Matthias(1929) Zwei Verneinungen heben sich auf: Unterschied zwischen den Versionen
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|KapitelText=Seit Martin Opitz schrieb: ''Ob mich wohl dergleichen unbillige Widerwärtigkeiten oftermals kaum nicht'' (= ''fast immer'') ''zwinget zu sagen: vellem nescire'', ist diese Art, einen positiven Begriff durch zwei negative auszudrücken, immer beliebter geworden. Freilich dürfen selbst in dieser Weise zwei Verneinungen im Deutschen nur mit Maß angewandt werden. Man mag immerhin sagen: ''nicht ohne Bedenken, das war schwerlich unbeabsichtigt, bei Gott ist kein Ding unmöglich'' u. a., wo die eine Negation mit einem Worte wirklich eins ist. Aber mehr lateinisch und schwieriger zu verstehn ist es schon, wenn in der Nat.-Ztg. steht: ''Von den Dutzenden von Schauspielerinnen, die wir in der Rolle gesehen haben, hat keine nicht gefallen'' = ''hat jede gefallen'' oder ''keine mißfallen'', wie die Fortsetzung lehrt: ''die Rolle hebt eben ihre Trägerin''. Denn wenn die Sprache für das Gegenteil eines Begriffs ein einheitliches Wort ausgebildet hat, so soll es auch nicht oder doch nicht ohne besondern Grund durch die bloße Vorsetzung von ''nicht'' ausgedrückt werden. Also sage man ''ein uneigennütziger'', nicht ''ein nicht eigennütziger Mensch, Mißerfolg'', nicht ''Nicht-Erfolg''. Es ist kein Zufall, daß der Satz: ''Nichts nicht Lobwürdiges war zu sehen, von einem Altphilologen herrührt''. | |KapitelText=Seit Martin Opitz schrieb: ''Ob mich wohl dergleichen unbillige Widerwärtigkeiten oftermals kaum nicht'' (= ''fast immer'') ''zwinget zu sagen: vellem nescire'', ist diese Art, einen positiven Begriff durch zwei negative auszudrücken, immer beliebter geworden. Freilich dürfen selbst in dieser Weise zwei Verneinungen im Deutschen nur mit Maß angewandt werden. Man mag immerhin sagen: ''nicht ohne Bedenken, das war schwerlich unbeabsichtigt, bei Gott ist kein Ding unmöglich'' u. a., wo die eine Negation mit einem Worte wirklich eins ist. Aber mehr lateinisch und schwieriger zu verstehn ist es schon, wenn in der Nat.-Ztg. steht: ''Von den Dutzenden von Schauspielerinnen, die wir in der Rolle gesehen haben, hat keine nicht gefallen'' = ''hat jede gefallen'' oder ''keine mißfallen'', wie die Fortsetzung lehrt: ''die Rolle hebt eben ihre Trägerin''. Denn wenn die Sprache für das Gegenteil eines Begriffs ein einheitliches Wort ausgebildet hat, so soll es auch nicht oder doch nicht ohne besondern Grund durch die bloße Vorsetzung von ''nicht'' ausgedrückt werden. Also sage man ''ein uneigennütziger'', nicht ''ein nicht eigennütziger Mensch, Mißerfolg'', nicht ''Nicht-Erfolg''. Es ist kein Zufall, daß der Satz: ''Nichts nicht Lobwürdiges war zu sehen, von einem Altphilologen herrührt''. | ||
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Version vom 12. Juni 2017, 12:25 Uhr
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 408 - 408 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Fachsprache (Philosophie), Opitz - Martin, Schriftsprache, Zeitungssprache |
Text |
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Seit Martin Opitz schrieb: Ob mich wohl dergleichen unbillige Widerwärtigkeiten oftermals kaum nicht (= fast immer) zwinget zu sagen: vellem nescire, ist diese Art, einen positiven Begriff durch zwei negative auszudrücken, immer beliebter geworden. Freilich dürfen selbst in dieser Weise zwei Verneinungen im Deutschen nur mit Maß angewandt werden. Man mag immerhin sagen: nicht ohne Bedenken, das war schwerlich unbeabsichtigt, bei Gott ist kein Ding unmöglich u. a., wo die eine Negation mit einem Worte wirklich eins ist. Aber mehr lateinisch und schwieriger zu verstehn ist es schon, wenn in der Nat.-Ztg. steht: Von den Dutzenden von Schauspielerinnen, die wir in der Rolle gesehen haben, hat keine nicht gefallen = hat jede gefallen oder keine mißfallen, wie die Fortsetzung lehrt: die Rolle hebt eben ihre Trägerin. Denn wenn die Sprache für das Gegenteil eines Begriffs ein einheitliches Wort ausgebildet hat, so soll es auch nicht oder doch nicht ohne besondern Grund durch die bloße Vorsetzung von nicht ausgedrückt werden. Also sage man ein uneigennütziger, nicht ein nicht eigennütziger Mensch, Mißerfolg, nicht Nicht-Erfolg. Es ist kein Zufall, daß der Satz: Nichts nicht Lobwürdiges war zu sehen, von einem Altphilologen herrührt. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Fachsprache (Philosophie), Schriftsprache, Zeitungssprache, Martin Opitz |
Bewertung |
immer beliebter |
Intertextueller Bezug |