Deren und derer
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 75 - 76 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Hoffmann - Hans, Junker - Wilhelm, Bülow - Bernhard von, Gegenwärtig, Ursprünglich, Sprachverlauf, Schulsprache |
Text |
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Die gleiche Erweiterung eines ursprünglich kürzeren Kasus durch -er stellt auch die Form derer dar, die heute nur als Genetiv der Mehrzahl zu der in der Bedeutung derjenige verwendet werden darf, also hin- oder zurückweisend auf einen Relativsatz, statt eines vor einem Attribute zu wiederholenden Hauptwortes (= celui) und in Verbindung mit von vor Adelsnamen: das Geschlecht derer von Moltke; der Herr vernichtet die Macht derer, die sich gegen ihn auflehnen; der Rankischen Schule gehören fast sämtliche großen Historiker Deutschlands und ein Teil derer des Auslandes an. Dagegen steht es falsch attributivisch vor einem Substantiv wie in dem Satz: der Widerstand aller derer (statt: der[jenigen]) Kreise, die ein Interesse an der Reinheit des Marktes haben. Nicht minder ist es falsch, weil damit eine von der Sprache herausgearbeitete Unterscheidung wieder verwischt wird, wenn es auch als einfaches unbetontes Demonstrativum oder als Relativum gebraucht wird; deren Genetiv der Mehrzahl wie der weiblichen Einzahl lautet vielmehr deren: der alte Herr verständigte mich, daß diese Mücken, wenn deren im Paradiese gewesen, nur angenehm gesummt hätten (H. Hoffmann). Die Festaufführung, deren ich stets gedenken werde, war unvergleichlich schön. Das sind Erlebnisse, deren wir uns am liebsten erinnern. Falsch schreibt also Junker: Sie trugen stets ihre Schilde und mehrere Lanzen in den Händen oder statt derer auch ein Pingah. Überhaupt begegnet die Form derer fälschlich am Anfange von Relativsätzen zumal neben Verhältniswörtern wie vermittels, vermöge, wegen immer häufiger: Fürst $Seite76$ Bülow: in den unklaren Jahrzehnten, während derer ... und ein Lehrer: eine Art von Satzbildung, mittels derer Wünsche und Fragen ausgedrückt werden. Wichtiger als diese kleine Formfrage ist für die hinweisenden Fürwörter der Übelstand, daß das abgestumpfte Sprachgefühl, verbunden mit der gleichfalls bereits gerügten Sucht, derber aufzutragen, ihre Bedeutung oft verkennen und die mit engerer Bedeutung an die Stelle einfacherer, allgemeinerer treten läßt. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel |
derer, derer, der, derjenigen, deren, deren, deren, deren, derer, derer, derer |
Bezugsinstanz | Bülow - Bernhard von, Hoffmann - Hans, Junker - Wilhelm, Schulsprache, ursprünglich, Gegenwärtig, Sprachverlauf |
Bewertung |
abgestumpftes Sprachgefühl, falsch, nicht minder falsch, Frequenz/häufiger, gerügte Sucht, derber aufzutragen, Übelstand, fälschlich |
Intertextueller Bezug |