Beiläufige Erläuterungen, Urteile, Hinweise, Klammern u. ä.
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
---|---|
Seitenzahlen | 237 - 238 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
---|
In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
---|---|
Genannte Bezugsinstanzen: | 20. Jahrhundert, Fachsprache (Militärwesen), Leipzig, Naumann - Friedrich, Keim - G. Bl. (?), Stehr - Hermann, Brausewetter - Ernst, Enking - Ottomar, Witkop - Philipp, Goethe - Johann Wolfgang, Neu, Gesprochene Sprache, Zeitungssprache, Eltze - A. (?), Geschäftssprache |
Text |
---|
Dem § 239 ff. behandelten eigentlichen Beisatz sehr ähnlich und deshalb viel mehr mit schuld an dessen dort beklagter Verwahrlosung sind die erklärenden Zusätze des Schriftleiters oder persönliche Urteile und beiläufige Bemerkungen des Schriftstellers. In ihrer einfachsten Form sind das Erklärungen dem Leser unbekannter Namen, besonders von Örtlichkeiten, oder anderer dem Berichterstatter geläufiger Bezeichnungen, Fach- und anderer Ausdrücke, für die nach seiner Vermutung der Leser vielleicht einen Fingerzeig wünschen könnte: Auf dem linken Ufer des Ituri (Nebenfluß oder oberer Lauf des Aruwini); an der Abendkasse des neuen Theaters (Vorderhaus), — hier (Südufer des Victoria-Nyanza), — in der zweiten Arie (dritter Akt), — mit Wega (Waki, der fallende Vogel), — bis auf einige Seltsamkeiten (z. B. bei N. der Niagarafall, bei O. der Osterluzei) u. a. So häufig solche Erörterungen in dieser Form gemacht werden, würden sie doch auf den eigentlichen Beisatz nicht so zerstörend einwirken, wie es der Fall ist//1 Wie groß die Gefahr der gegenseitigen Einwirkung solcher Erklärungen und des eigentlichen Beisatzes ist, geht vielleicht am deutlichsten daraus hervor, daß auch in Fügungen, die sich durch Zusätze wie nebenbei (nämlich: gesagt ist es ...) als klammern zu erkennen geben, die strenge Form der Apposition eindrang: Aus der schlesischen Stadt Haynau, nebenbei einer „unbestrittenen freisinnigen Hochburg“, wird gemeldet (Leipz. Zeit.).//, wollten es doch nur die Zeitungen alle noch machen, wie in den oben verzeichneten Fällen ehemals z. B. die alte Leipziger, nämlich Klammern anwenden. Der Redner gibt doch solche gelegentliche Erläuterungen auch in anderm Tone, und ganze Zwischensätze werden gewöhnlich durch Klammern oder Gedankenstriche abgesondert! Sind die Bemerkungen weniger so einfache Erklärungen der angegebenen Art, vielmehr persönliche Urteile, eigene Gedanken über eine Sache, so dürften die Gedankenstriche so angebracht als nötig sein, zugleich aber auch ausreichend, um gegen ungerechte Vorwürfe einer Regelverletzung sicherzustellen. Niemand wird also Ibsens Übersetzer Brausewetter tadeln, wenn er schreibt: Julian kommt durch Berührung mit neugriechischen Philosophen und dem Mystiker — wohl eine beabsichtigte Verkörperung St. Simonistischer Ideen — zum Kultus der Schönheit zurück; denn da ist innerhalb der Gedankenstriche eine persönliche Vermutung über eine Rolle in die Angabe des objektiven Gedankenganges eingeschoben. Ganz ähnlich liegt es, wenn im Stücke selbst Julian die Worte in den Mund gelegt werden: Laßt uns der Welt das ungewöhnliche Schauspiel geben eines Hofes ohne Heuchelei — gewiß der einzige Hof in seiner Art — eines Hofes, wo Schmeichler zu den gefährlichsten Feinden gerechnet werden. Eltze übersetzt: Ich bemerke zum ersten Male den Herzog $Seite 238$ von Leuchtenberg — ein langer, schlanker, gewöhnlich aussehender Mann, und Friedr. Naumann schreibt: Dann zeigte er uns eine kalte Douche, ein Hochgenuß in dieser heißen Gegend. Neueste Beispiele sind: Jedenfalls ist es des deutschen Volkes, an der Spitze sein Kaiser, unwürdig, aus Furcht den deutschen Lebensbaum zurückzuschneiden (G. Bl. Keim). — Im „Ritter Olaf“, neben den „Grenadieren“ die bedeutendste Ballade Heines (Witkop); Die Gesellschaft saß an der langen Tafel einer großen Stube, eigentlich mehr ein Saal, niedrig, gedrückt (H. Stehr); Gudrun bewohnte mit ihrer Mutter ein kleines villenartiges Häuschen — der Rest eines ehedem beträchtlichen Vermögens (O. Enking). Die Einspannung einer solchen Gelegenheitsangabe in den spanischen Stiefel des Beisatzes ergab dagegen den Widersinn der Heeresberichtsmeldung vom 15.2. 17: Die Gegner verloren gestern 7 Flugzeuge, von denen Leutnant von Richthofen 2 — seinen 20. und 21. Sieg, abschoß! Neben solchen wirklich subjektiven Urteilen treten aus dem objektiven Zusammenhange heraus auch gelegentliche Angaben über eine Stellung oder Bedeutung der genannten Person oder Sache, die auf das im objektiven Zusammenhange Dargestellte keinen Einfluß haben oder gar nur von einer ganz andern Zeit gelten als der im Zusammenhange behandelten. Sicher also ist für erläuternde Zusätze mit jetzt, heut, vollends, damals, früher, später, schon u. ä. die feste Form der Apposition nicht geeignet, da in dieser als einer eingeordneten begrifflichen Bestimmung nur Angaben über die Zugehörigkeit nach Art und Maße, einer gewissen Identität, der stehenden oder doch einer für den Einzelfall maßgebenden Eigenschaft, Stellung oder Bedeutung gemacht werden können. Sehr wohl konnte ein Kaufmann melden: Der Firma Meier, alleiniger Inhaber Müller, wird aufgegeben ..., und die „Dolomiten" 25. 6. 28 berichten: Mit dem Dampfer Leviathan, heute das größte Schiff der Welt, kamen am Freitag 3238 Postsäcke an. Vollends Goethe konnte nicht anders schreiben als: Der Zug wendete sich nach der inneren Stadt durch die Katharinenpforte, ein ehemaliges Tor und seit Erweiterung der Stadt ein offener Durchgang, da der Zug eben noch nicht durch einen offenen Durchgang, sondern durch ein Tor ging, wegen dessen Niedrigkeit unter seiner Spannung erst der Boden ausgehoben werden mußte. Auch der Zeitungsschreiber, der den Satz gebaut hat: Man wollte in dem Verfasser des Poems allgemein Joh. Scherr, damals württembergischer Abgeordneter, erkennen, hat richtig empfunden, daß man in dem Verfasser nicht J. Scherr den Abgeordneten, sondern den Menschen erkannt hat//1 Vgl. H. Wunderlich, Der deutsche Satzbau, 2. Aufl., Bd. 2 (S. 18 ff.).//. |
Zweifelsfall | |
---|---|
Beispiel | |
Bezugsinstanz | 20. Jahrhundert, Zeitungssprache, 20. Jahrhundert, Leipzig, Eltze - A. (?), Naumann - Friedrich, Keim - G. Bl. (?), Goethe - Johann Wolfgang, Stehr - Hermann, Fachsprache (Militärwesen), Brausewetter - Ernst, Geschäftssprache, Leipzig, Zeitungssprache, neu, Enking - Ottomar, gesprochene Sprache, Witkop - Philipp, Zeitungssprache, Zeitungssprache |
Bewertung |
ausreichend, um gegen ungerechte Vorwürfe einer Regelverletzung sicherzustellen, ergab den Widersinn, Frequenz/häufig, konnte nicht anders schreiben als, Niemand wird tadeln, richtig, Sehr wohl konnte melden, so angebracht als nötig, Verwahrlosung, zerstörend einwirken |
Intertextueller Bezug | H. Wunderlich: Der deutsche Satzbau, 2. Aufl., Bd. 2 (S. 18 ff.) |