Ein garstiger Mißbrauch herrscht in der Deklination bei den Adjektiven, deren Stamm auf el und er endigt, wie dunkel, edel, eitel, übel, lauter, wacker; auch die Komparativstämme, wie besser, größer, unser, euer, inner, außer, ander, gehören dazu. Bei diesen Adjektiven kommen in der Deklination zwei Silben mit kurzem e zusammen, also des eitelen Menschen, dem übelen Rufe, dem dunkele' Grunde, unseres Wissens, mit besserem Erfolge, aus härterem Holze. Diese Formen sind unerträglich; man schreibt sie wohl bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden e muß weichen. Aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf gibt der Infinitiv der Zeitwörter, die von Stämmen auf el und er gebildet werden. Auch da treffen zwei e zusammen, von denen eins beseitigt werden muß. Nun ist es zwar hie und da in Deutschland, z. B. in Hannover, beliebt, zu sagen: tadlen, handlen, wandlen, veredlen, vermittlen, verdunklen, verwechslen, ausbeutlen, mildren, verwundren, erschüttren, veräußren, versilbren, versichren, erläutren, im allgemeinen aber spricht, schreibt und druckt man doch tadeln, veredeln, erinnern, erläutern, d. h. man opfert das e der Endung und bewahrt das e des Stammes. Ebenso geschieht es auch in der Flexion des Verbums: er vereitelt, er verändert, nicht er vereitlet, er verändret. Und so ist es gut und vernünftig. Denn nicht nur daß das Stamm-e wichtiger ist als das der Endung, die Formen auf eln und ern klingen auch voller und schöner.//* Genau genommen wird freilich auch nicht vereiteln, verändern gesprochen, sondern vereitln, verändrn, l und r werden geichsam vokalisiert. Aber gemeint ist doch mit dieser Aussprache eln, ern, nicht len, ren. Eigentlich gehören auch noch die Wortstämme auf en hierher, wie rechen, zeichen, orden, offen, $Fußnote auf nächster Seite fortgeührt$ eben, eigen, regen (vgl. Rechenschaft, Eigentum, Offenbarung). Die Infinitive können da natürlich nur rechnen, ordnen, eignen lauten; die flektierten Formen aber, die wir jetzt leider allgemein zeichnet, zeichnete, öffnete, gerechnet, geordnet, geeignet schreiben, lauteten im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert noch überall schöner: zeichent, gerechent, geordent, geeigent. Der Volksmund spricht auch heute noch so, selbst der Gebildete sagt — er mag sich nur richtig beobachten —: es regent, es regente, es hat geregent (genau genommen freilich auch hier wieder regnt, geregnt, mit vokalisiertem n). Nur wer sich ziert, wer „wie gedruckt" redet, sagt: ausgezeichnet. Net, womöglich nett! Man muß ja förmlich eine Pause machen und Kraft sammeln, um das net herauszubringen! Unsre besten und hervorragendsten Zeitschriften brauchten nur einmal die vernünftigen Formen zeichent, öffent, zeichente, öffente, gezeichent, geöffent eine Reihe von Jahren beharrlich drucken zu lassen, so wären sie wieder durchgedrückt. In atmen (Stamm: atem) hat natürlich das Stamm-e ausgeworfen werden müssen, weil atemn niemand sprechen kann; für atmet hört man aber im Volksmunde auch oft genug atent, wie denn auch schon in der ältern Sprache Aten neben Atem erscheint (und wie auch bodem, gadem, besem, busem zu Boden, Gaden, Besen, Busen geworden sind).// Genau so verhält sichs bei den genannten $Seite 28$ Adjektiven. Aber fast in allen Büchern und Zeitungen druckt man die häßlich weichlichen Formen: unsres Jahrhunderts, des üblen Rufes, die ältren Ausgaben, meiner teuren Gemeinde, in der ungeheuren Menschenmenge, und doch spricht fast jedermann: unsers Jahrhunderts, des übeln Rufes, die ältern Ausgaben, meiner teuern Gemeinde, in der ungeheuern Menschenmenge. Man druckt ja nicht: die Eltren, überall wird richtig Eltern gedruckt; warum also nicht auch die ältern? beides ist doch dasselbe. Bei dem Dativ-m kann man zugeben, daß, wenn das Stamm-e erhalten und das e der Endung ausgeworfen wird, zuweilen etwas harte Formen entstehen; im allgemeinen ist aber auch hier auf dunkelm Grunde, mit besserm Erfolge gewiß vorzuziehen.
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