Bevorzugung des Konjunktivs in gewählter Darstellung

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 377 - 378

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Konjunktiv oder Indikativ

Genannte Bezugsinstanzen: Gelehrte, Grimm - Jacob, Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Wilhelm, Literatursprache
Text

In allen solchen Fällen der in § 369 beleuchteten Art ist es nur möglich, nicht nötig, den Indikativ zu sehen. Denn auch wenn der Darsteller durch die Wahl des Indikativs andeuten könnte, daß die Mitteilung oder Vorstellung des Subjekts im regierenden Satze — soweit ihm bekannt! — mit den Tatsachen übereinstimme, verzichtet er in gewählter Darstellung öfter auf diese $Seite 378$ Andeutung und läßt demgemäß den Gedanken nur als das erscheinen, was für das denkende oder handelnde Subjekt, von dem er berichtet, bestimmend und ausschlaggebend gewesen ist. Ja grade im echtesten Sinne objektive Darsteller, Dichter voran, werden lieber darauf verzichten, verstandesmäßig festzustellen, daß eine Anschauung der von ihnen dargestellten Personen auch von anderen geteilt werde — denn wenn ich sage: Ich glaube jetzt auch, daß er in der Schlacht geblieben ist, so bedeutet das eigentlich: So haben schon viele geurteilt und ich jetzt auch — sie werden sich lieber in das Innenleben der Dargestellten, oder, wenn sie, wie so oft, von sich selbst sprechen, in ihr eigenes Innenleben versetzen und so mehr geistige Bewegung zum Ausdruck bringen.

Wer z. B. den Glauben, daß es nur einen Gott gibt, durch den Hinweis auf die gleiche Überzeugung erleuchteter Heiden erhärten will, wird besser sagen: Selbst erleuchtete Heiden hatten schon die Erkenntnis, daß es nur einen Gott gibt-, denn dem Verteidiger des Christentums ist dieser gewisse Satz die Hauptsache, und daß jene schon auf dem Wege zu dieser Erkenntnis waren, kommt für ihn erst nachher in Betracht. Der Geschichtsforscher, der objektiv darstellt, wird lieber sagen: So glaubte also Tacitus, wie sich das auch in dem Übergewicht der Einzahl „deus“ ausdrückt, daß es nur einen Gott gebe; denn ihm kann nur daran liegen, objektiv dessen — subjektiven — Glauben darzustellen. Wer wollte es also Goethe verdenken, wenn er eine Schlußfolgerung, auf die er, wenn auch nicht zuerst, so doch von neuem durch eignes Nachdenken kommt, mit dem Konjunktiv wiedergibt: Daraus folgt, daß die größte Glückseligkeit sich aus der Gewalt und dem Ruf des Monarchen herschreibe? Wer kann Grimm verargen, wenn er in Erinnerung an eine ältere Sprachstufe, wo die abhängigen Gedanken in viel größerm Umfange konjunktivisch gegeben waren, Beobachtungen und Schlüsse, mochten sie auch als richtig anerkannt werden müssen, doch zunächst als Erzeugnis seines persönlichen Denkens hinstellt? So in dem Satz: Daß w nicht zur bloßen Ausfüllung des Hiatus diene, folgt aus seiner Abwesenheit in andern Fällen. Wer möchte auch folgenden Satz H. Grimms anders? Es liegt etwas Beruhigendes in der Gewißheit, daß Männer, deren Größe jede Probe bestanden hat, noch am Leben seien; oder er müßte darauf verzichten, daß der Gedanke durch das seien als das innerlich Kräftigende, Beruhigende hingestellt wird. Jedenfalls liegt hier ein Gebiet vor, das zu betreten nicht gewarnt werden sollte, wie tatsächlich geschieht//1 So von Andresen, der diese und noch mehr Beispiele bei Grimm und Goethe tadelte. Aber auch mit Ausdrücken wie „aus der Untersuchung ergibt sich, es folgt“ u. ä. kann eine nur subjektive Schlußfolgerung eingeleitet und überhaupt durch den Konjunktiv die geistige Arbeit und die Bewegung des Gefühls hervorgehoben werden.//; vielmehr verdient seine Wertung und Wahrung durch Dichter und sorgfältige Stilisten, die gar nicht so leicht ist, anerkannt und nachgeahmt zu werden.

Scan
Matthias(1929) 377-378.pdf


Zweifelsfall

Konjunktiv oder Indikativ

Beispiel
Bezugsinstanz Literatursprache, Gelehrte, Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Jacob, Grimm - Wilhelm
Bewertung
Intertextueller Bezug