Daß ein Eigenname nicht mit einer vorangestellten Apposition ein zusammengesetztes Wort bilden kann, dar- über ist sich wohl jedermann klar. Kaiser Wilhelm — das sind und bleiben zwei Wörter, so gut wie Doktor Luther, Bruder Straubinger, Inspektor Bräsig, Familie Mendelssohn, Stadt Berlin u. ähnl. Trotz- dem ist neuerdings der Unsinn aufgekommen, namentlich bei Badeorten die Apposition Bad durch einen Strich mit dem Ortsnamen zu verbinden, als ob beides zu- sammen ein Wort bildete. Bab-Sulza, im Gegensatz dazu dann Stadt - Sulza, Bad - Kissingen, Bad- Nauheim — so wird selbst amtlich von der Post und der Eisenbahn z.B. in Briefstempeln und auf Eisenbahnbilletts gedruckt. Und besucht man dann einen solchen Badeort, so sieht man, daß dort auch hinter dem Worte Villa der Unsinn in üppigster Blüte steht: Villa-Daheim, Villa-Schröter, Villa-Maria, Villa-Quisisana — anders wird gar nicht mehr an die Häuser gemalt, einer machts immer dem andern nach. //*) In Leipzig fängt man jetzt gar an, zwischen Vornamen and Familiennamen einen Bindestrich zu setzen: Horst-Schulze.//
Mit diesem Unsinn kreuzt sich aber nun ein andrer. Teils infolge des übertriebnen juristischen Genauigkeits- bedürfnisses, teils infolge des herrschenden Byzantinis- mus unsrer Zeit kann man es sich nicht versagen, da, wo nun wirkliche Zusammensetzungen mit Eigennamen gebildet werden, auch noch Vornamen, Titel oder sonstige Appositionen davorzusetzen und zu schreiben: Gustav Freytag- Straße, von (!) Falckenstein- $Seite 215$ Straße, Kaiserin Augusta-Straße, Königin Carola-Gymnasium, Königin Luisen-Garten, Herzogin Agnes-Gedächtnis-Kirche, General- feldmarschall Prinz Friedrich Karl von Preußen- Eiche, Graf Bülow-Heringe, Familie Mendels- sohn-Stiftung, Baronin Moritz von Cohn- Stiftung, Waldemar Meyer-Quartett, Gustav Frenssen - Abend, Arthur Nikisch-Stipendium, Auguste Schmidt-Haus, Hugo Wolff-Nachruf, Marie Stuart-Tragödie usw. Wenn man früher eine Straße nach dem großen Preußenkönig, einen Kanal nach dem großen Bayernkönig nannte, so nannte man sie einfach Friedrichstraße, Ludwigskanal. Eine Stif- tung hieß die Wiedebachsche Stiftung, mochte sie von einem Manne namens Wiedebach, einer Frau namens Wiedebach oder einer Familie namens Wiedebach her-rühren. Auf den Namen kams an. Ein Name soll doch eben ein Name sein, aber keine Geschichte, kein Steckbrief, keine Hofkalenderadresse, keine Visitenkarte. Die heute be- liebten langatmigen Bezeichnungen sind aber alles andre, nur keine Namen. Dazu kommt aber nun, daß alle solche Worthaufen, die doch als zusammengesetzte Wörter gelten sollen, vor den Eigennamen ohne Bindestriche geschrieben werden: Kaiser Wilhelm-Straße. Das kann doch gar nichts andres bedeuten als einen Kaiser, der Wilhelm- straße heißt! Soll es eine Straße bedeuten, die nach Kaiser Wilhelm genannt ist, so muß sie unbedingt ge- schrieben werben: Kaiser-Wilhelm-Straße. Und ebenso muß unbedingt geschrieben werben: Gustav- Adolf-Verein, Baronin-Moritz-von-Cohn-Stif- tung, Generalfeldmarschall-Prinz-Friedrich- Karl-von-Preußen-Eiche. Wem das nicht gefällt, der bilde keine solchen Namen.//*) Freilich steht schon bei Goethe das Sankt Rochus-Fest.// Es geht aber schon so weit, daß man eine Schule Kaiser Wilhelm II. Real-schule genannt hat! Wie soll man das nur aussprechen?
In der unsinnigen Schreibung solcher Wortungetüme (ohne alle Bindestriche) offenbart sich wieder der zer-rüttende Einfluß des Englischen. Das Englische kennt $Seite 216$ ja keine Wortzusammensetzungen. Die Wörter kollern da aufs Papier wie die Pferdeäpfel auf die Straße: Ori- ginal Singer Familien Nähmaschine. Das ist zu schön, es muß doch wieder nachgemacht werden!
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