternet (Tageb.), und selbst die „ge- balltesten" Wörter finden ihresgleichen schon in der neunzig Jahre alten Wendung: es mühlräderte ihm im Kopfe. Freilich hätte Bismarck den Ausdruck staatsstreichern, den er im Gespräch gebraucht hat, in Rede und Schrift sicher nicht verwendet, und mögen anderseits manche der obigen Bildungen auch der Schrift-, ja Dichtersprache angemessen sein, so werden andere auf Umgangs- und Verkehrssprache beschränkt bleiben. Immerhin, für die Biegsamkeit und Bildkraft unserer Sprache zeugen alle gleicher- maßen. |
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| Beispiel |
fahlt, feuchtet, finstert, geilt, vergeilt, bleichte, blaßte nieder, schlafften zusammen, steilte empor, adert, deichen, aufgedrahtseilt, abgedrahtseilt, dümpelt, tümpelt, banken, brückt, gebeulte, falterte, gefelderte, felsen, festen, gespenstern, generalstreiken, höhte, frostet, flockt, glutet, goldete, klotzt, kümmert, kuppte, kuppelt, kurvte, leinen, mondet, muldete, nachten, neugierte, ödete, parken, pfeilte, polken, purpurt, reigen, schiern, schlitteln, schlittern, schleiernde, schneen, schwadet, seekrankheiten, stumpfsinnen, tanken, walden, weihnachten, wieselte, wölkte, zinkte, zwisten, bauern, dieseln, echternachern, fletschern, feuerwerken, feuerwerkern, klausnern, mensendiecken, morsen, müllern, taschenspielern, wäschern, zigeunern, fächerte auf, geiert empor, ummanteln, durchflügelt, zerfunkte, verperlte, durchpfeilte, verproleten, quadert, durchspeerte, kreuzigen, zerstriemen, entwölkt, zackte, ballt, abschiedgrüßen, eislächelte, hinprangern, herausmagnetet, hochpfeilte, nutznießt, seelenverhungere, weltentrückte, wortgestalten, echot, sternet, mühlräderte, staatsstreichern |
| Bezugsinstanz | Bismarck - Otto von, Literatursprache, gesprochene Sprache, Goethe - Johann Wolfgang, alt, Sprachverlauf, Sprache der Politik, Schriftsprache, Umgangssprache |
| Bewertung |
Frequenz/zahlreicher, launig gefärbt, zeugen für die Biegsamkeit und Bildsamkeit unserer Sprache |
| Intertextueller Bezug |

