Verwechslung von Präpositionen
Buch | Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen |
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Seitenzahlen | 339 - 341 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Gegenwärtig, Alt, Neu, Schriftsprache, Zeitungssprache, Fachsprache (Rechtswissenschaft) |
Text |
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Mancherlei Verwirrung herrscht auch auf dem Gebiete der Präpositionen. So werden z. B. sehr oft durch und wegen verwechselt, obwohl sie doch so leicht auseinanderzuhalten wären, denn durch gibt das Mittel, wegen den Grund an. Da wird z. B. geschrieben: das Buch ist durch seine prachtvolle Ausstattung ein wertvolles Geschenk — die Marienkirche enthält viele durch Kunst und Geschichte bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten — der Streit ist durch seine lange Dauer von mehr als bloß örtlicher Bedeutung gewesen — durch die verkehrte Methode seines Lehrers machte er lange Zeit keine Fortschritte — Falb, der durch seine kritischen Tage vielgenannte Wetterprophet — die Mißernten bleiben dann nur noch durch Regen zu fürchten — durch körperliches Leiden ist als sicher anzunehmen, daß sie sich ein Leid angetan hat — durch sein liebenswürdiges und aufrichtiges Wesen werden wir stets seiner in Ehren gedenken. In allen diesen Sätzen muß es wegen heißen, denn man fragt hier nicht: wodurch? sondern weshalb oder warum? Ebenso werden oft für und vor, für und zu, für und über vertauscht. Früher hatte man Liebe zu jemand, faßte Neigung zu jemand, hegte Achtung vor etwas, hatte Sinn oder Interesse für etwas; jetzt gilt es für fein, das alles durch für zu erledigen: daher seine merkwürdige Neigung für alle Verkommnen und Gescheiterten — der Sozialismus hat wenig Achtung $Seite 340$ für rein geistige Arbeit. Eine Stadtgemeinde gibt Verwaltungsberichte heraus für das abgelaufne Jahr. Nein, Kalender und Adreßbücher druckt man für ein Jahr, Berichte kann man nur über ein Jahr drucken. Früher sagte man: von heute an. Jetzt liest man nur noch von heute ab, von Montag ab, vom 1. Januar ab. Warum denn ab? Man bildet sich doch nicht etwa ein, ab könne hier in dem Sinne stehen wie auf den Eisenbahnfahrplänen, wo es den Ausgangspunkt bezeichnet? Nein, es bedeutet die Richtung. Von Kindesbeinen an — das will sagen, daß der Weg von der Kindheit in die Höhe führe (vgl. hinan, bergan); noch deutlicher sagt es: von Jugend auf. Bei dem neumodischen von — ab hat man immer die Vorstellung, als ob alles, was jetzt unternommen wird, von Anfang an dazu verdammt wäre, bergab zu gehen. Besonders anstößig ist es, wie oft sich — offenbar unter dem Einflusse des Lateinischen — die Präposition in an Stellen drängt, wo sie nicht hingehört. In gutem Deutsch hat man Vertrauen zu jemand, Hoffnung auf jemand und Mißtrauen gegen jemand. Das wird jetzt alles durch in besorgt: man hat Vertrauen in die Kriegsleitung (scheußlich!), verliert die Zuversicht in sich selbst, ist ohne jedes persönliche Mißtrauen in die Behörden und setzt seine Hoffnung in die Zukunft. Ja die Juristen reden sogar von einer Vollstreckung in verschuldeten Besitz, einer Zwangsvollstreckung in Liegenschaften und verurteilen einen Angeklagten in die Kosten. Das alles ist schlechterdings kein Deutsch, es ist das offenbarste Latein. Früher ging man auch auf einem Wege vorwärts, und nur wenn einen auf diesem Wege jemand hinderte, sagte man: er tritt mir in den Weg, er steht mir im Wege, er mag mir aus dem Wege gehen. Unsre Juristen aber möchten nur noch im Wege vorwärtsgehen oder vielmehr „vorschreiten," sei es nun im Wege der Gesetzgebung oder im Wege der Verordnung oder im Wege des Vergleichs oder im Wege der Güte. Man denkt sich die Herren unwillkürlich in einer Schlucht oder einem Hohlwege stehen, „rings von Felsen eingeschlossen," wenn sie so im Wege vorschreiten. In der Juristensprache bedeutet $Seite 341$ aber doch wenigstens das Wort den eingeschlagnen Weg, das Verfahren. Wenn aber gar eine Bibliothek berichtet, daß ihr Bücher zugegangen seien im Wege der Schenkung, des Tauschs oder des Kaufs, so ist das doch völlig abgeschmackt, denn da ist doch nur von der Art und Weise die Rede: die Bücher sind ihr durch Schenkung, Tausch oder Kauf zugegangen. Die neuesten Dummheiten sind, daß man die Präposition nach gebraucht in einem Falle, wo sie nicht hingehört, und nicht gebraucht in einem Falle, wo sie hingehört. Man schreibt nicht mehr: nach der und der Zeitung oder dem und dem Telegramm ist das und das geschehen, sondern: zufolge (!) der Zeitung oder des Telegramms, als ob die Zeitung oder das Telegramm die Ursache, die Veranlassung des Ereignisses wäre! Da ist hier eine Ministerkrisis ausgebrochen, dort ein Lustschiffer verunglückt, hier beim Rennen ein Pferd gestürzt, dort ein Leprafall vorgekommen, alles zufolge von Zeitungen! Es ist zu dumm; man kann es aber alle Tage lesen. Andrerseits geht man aber nicht mehr zu Schulze, sondern nach Schulze, ja man schreibt sogar nach Schulze und schickt einen Brief nach Schulze (statt: an Schulze). In meiner Kinderzeit ging man noch zu Hause, so gut wie man zu Tisch und zu Bette ging. Dann hieß es auf einmal: zu Hause auf die Frage wohin? sei nicht fein, man müsse sagen: nach Hause. Vielleicht wird auch nach Schulze noch fein. Feine Leute schicken aber auch ihre Kinder nicht mehr in die Schule, sondern zur Schule. Geht Ihre Kleine schon zur Schule? heißt es. Da wird sie nicht viel lernen, wenn sie bloß zur Schule geht; sie muß hineingehen! |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Schriftsprache, alt, gegenwärtig, Fachsprache (Rechtswissenschaft), neu, Zeitungssprache |
Bewertung |
Frequenz/sehr oft, gilt es für fein, besonders anstößig, neueste Dummheiten, scheußlich, völlig abgeschmackt, zu dumm, Frequenz/alle Tage |
Intertextueller Bezug |