Die Stoffnamen

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Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 329 - 330

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Unsicherheit
Text

Zahllose Fehler und Geschmacklosigkeiten werden in der Wahl und Anwendung der Wörter begangen.

Alle Stoffnamen, wie Wein, Bier, Blut, Eisen, können von Rechts wegen nur im Singular gebraucht werden, und so priesen denn auch früher unsre Kaufleute nur ihren guten Lack oder Firnis an, auch wenn sie noch so viel Sorten hatten. Von einigen solchen Wörtern hatte man aber doch gewagt, den Plural zu bilden, um die Mehrzahl der Sorten zu bezeichnen, und wir haben uns daran gewöhnt. Schon das sechzehnte Jahrhundert kannte die Plurale: die Bier, die Wein, im Faust heißt es: ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern, und die Chemie und die Technologie reden schon lange von Salzen und Fetten. Neuerdings wird aber doch diese Pluralbildung in unerträglicher Weise ausgedehnt; man empfiehlt nicht nur Lacke, Firnisse, Öle und Seifen, sondern auch Mehle, Grieße, Essige, Salate, Tabake, Zwirne, Garne, Wollen (Strick- und Häkelwollen!), Tuche, Seiden, Flanelle, Plüsche, Tülle, Batiste, Kattune, Damaste, Barchente-Tees, Kaffees, Kakaos, Buckskins usw. Diese Formen, die die immer wagehalsiger werdende Reklamesprache unsrer Kaufleute geschaffen hat, haben etwas stammelndes, sie klingen wirklich wie Kindergelall. Wenn auf diesem Wege weitergegangen würde, müßte man in Zukunft auch Wachse, Leime, Kalke, Porzellane, ja sogar Fleische, Wurste, Korne, Glase, Stahle anpreisen $Seite 330$ können. Denn Würste, Körner, Gläser, Stähle (Plättstähle sagt man in Leipzig) sind doch etwas andres, sie bezeichnen die einzelnen Stücke, aber nicht die Sorten; ähnlich die Kälke, von denen die Gerber früher sprachen. Wo ist die Grenze? Und wie will man überhaupt eine Mehrzahl bilden von Sand, Schiefer, Zucker, Obst, Milch, Butter, Käse, Leinwand? Das Bedürfnis, die verschiednen Sorten auszudrücken, ist doch bei diesen Waren gewiß ebenso stark wie bei andern. An der Firma einer Leipziger Handlung steht; Stahl aller Art. Wie vornehm klingt das! Man freut sich jedesmal, wenn man vorübergeht. Wie dumm dagegen ist die Mehrzahl Abfallseifen! Wenn es irgend etwas gibt, was man nicht in den Plural setzen kann, so ist es doch das Sammelsurium, das man als Abfallseifen bezeichnet.

Ein wunderliches Gegenstück zu diesen anstößigen Pluralen ist es, daß von manchen Wörtern die Mehrzahl jetzt auffällig vermieden wird. Von den schönen Haaren einer Frau zu sprechen, gilt nicht für fein; nur daß sie schönes Haar habe, hört sie gern. Und beim Schneider bestellt man sich nicht mehr neue Hosen — das wäre ja ganz plebejisch! —, nein, eine neue Hose. Was will man denn aber mit einer Hose? Man hat doch zwei Beine, also wird man auch immer ein Paar Hosen brauchen. Hose bedeutet doch nur die zylinderförmige Hülse für ein Bein. Vornehme Leute haben allerdings auch keine Beine mehr, sondern nur noch Füße. Ich habe mich an den Fuß gestoßen, sagt die feine Dame; wenn man sie aber nach der Stelle fragt, zeigt sie — auf den Oberschenkel.


Zweifelsfall

Zweifelsfall Importplatzhalter

Beispiel

Wein, Bier, Blut, Eisen, Lack, Firnis, Weine, Salzen, Fetten, Lacke, Firnisse, Öle, Seifen, Mehle, Grieße, Essige, Salate, Tabake, Zwirne, Garne, Wollen, Strickwollen, Häkelwollen, Tuche, Seiden, Flanelle, Plüsche, Tülle, Batiste, Kattune, Damaste, Barchente, Tees, Kaffees, Kakaos, Buckskins, Wachse, Leime, Kalke, Porzellane, Fleische, Wurste, Korne, Glase, Stahle, Würste, Körner, Gläser, Stähle, Plättstähle, Kälke, Sand, Schiefer, Zucker, Obst, Milch, Butter, Käse, Leinwand, Stahl, Abfallseifen, Abfallseife, Haaren, Haar, Hosen, Hose, Fuß, Füße

Bezugsinstanz Fachsprache (Chemie), Goethe - Johann Wolfgang, Leipzig, Geschäftssprache, alt, Fachsprache (Handwerk), Geschäftssprache, Leipzig, neu, Sprache der Werbung, Fachsprache (Handwerk), 16. Jahrhundert, Fachsprache (Technik), gehobene Sprache, Sprachverlauf, gegenwärtig
Bewertung

dumm, Fehler, Geschmacklosigkeiten, gilt nicht für fein, klingen wie Kindergelall, Man freut sich jedesmal, wenn man vorübergeht, plebejisch, stammelndes, unerträglicher, vornehm klingt, wunderliches

Intertextueller Bezug