Das Umstandswort *1

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Buch Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig.
Seitenzahlen 159 - 161

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Adverbien und adverbiale Verbpartikeln: Lokaldeixis

Genannte Bezugsinstanzen: Gebildete, Ungebildete, Hofmannsthal - Hugo von, Mitteldeutsch, Norddeutsch, Schriftsprache, Süddeutsch, Umgangssprache
Text

In Süddeutschland wird selbst von Ungebildeten kaum je ein Fehler begangen, der in Norddeutschland mehr und mehr zur Regel wird: die Verwechslung von her und hin, oder vielmehr die Ersetzung von hin durch her, denn dies ist jetzt der beinah herrschende nord- und mitteldeutsche Sprachgebrauch. Man kann scharf trennend gradezu sagen: der Süddeutsche ruft: ' naus! der Norddeutsche: ' raus!

$Seite 160$ Die vernünftige Regel lautet sehr einfach: hin bezeichnet die Richtung von mir hinweg, her die Richtung zu mir her. Nichts ist leichter zu unterscheiden; also: ,Wir sehen mit Staunen auf den Wilden hinab (bei dem Schreiber dieses Satzes steht: herab), der an unsern Mauern tobt. — Komm zu mir heraus!Ich werde zu dir hinauseilen. — Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es wieder heraus. — Da stand es gut um unser Haus: Nur viel herein und nichts hinaus' (Goethe). — Ein Luftschiffer muß sagen: ,Mein Flugzeug fiel zur Erde hinab' ; der untenstehende Zuschauer: ,Das Flugzeug fiel zur Erde herab.' — Der Deutsche mußte sagen: ,Der König von England reiste zu uns herüber' ; der Engländer: ,Unser König reiste nach Deutschland hinüber.' — Man geht von oben die Treppe hinab; er steigt von unten die Treppe zu mir herauf. — Komm hierher! (zu mir). — Ich werde zu dir hinkommen. — Bauch hinein! Brust heraus! müßte ein Sprachgebildeter Unteroffizier befehlen. Es ist falsch zu sagen: ,Hier geht er hin, dort geht er hin' — ein hierhin gibt es strenggenommen überhaupt nicht. Die richtige Form für den ,Reinfall' müßte lauten: Er ist hineingefallen.

Gleich dieses letzte Beispiel zeigt, daß die klare Regel selbst im Sprachgebrauch der Gebildeten nicht streng befolgt wird. Reinfall und (he)reinfallen sind schon mindestens erlaubte Umgangs-, ja leidliche Schriftsprache geworden, mag auch der Sprachsittenrichter schmälen: ,gemeine Redensart'. Sie ist zur Zeit noch nicht grade fein; aber gemein —? Dabei muß der Gestrengste zugeben, daß es eine Reihe von Fällen gibt, in denen die Vertauschung von hin mit her weder gemein noch fehlerhaft ist: man ist herablassend, läßt sich zu jemand herab (nicht hinab); Er ist sehr von oben herab; Der Mann ist arg heruntergekommen (doch nicht zu mir her, sondern irgendwo anders hin als vorher); Der Verfasser hat sich selbst herabgewürdigt; Der Ladenpreis des Buches wird herabgesetzt. In der besten Heeressprache macht man sich an den Feind heran (nicht: hinan), und überall macht man sich an eine Sache heran (nicht hinan); es gibt nur den Herausgeber, keinen Hinausgeber eines Buches, wie man auch auf eine Banknote nichts hinaus-, sondern nur herausgibt.

Indessen durch solche Ausnahmen in festen Wendungen wird die Notwendigkeit, im guten Deutsch streng zwischen $Seite 161$ hin und her zu unterscheiden, nicht aufgehoben, und wenn Hofmannsthal seine eingesperrte Elektra sagen läßt: ,Ich will heraus!' so beweist das ein Nachlassen sprachlicher Achtsamkeit. Mancher Satz gestattet allerdings eine entschuldbare Doppelauffassung. Es ist nicht unbedingt falsch: ,Goethe ragte bis tief in unser Jahrhundert hinein' : denn der Schreiber kann sich selbst hinwegdenken, sich in Goethes Stellung versetzen und die Richtung nur von ihm aus nehmen.


Zweifelsfall

Adverbien und adverbiale Verbpartikeln: Lokaldeixis

Beispiel
Bezugsinstanz Süddeutsch, Ungebildete, Norddeutsch, Mitteldeutsch, Gebildete, Umgangssprache, Schriftsprache, Hofmannsthal - Hugo von
Bewertung

weder gemein noch fehlerhaft, entschuldbare Doppelauffassung

Intertextueller Bezug