Er hat gehen sollen, nicht gesollt
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Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 100 - 101 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Text |
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Statt des zweiten Mittelwortes mit ge- steht bei manchen Zeitwörtern, aber im allgemeinen nur, wenn ein Infinitiv von ihnen abhängt, als Ersatz der Infinitiv //1 Wahrscheinlich ist die Ausdrucksweise von solchen Fällen ausgegangen, wo das alte 2. Mittelwort ohne ge- der Nennform gleich war, wie bei heißen, lassen, sehen. Sogar: Ich han des hören jehen ( = sagen) steht danach schon in der „Gudrun", und (er) haete im heizen machen ein wunneclichez huselin im „Tristan". — Auch werden hat ja ähnlich in der festen Verbindung mit andern Mittelwörtern und Nennformen in der Leideform das bloße worden behalten.//: Warum hast du gestern nicht mitgehen mögen? Ich habe eben nicht gemocht! Ja fast von allen mit einem Infinitive verbundenen Zeitwörtern, die mit haben zusammengesetzt werden, bildet man heute nach einem Infinitive die zusammengesetzten Zeiten aus haben + Infinitiv: Der verdammte Hof hat dich beides versäumen machen (Goethe). Auch neben lernen ist dieser Infinitiv sehr häufig, wenigstens in der Verbindung: ich habe ihn kennen lernen; doch steht schon bei Schiller auch: Ich habe mich an viel gewöhnen lernen; seitdem hab ich vom Reich ganz anders denken lernen. Besonders bei der Stellung des abhängigen Infinitivs zwischen einer vorhergehenden Form von haben und einem folgenden solchen Verbum ist dieses Infinitiv-Partizip herrschend, so daß es fast nur heißt: Ich habe ihm die Splitter auflesen helfen, aber: ich habe ihm helfen oder geholfen, die Splitter auflesen. Unnötig und ohne Erfolg verpönt wird die gleiche Form bei brauchen, bei dem ja auch schon sehr häufig eine Nennform ohne zu steht. Tatsächlich überwiegen aber Beispiele der Art: Auf diese Gefahr hin hatte S. St. kein Verbrechen zu befördern brauchen. Ferry hat nicht länger zu bitten brauchen, um des Amtes enthoben zu werden. Doch beliebt z. B. Jak. Wassermann (Christian Wahnschaffe 1918) immer die Form: er habe nichts erwidern gekonnt; auch R. H. Bartsch liebt die Ausdrucksweise: Sie hatte Besuche machen gewollt; der Weg, den sie Kantilener einschlagen gesehen hatte; und immer heißt es (passivisch) wie bei J. Johst: Selten wurde ein Prophet in seiner Vaterstadt gelten gelassen. Anderseits erscheint das Infinitiv-Partizip auch ohne ab- $Seite 101$ hängigen Infinitiv: Dann hatte er ihr an den Leib wollen (H. Frdr. Blunk 27), und: Molter hatte gleich ehrlich zu Henny hinüber wollen (DAZ. 27). |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Bartsch - Rudolf Hans, Blunk - Hans Friedrich, Goethe - Johann Wolfgang, Johst - Hanns, Schiller - Friedrich, Wassermann - Jakob |
Bewertung |
Frequenz/häufig, Frequenz/herrschend, Frequenz/sehr häufig, Frequenz/überwiegen, unnötig, verpönt |
Intertextueller Bezug |