Wortschatz und Wortform *3
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Buch | Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig. |
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Seitenzahlen | 55 - 56 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Text |
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Gottsched und Adelung verfolgten mit ihrem Sprachphilisterhaß jedes zu ihrer Zeit zufällig nicht mehr gäng und gäbe Alltagswort. Unschuldige, treffliche, kernige Wörter wie ,bieder, beginnen, behagen, Fehde, Meisterschaft' belegten beide mit allerlei Ekelnamen. Seitdem haben uns die neubelebende Richtung und ihr folgend die Sprachwissenschaft gelehrt, daß nicht alles tot ist, was lange außer Gebrauch gekommen. Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts, zum Teil gegen den störrischen Widerspruch Adelungs, wurde manches gute alt- $Seite 56$ deutsche Wort zu neuem Leben erweckt. Den Recken verdanken wir Wieland, den tapfern Degen Lessing, hasten wurde von Voß empfohlen, und die von Campe aufgefrischten Altwörter gehen in die Hunderte. Mit vorsichtig wählendem Geschmack läßt sich noch manchem schönem halberstorbenem Wort Leben einhauchen; allerdings gehört dazu mehr Ansehen und Mut als zur Erbastelung eines Dutzends elender neuer Welschereien. Aber selbst veraltete Wendungen (Das Eisen schmieden, weil [dieweil, solange] es heiß ist; Freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht) sind in dichterischer Rede nicht nur erlaubt, sondern können von besondrer Wirkung sein. Auch der Prosaschreiber und -redner darf zur rechten Zeit, am rechten Ort, und wenn er der rechte Mann, zu bestimmtem Stilzweck gar wohl ,sintemalen, dieweilen, Da sei Gott vor, Das sei fern von mir' gebrauchen. Von ungeschickten und taktlosen Schreibern eingeflickt, wirken solche alte Lappen auf neuem dürftigem Gewande abgeschmackt. Es war eine Verirrung, daß im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einige altertümelnde mittelmäßige Dichter die mittelhochdeutsche Rittersprache aufputzten, ohne zu bedenken, daß sie schon zu ihrer Zeit nur nachäffende Französelei gewesen war. Paul Heyse hat jener Sprachmode der ,Butzenscheibenlyrik' das verdiente Spottdenkmal gesetzt: Der Maskentrödel, guter alter Zeit Entlehnt, birgt nun moderne Nichtigkeit. Da schleift und stelzt ein blöder Mummenschanz, Ein Landsknechtminnespiel und ,Gowenantz' Mit Hei! und Ha! und Phrasenspuk verbrämt, Der totem Kunstgebrauch sich anbequemt. O wie den Herrn, die nichts zu sagen hatten, Die fremde Schnörkelrede kam zustatten! |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | 18. Jahrhundert, Neu, Sprachverlauf, Gottsched - Johann Christoph, Adelung - Johann Christoph, Wieland - Christoph Martin, Lessing - Gotthold Ephraim, Voß - Johann Heinrich, Campe - Joachim Heinrich, Literatursprache, 19. Jahrhundert, Mittelhochdeutsch, Heyse - Paul |
Bewertung |
elender neuer Welschereien, ungeschickte und taktlose Schreiber, solche alte Lappen, abgeschmackt, Verirrung, nachäffende Französelei |
Intertextueller Bezug |