Einen Tag und eines Tag(e)s

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 205 - 206

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Datumsangaben

Genannte Bezugsinstanzen: Gegenwärtig, Goethe - Johann Wolfgang, Mitteldeutsch, Mundart, Sprachverlauf, Schriftsprache, Scheffel - Joseph Victor von, Luther - Martin, Redewendung/Sprichwort
Text

Aus der § 209 angedeuteten Kraft des vierten Falles, den erfüllten Raum zu bezeichnen, beruht es auch, daß er zeitlich auf die Frage Wie lange? antwortet, also auch den ausgefüllten Zeitraum bezeichnet. Dagegen steht der Genetiv teils nur zur Bezeichnung des reinen Zeitpunktes, d. h. wenn es nicht auf die Erfüllung der ganzen angegebenen Zeit durch die Handlung, sondern nur auf ihr Zusammenfallen mit einem Punkte dieses Zeitganzen ankommt, mag schon heute auch dann der Akkusativ sowie an und in gar nicht selten sein; andernteils steht er zur Bezeichnung der regelmäßigen Wiederkehr. Wenn ich sage: Ich habe ihn einen Tag beobachtet oder eines Tages, so ist jenes soviel als: einen ganzen Tag über, dieses bedeutet, daß er gelegentlich an einem Tage eine kurze Zeit beobachtet worden ist. Überhaupt ist denn auch der zweite Fall besonders geeignet, ungefähr anzugeben, innerhalb welcher Zeitgrenzen etwas geschieht: eines Tages, Abends, Morgens, heutigen Tages. Der Begriff einer solchen Zeitangabe wird auch dadurch nicht wesentlich verändert, daß eine bestimmtere Zeitangabe vor- oder nachtritt: Sonntag(s) morgens, Tags darauf, Tags nach seiner Ankunft (Scheffel)//1 Auch eingangs, anfangs, anbeginns meiner Rede erklärt sich wohl so, freilich ohne empfohlen werden zu können; soll doch hier ein fast zum Abverb gewordener allgemeiner Ausdruck wieder einen Genetiv regieren; lieber also: im Eingange usw.//. Doch ist es dann natürlich auch möglich, zum Ausdrucke der größeren Bestimmtheit den Artikel zu setzen: den Tag darauf, die Nacht vorher. Dem angegebenen $Seite 206$ Unterschiede gemäß wird man auch nicht sagen: Ich finde tags und nachts, sondern: Tag und Nacht keine Ruhe. Wenn vollends die Andauer durch ein beigefügtes ganz, lieb, lang oder ein Possessiv zur Bezeichnung der ganzen Lebenszeit ausdrücklich hervorgehoben wird, so steht der vierte Fall ausschließlich: den lieben, langen Tag. Das habe ich meine Tage, auch mein Lebtag so gehört: auch mit der Verneinung ist der vierte Fall häufiger und wirksamer: das wollte er sein Tage nie anders gewußt haben. Selbst an einem schwankenden Ausdrucke wie diese(r) Tage fühlt man den Unterschied noch hindurch, wenn Goethe sagt: Diese Tage her (andauernd bis jetzt) habe ich wieder mehr gearbeitet als genossen, und: Eine Geschichte, welche ihr dieser Tage begegnet ist. Noch deutlicher ist das Teilungsverhältnis in solchen Wendungen: Des Morgens früh, des Abends spät, gleich des Tages. Auch winters, sommers, bei Goethe auch frühjahrs ist soviel als: manchmal in dieser Zeit. Zugleich Dauer und Bestimmtheit drückt es dagegen aus, wenn gesagt wird: (Den) Herbst 1796 und: Ich komme den Winter zu dir, h. h. entweder im nächsten Winter einmal oder den ganzen Winter über. Besonders wirken für den Genetiv Zahladverbien erhaltend: einmal des Jahres (doch bereits seit Luther auch oft: im Jahre), viermal des Tages. Freilich herrscht der vierte Fall auch hier von weiblichen Wörtern: zweimal die Woche (oder: in der Woche), nicht minder in den Wendungen: jeden Tag, jeden dritten Tag, und fast auch schon bei alle(r), wenn es zur Bezeichnung regelmäßiger Wiederkehr besonders vor Zahlwörter tritt: wir müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen (Goethe), leicht erklärlich, da hier das Wort alle an sich schon die Wiederholung bezeichnet; trotzdem verdient der in den mitteldeutschen Mundarten noch lebendigere Genetiv (aller fünf Finger lang, aller Nasen lang, aller Augenblicke) auch für die Schriftsprache eher wieder belebt als gemieden zu werden.


Zweifelsfall

Datumsangaben

Beispiel
Bezugsinstanz Goethe - Johann Wolfgang, mitteldeutsch, Mundart, Scheffel - Joseph Victor von, gegenwärtig, Schriftsprache, Sprachverlauf, Luther - Martin, Redewendung/Sprichwort
Bewertung

auch möglich, ausschließlich, Frequenz/auch oft, Frequenz/gar nicht selten, Frequenz/häufiger, Frequenz/lebendigere, herrscht, leicht erklärlich, lieber, ohne empfohlen werden zu können, schwankenden, verdient auch für die Schriftsprache eher wieder belebt als gemieden zu werden, wird man auch nicht sagen, wirksamer

Intertextueller Bezug