Widersprüche in bildlichen Wendungen

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche

Hinweis: Dieses Kapitel ist derzeit noch in Bearbeitung. Die angezeigten Informationen könnten daher fehlerhaft oder unvollständig sein.

Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 452 - 453

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Logische Brüche

Genannte Bezugsinstanzen: Fachsprache (Musik), Zeitungssprache, Sprache der Politik
Text

An Ausdrücken, die der sinnlichen Anschauung und Lebenserfahrung nähergerückt sind, muß man noch eine erschreckendere Vorstellung davon erhalten, wie gedankenlos $Seite 453$ Unzusammengehöriges zusammengereimt wird. Eine Zeitung redet von zugkräftigen Magneten (= Künstlern), unter denen Sterne von leuchtendem Glanze seien. Einem Musikschriftsteller scheint gar in Schumann eine der schönsten Blüten der Romantik dem Grundsteine entsprossen, den Bach gelegt. Ein andermal wird wieder gehofft, daß es in vielen Herzen neue Saaten treibe, wenn der Frost liebloser Berührung die früheren versengt habe; oder man sieht über einer Gesellschaft einen günstigen Stern blühen und Häuser durch Fluten eingeäschert werden. Eine Zeitung ereifert sich über eine Schwester, weil sie in die Freihandels-Pauke blase, und eine andere klagt: Mit dem einen Fuße stehen sie im Grabe, während sie mit dem andern am Hungertuche nagen! Da ist es nicht mehr weit bis zur Reise einer blinden Frau, die — mit einem Gallizismus — ihren Sohn sehen will, oder bis zu der andern, die lautlos wie eine Leiche einfällt: „Ist er tot?“ was sonst immer laut geschieht, gewöhnlich von Chören und andere übertonend. Wenn die Ärmste wirklich gestorben wäre und ohne Kinder zu hinterlassen, hätte man im heutigen Stile gewiß ihren kinderlosen Tod gemeldet!

Doch hinweg vom Tode zum Leben! Jeder weiß, was eine Geburt ist und daß er selbst geboren ist, und zwar von einer Frau, die deshalb seine Mutter heißt. Trotzdem ist es nicht nur fertiggebracht worden, den Codex Friedrichs d. Gr. sich selbst gebären zu lassen, sondern ein Musikkritiker, dessen Zunft sich freilich bei ihrem Gefühlsleben vor andern der Verpflichtung überhoben glaubt, auf Verstand und Verständlichkeit Rücksicht zu nehmen, läßt gar jemanden seine Geburt meißeln und intonieren: er fing an, seine neuste Geburt, die erst unter dem poetischen Meißel hervorgegangen war, zu intonieren! Auf die Geburt folgt die Taufe, auch sie in schönen Bildern verwendet, wie denn z. B. bei einem Diplomaten König Wilhelm das Definitivum des neuen Deutschen Reiches in Versailles aus der Bluttaufe hebt. Jede Handlung, die von nun an ein Mensch in seinem Leben ausführt, wird am liebsten nicht mit ihrem eigentlichen Namen bezeichnet und ihrem eigentlichen Träger beigelegt, in Romanen namentlich, sondern bis zum Unsinne verziert und verzerrt und unnatürlich ausgedrückt. Da blickt uns nicht ein Mädchen selbst an, sondern ihr Auge (so!); nicht sie stampft mit dem Fuße auf, sondern ihr Fuß tut es. Etwa damit sie selber liebenswürdiger bleibe? Nicht sie verzieht das Gesicht, sondern ihre Züge verziehen sich usw., vielleicht daß das naturalistischer sein soll! Noch häßlicher wirkt es natürlich, wenn sich mit dem Geziere Verkehrtes verbindet. Bringt es doch ein Mädchen fertig, den Kopf um den Hals des Vaters zu schlingen, oder eine andere umklammert, innehaltend, den Angeredeten mit den Augen; ja es vermag sogar ein weiblicher Fuß ins Zimmer zu schleichen und mit eigner Hand die Kerze auszulöschen; oder die Stimmung wird so gereizt, daß die erhitzten Köpfe handgreiflich werden.


Zweifelsfall

Logische Brüche

Beispiel
Bezugsinstanz Zeitungssprache, Fachsprache (Musik), Sprache der Politik
Bewertung

erschreckender, gedankenlos, schön, bis zum Unsinne verziert und verzerrt und unnatürlich ausgedrückt, noch häßlicher

Intertextueller Bezug