Vergleichungssätze. Als ob, als wenn
Buch | Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen |
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Seitenzahlen | 155 - 156 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Allmers - Hermann, Gesprochene Sprache, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Literatursprache |
Text |
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Zu diesen Nebensätzen, die sehr oft irrealen Sinn haben, gehören nun auch die Vergleichungssätze, die mit als ob, als wenn, wie wenn anfangen. Sehr oft kann oder muß man zu solchen Sätzen im Geiste den Gedanken ergänzen: was nicht der Fall ist oder: was nicht der Fall war, z. B.: er geht mit dem Gelde um, als ob er (was gar nicht der Fall ist) ein reicher Mann wäre. Auch diese Sätze werden in der lebendigen Sprache wie alle andern irrealen Nebensätze behandelt, d. h. in der Gegenwart stehen sie im Konjunktiv des Imperfekts, in der Vergangenheit im Konjunktiv des Plusquamperfekts. Auf dem Papier aber ist jetzt auch hier Verwirrung eingerissen. Daß sich jemand so weit verirrt, solche Sätze in den Indikativ zu setzen — z. B.: der Beschauer hat das Gefühl, als ob das Größte und Beste des Künstlers noch in der Zukunft begraben lag —, kommt allerdings selten vor.//* Romanschreiberinnen bringen freilich auch das fertig; sie schreiben: es war, als ob seit dem Einzuge der verwitweten Tochter ein unheimlicher Druck auf dem ganzen Hause lag. In einem der schönsten Brahmsschen Lieder, Feldeinsamkeit, das H. Allmers gedichtet hat, heißt es: die schönen, weißen Wolken ziehn dahin — durchs tiefe Blau wie schöne, stille Träume; — mir ist, als ob ich längst gestorben bin(!) — und ziehe(!) selig mit durch ewge Räume. Das bringt man doch beim Singen kaum über die Lippen. — Natürlich kann ein Vergleich auch als wirlich hingestellt werden, z. B. wir hörten ein Geräusch, wie wenn in regelmäßigen Zwischenräumen ein großer Wassertropfen auf ein Brett fällt, d. h. wie man es hört, wenn ein Wassertropfen fällt (Schiller im Taucher: wie wenn Wasser mit Feuer sich menget). Hier ist selbstverständlich der Indikativ am Platze.// Wohl aber drängt sich $Seite 156$ der Konjunktiv des Präsens und der des Perfekts immer öfter auch in diese Sätze, wo er schlechterdings nicht hingehört; man schreibt z. B.: er tut, als habe er schon damals diese Absicht gehabt — er sah mich verwundert an, als ob ich irre rede oder Fabeln erzähle. Es muß heißen: als hätte er — als ob ich irre redete oder Fabeln erzählte — ganz abgesehen davon, daß sich in dem zweiten Beispiel die Konjunktive der Gegenwart nicht von den Indikativen unterscheiden. Soll nicht angedeutet werden, daß der in dem Vergleichungssatze stehende Gedanke nicht wirklich sei, so kann (nach einem Präsens im Hauptsatze) der Konjunktiv der Gegenwart natürlich auch im Nebensatze stehen, z. B.: es will mir scheinen, als ob er geflissentlich die Augen dagegen verschließe — es gewinnt den Anschein, als wolle der Verfasser das sittliche Gefühl des Zuschauers absichtlich verletzen — ich habe die Empfindung, als ob ihm die Welt zuweilen recht verzerrt erschienen sei. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Schriftsprache, Allmers - Hermann, gesprochene Sprache, Literatursprache, Schiller - Friedrich |
Bewertung |
am Platze, bringt man doch beim Singen kaum über die Lippen, Es muß heißen, Frequenz/immer öfter, Frequenz/selten, weit verirrt, wo er schlechterdings nicht hingehört |
Intertextueller Bezug |