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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
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Ein entsetzlicher Schwulst greift neuerdings unter gewissen Eigenschaftswörtern um sich: man fühlt nicht mehr oder tut so, als ob man nicht mehr fühlte, daß diese Eigenschaftswörter eben die Art, die Eigenschaft eines Dinges bezeichnen, sondern glaubt, das noch be- sonders ausdrücken, richtiger: ausquetschen zu müssen, indem man das Wort Art zu Hilfe nimmt. Bildungen wie gutartig, bösartig und großartig sind ja schon alt und haben mit der Zeit einen Sinn angenommen, der sich von dem einfachen gut, böse und groß unter- scheidet, wiewohl zwischen einem bösen Hund und einem bösartigen Hund, einer großen Auffassung und einer großartigen Auffassung ein recht geringer Unterschied ist. Aber schon fremdartig und verschiedenartig ist doch oft nichts als eine überflüssige Verbreiterung von $Seite 391$ fremd und verschieden. Oder wäre es wirklich nicht mehr deutlich, wenn man sagt: es ist dem innersten Wesen des Deutschen fremd — oder wenn man Gas- licht und elektrisches Licht verschiednes Licht nennt? Vollends unnötiger Schwulst aber ist in den meisten Fällen das neumodische andersartig für anders. Oder ist es etwa nicht mehr zu verstehen, wenn jemand sagt: die Befriedigung, die wir aus der Kunst schöpfen, ist eine ganz andre, als die, die uns die Natur ge- währt? (Vgl., was S. 359 über eigen und eigenartig gesagt ist.)
Plan begnügt sich aber schon nicht mehr mit den Zu- sammensetzungen von artig — es scheint das noch nicht schwülstig genug zu sein —, sondern hat das herrliche Partizip geartet erfunden und schreibt nun nicht bloß von einer anders gearteten Zeit und anders ge- arteten Verhältnissen, sondern auch von einer so ge- arteten Begabung (statt von einer solchen), von ähnlich gearteten Unternehmungen (statt von ähn- lichen) usw. Ist der heutige Sextaner anders geartet als der frühere? — man sah der Ausführung zwar mit anders gearteter, aber nicht geringerer Spannung entgegen — wären alle Deutschen Österreichs so geartet wie die Siebenbürger Sachsen — das Schöffengericht hat in einem ganz ähnlich gearteten Falle auf Frei- sprechung erkannt — mit der besondern Veranlassung war auch eine besonders geartete Zuhörerschaft ge- geben — so spreizt man sich und ist dabei womöglich noch stolz auf seinen Scharfsinn, der den Unterschied zwischen ähnlich und ähnlich geartet ausgedistelt hat.
Vielleicht erleben wirs noch, daß auch anders ge- artet nicht mehr genügt, daß man sagt: die Befriedi- gung, welche (!) wir aus der Kunst schöpfen, ist eine ganz andersartig geartete, als diejenige, welche (!) uns die Natur gewährt. Breiter könnte dann der Ausdruck beim besten Willen nicht genudelt werden.
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