Gustav Fischer, Buchbinderei

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche
Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 217 - 218

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Apposition und ihre Bildung

Genannte Bezugsinstanzen: Gegenwärtig, Alt, Neu, Schriftsprache, Zeitungssprache, Geschäftssprache
Text

Eine Geschmacklosigkeit, die sich in der Sprache unsrer Geschäftsleute mit großer Schnelligkeit verbreitet hat, besteht darin, zu einem Personennamen eine Sache als Apposition zu setzen, z. B.: Gustav Fischer, Buchbinderei, Th. Böhme, Schuhmacherartikel und Schäftefabrik O. Lehmann, Säcke und Planen. Früher sagte man vernünftigerweise: Gustav Fischer, Buchbinder, und wer zu verstehen geben wollte, daß er sein Geschäft nicht allein, sondern mit einer Anzahl von Gesellen betreibe (jetzt heißt es vornehmer: Gehilfen, obwohl ein Geselle von damals viel mehr zu bedeuten hatte als so ein moderner Gehilfe!), sagte: Gustav Fischers Buchbinderei oder Buchbinderei von Gustav Fischer. Der Unsinn, einen Menschen eine Buchbinderei zu nennen, ist unsrer Zeit vorbehalten geblieben.

$Seite 218$ Man könnte einwenden, in solchen Verbindungen solle der Personenname gar nicht den Mann bedeuten, sondern die Firma, das Geschäft; in dem Zusatz solle also gar keine Apposition liegen, sondern mehr eine „Juxtaposition." In den altmodischen Firmen sei nur der eine Satz ausgedrückt gewesen: (hier wohnt) Gustav Fischer; in den neumodischen Firmen seien zwei Sätze ausgedrückt: (hier wohnt) Karl Bellach, (der hat eine) photographische Anstalt, oder: (hier hat sein Geschäft) Siegfried Cohn, (der verkauft) Wolle. Wie steht es denn aber dann, wenn man in einem Ausstellerverzeichnis lesen muß: Herr F. A. Barthel, Abteilung für Metallklammern, oder in einer Verlobungsanzeige: Herr Max Schnetger, Rosenzüchterei, mit Fräulein Luise Langbein, oder in einem Fremdenbuche: Rudolf Dahme, Kognakbrennerei, mit Gattin und Tochter, oder in einer Zeitung: Herr Gustav Böhme jun., Bureau für Orientreisen, telegraphiert uns usw.? Ist da auch die Firma gemeint?

Zum Teil ist dieser Unsinn eine Folge der Prahlsucht//* Der Deutsche sagt dazu Renommage, ein Wort, das es im Französischen gar nicht gibt!// unsrer Geschäftsleute; es will niemand mehr Gärtner oder Brauer, Tischler oder Buchbinder sein, sondern nur noch Gärtnereibesitzer, Brauereibesitzer, Tischlereibesitzer, Buchbindereibesitzer — immer großartig! Da darf natürlich die Buchbinderei auch in der Firma nicht fehlen. Zum andern Teil ist er aber doch auch eine Folge der Verwilderung unsers Sprachgefühls. W. Spindlers Waschanstalt und Gotthelf Kühnes Weinkellereien — das wäre Sprache; W. Spindler Färberei und Waschanstalt und Gotthelf Kühne Weinkellereien — das ist Gestammel. Man will aber gar nicht mehr sprechen, man will eben stammeln.


Zweifelsfall

Apposition und ihre Bildung

Beispiel
Bezugsinstanz alt, Geschäftssprache, Schriftsprache, gegenwärtig, neu, Zeitungssprache
Bewertung

das wäre Sprache, Folge der Prahlsucht, Folge der Verwilderung unsers Sprachgefühls, Geschmacklosigkeit, Gestammel, Unsinn, vernünftigerweise, vornehmer

Intertextueller Bezug