Matthias(1929) Umlaut: Unterschied zwischen den Versionen

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|KapitelText=Bei weitem überwiegend kommen Ableitungen dadurch zustande, daß vokalische, gewöhnlich aus Vokal und Konsonant bestehende Endungen an den durch Weglassung jeder Beugungsendung gewonnenen Stamm des Grundwortes treten. Dabei darf dessen Form im allgemeinen nicht getrübt werden; nur bewirkten Endungen, die ein ''i'' enthalten, wie ''-ling, -lich, -nis'', oder doch ehemals hatten, wie ''-er'' (''Räuber'' aus ''roubaere'', älter ''roubari'') und ''-en'' (''hären'', aus ''haerin'') und in schwachen Verben (wie ''höhnen'' = gotisch ''haunjan zu Hohn''), ehedem allgemein den Umlaut eines ''a'' des Stammes in ''ä'', eines ''o'' in ''ö, u'' in ''ü, au'' in ''äu''. So steht neben ''Ursache'' nicht nur altes ''ursächlich'', sondern auch jüngstes (1918) Erzberger als der ''Ursächer des Reichstagsschlusses''. Wenn aber außer dem jüngeren ''töricht'' die Eigenschaftswörter auf -''icht'' keinen Umlaut haben, so liegt der Grund darin, daß die Endung ehedem ''-echt'' lautete. Ähnlich ist allen älteren Eigenschaftswörtern auf ''-ig'' der Umlaut fest gegeben oder sicher vorenthalten, je nachdem das heutige ''ig'' ein altes ''ic'' ist, das gewöhnlich umlautete, oder ein altes ''ac'', das dies nicht tat. Schwache Verben haben den Umlaut, wenn zu ihrer Bildung, wie etwa bei ''höhnen, erhöhen, nähren'', ein ''i'' oder ''j'' gedient hat, andere, wie ''wandeln, verwandt'', haben ihn nicht, weil sie ohne diese Laute gebildet sind. Ganz allgemein ist der Umlaut sodann schon in alter Zeit, vor tausend Jahren, als man ihn erst bloß zu sprechen, und später, als man ihn regelmäßiger zu bezeichnen anfing, durch gewisse Mitlaute und Mitlautverbindungen gehemmt worden. Indem die Kraft dieser Verbindungen wie überhaupt die Neigung zum Ausdruck des Umlauts in den verschiedenen Mundarten verschieden groß war, kamen in unsere aus bunt durcheinander gemischtem mundartlichem Sprachgut erwachsene Schriftsprache oft umgelautete Formen von einem, Stamme neben gleich gebildeten unumgelauteten von andern Stämmen; ja häufig stehen von demselben Stamme beide Formen nebeneinander sei es in gleicher Bedeutung, sei es auch so, daß die Doppelformen, deren Verschiedenheit ursprünglich bloß auf dem verschiedenen Lautstande der $Seite 6$ sie der Schriftsprache zuführenden Mundarten beruht, verschiedene Bedeutungen angenommen haben. Endlich schwächte sich mit der in der Entwicklung unsrer deutschen Sprache besonders fühlbaren Abnahme der musikalischen Kraft der Wortgebilde und mit der steigenden Berücksichtigung des Bedeutungsgehaltes und seines Trägers, der Stammsilbe, auch die umlautende Kraft der Endungen mit ''i'' und ''j'' ab. So ist das Fehlen des Umlautes gewöhnlich ein Zeichen jüngeren Ursprungs eines Wortes oder der Ausdruck für das heimliche Walten des Sprachgeistes, das darauf gerichtet ist, die für die Bedeutung maßgebende Zugehörigkeit zum Stammworte durch die Wahrung des gleichen Klanges der Stammsilbe zu betonen.
|KapitelText=Bei weitem überwiegend kommen Ableitungen dadurch zustande, daß vokalische, gewöhnlich aus Vokal und Konsonant bestehende Endungen an den durch Weglassung jeder Beugungsendung gewonnenen Stamm des Grundwortes treten. Dabei darf dessen Form im allgemeinen nicht getrübt werden; nur bewirkten Endungen, die ein ''i'' enthalten, wie ''-ling, -lich, -nis'', oder doch ehemals hatten, wie ''-er'' (''Räuber'' aus ''roubaere'', älter ''roubari'') und ''-en'' (''hären'', aus ''haerin'') und in schwachen Verben (wie ''höhnen'' = gotisch ''haunjan zu Hohn''), ehedem allgemein den Umlaut eines ''a'' des Stammes in ''ä'', eines ''o'' in ''ö, u'' in ''ü, au'' in ''äu''. So steht neben ''Ursache'' nicht nur altes ''ursächlich'', sondern auch jüngstes (1918) Erzberger als der ''Ursächer des Reichstagsschlusses''. Wenn aber außer dem jüngeren ''töricht'' die Eigenschaftswörter auf -''icht'' keinen Umlaut haben, so liegt der Grund darin, daß die Endung ehedem ''-echt'' lautete. Ähnlich ist allen älteren Eigenschaftswörtern auf ''-ig'' der Umlaut fest gegeben oder sicher vorenthalten, je nachdem das heutige ''ig'' ein altes ''ic'' ist, das gewöhnlich umlautete, oder ein altes ''ac'', das dies nicht tat. Schwache Verben haben den Umlaut, wenn zu ihrer Bildung, wie etwa bei ''höhnen, erhöhen, nähren'', ein ''i'' oder ''j'' gedient hat, andere, wie ''wandeln, verwandt'', haben ihn nicht, weil sie ohne diese Laute gebildet sind. Ganz allgemein ist der Umlaut sodann schon in alter Zeit, vor tausend Jahren, als man ihn erst bloß zu sprechen, und später, als man ihn regelmäßiger zu bezeichnen anfing, durch gewisse Mitlaute und Mitlautverbindungen gehemmt worden. Indem die Kraft dieser Verbindungen wie überhaupt die Neigung zum Ausdruck des Umlauts in den verschiedenen Mundarten verschieden groß war, kamen in unsere aus bunt durcheinander gemischtem mundartlichem Sprachgut erwachsene Schriftsprache oft umgelautete Formen von einem, Stamme neben gleich gebildeten unumgelauteten von andern Stämmen; ja häufig stehen von demselben Stamme beide Formen nebeneinander sei es in gleicher Bedeutung, sei es auch so, daß die Doppelformen, deren Verschiedenheit ursprünglich bloß auf dem verschiedenen Lautstande der $Seite 6$ sie der Schriftsprache zuführenden Mundarten beruht, verschiedene Bedeutungen angenommen haben. Endlich schwächte sich mit der in der Entwicklung unsrer deutschen Sprache besonders fühlbaren Abnahme der musikalischen Kraft der Wortgebilde und mit der steigenden Berücksichtigung des Bedeutungsgehaltes und seines Trägers, der Stammsilbe, auch die umlautende Kraft der Endungen mit ''i'' und ''j'' ab. So ist das Fehlen des Umlautes gewöhnlich ein Zeichen jüngeren Ursprungs eines Wortes oder der Ausdruck für das heimliche Walten des Sprachgeistes, das darauf gerichtet ist, die für die Bedeutung maßgebende Zugehörigkeit zum Stammworte durch die Wahrung des gleichen Klanges der Stammsilbe zu betonen.
Einige Beispiele! Daß es z. B. heißt ''möchte, dürfte, müßte'' usw., aber wenn er nur ''wollte, sollte''! beruht auf der umlauthemmenden Wirkung der 1-Verbindungen. Daß neben jungen Bildungen wie ''Befugnis, Bewandtnis, Erfordernis, Ersparnis, Wagnis'' u. ä. auch von den älteren Bildungen, die sonst alle umgelautet sind — vgl. ''Begräbnis, Verständnis, Zerwürfnis'' — die beiden Wörter ''Erlaubnis'' und ''Verdammnis'' unumgelautet geblieben sind, beruht ebenso auf umlauthemmender Kraft, wie sie in den für beide maßgebenden oberdeutschen Mundarten b-Verbindungen gehabt haben (''Verdammnis'' ward gesprochen und oft auch geschrieben: ''verdampnis''!). Wie der Umlaut für höheres Alter, sein Mangel für verhältnismäßig späte Bildung des Wortes zeugt, lehrt z. B. ''Behälter'' neben ''Kleiderhalter, Fördernis'' neben ''Erfordernis'', ''füglich'' neben ''Befugnis, gläubig'' neben ''unglaublich, spärlich, unersättlich, kärglich'' neben ''handlich, stattlich, fraglich'' und vielen jüngeren; ''bübisch, hündisch, abgöttisch, welsch, englisch, römisch, französisch'' neben ''schnakisch, schalkisch, modisch, launisch, russisch, spanisch, nordisch, jungfräulich'' neben den ganz jungen Bildungen Fr. Gundolfs: ''fraulich große Seelen'' und: ''wegen ihrer bürgerfraulichen Tugend'' (1915), ''räuchern'' neben: ''mich rauchert'' (= verlangt zu rauchen; H. Löns 1918). Aus dem mitteldeutsch zu ''(an)mut'' gewordenen ''(ane)muot'' ist zuerst auf mitteldeutschem Boden ''mutig, anmutig'' geformt worden, während alle andern Zusammensetzungen, wie ''groß-, hoch-, ein-, klein-, wehmütig'', auf das heute nur noch in Gemüt fortlebende oberdeutsche ''muote'', dann ''müete'' zurückgehen. Wie bunt überhaupt der Einschlag der Mundarten im Gewebe der Schriftsprache gerade hinsichtlich des Umlautes durcheinandergeht, mögen noch einige Beispiele zeigen: neben mitteldeutschen Formen mit ''au'' wie ''kauen, brauen, maulen'' sind die umgelauteten mit ''äu'' wie w''iederkäuen, Bräu, vormäulig'' oberdeutscher Herkunft; umgekehrt sind neben den oberdeutschen Formen mit ''u'' wie ''nutzen, putzen, lupfen, tupfen, jucken'' die umgelauteten mit ''ü'', wie ''hüpfen, nützen''//1 Die Vorschrift, ''nutzen'' nur transitiv, ''nützen'' intransitiv zu gebrauchen, ist willkürlich; doch ist in der Zusammensetzung ''aus-, abnutzen'' die unumgelautete Form häufiger.//, nach Mitteldeutschland zuständig. Neben das alte oberdeutsche ''faltig'' von ''Falte'' im eigentlichen Sinne und das uralte ''Dreifaltigkeit'' und ''Mannigfaltigkeit'' ist in allgemeinerem Sinne in allen andern Zusammensetzungen mit Zahlen -''fältig'' getreten: ''einfältig, zwiefältig'' usw. Ähnlich hat in Zusammensetzungen wie ''silber-, gold-, fuselhaltig'' die erwähnte umlauthemmende Kraft der l-Verbindungen gewirkt, während sie in Wörtern $Seite 7$ Wie ''haushältisch'', ''haushälterisch'' dem ehedem immer umlautenden -''isch'' gegenüber nicht standhielt. Lediglich solche mundartlich verschiedene Doppelformen ohne Bedeutungsunterschied sind es denn, die in ''schlupfen'' und ''schlüpfen'', ''nutze'' und ''nütze, nutzen'' und ''nützen, tupfen'' und ''Tüpfchen'' nebeneinander stehen. Kronprinz Friedrich Wilhelm hob zuerst ''völkisch'' (= national) in die hohe Sprache hinauf; M. Fisch (H. Heine, 1916) redet von ''völkischer Größe'' und: ''volkischen Scheiden''. Wie sich anderseits der feinsinnig waltende Sprachgeist aber auch solche Doppelformen zunutze zu machen verstanden hat, um für eigenartige Begriffe auch besondere Ausdrucksmittel zu schaffen, das lehrt die Verschiedenheit der Bedeutung, die z. B. obwaltet zwischen den oberdeutschen Formen ''drucken, (Buch-)Drucker, Buckel, zucken''; ''sommern'' (Sommer werden) und den mitteldeutschen: ''drücken, Drücker, Bückling, zücken; sömmern'' (während des Sommers erhalten; [Betten] sonnen). Jung ist die Spaltung von ''sachlich'' und ''sächlich'' und ganz jung zwischen ''Buchse'' (Rohrstück für einen Zapfen) und dem allgemeinem ''Büchse''.
 
Einige Beispiele! Daß es z. B. heißt ''möchte, dürfte, müßte'' usw., aber wenn er nur ''wollte, sollte''! beruht auf der umlauthemmenden Wirkung der ''l''-Verbindungen. Daß neben jungen Bildungen wie ''Befugnis, Bewandtnis, Erfordernis, Ersparnis, Wagnis'' u. ä. auch von den älteren Bildungen, die sonst alle umgelautet sind — vgl. ''Begräbnis, Verständnis, Zerwürfnis'' — die beiden Wörter ''Erlaubnis'' und ''Verdammnis'' unumgelautet geblieben sind, beruht ebenso auf umlauthemmender Kraft, wie sie in den für beide maßgebenden oberdeutschen Mundarten ''b''-Verbindungen gehabt haben (''Verdammnis'' ward gesprochen und oft auch geschrieben: ''verdampnis''!). Wie der Umlaut für höheres Alter, sein Mangel für verhältnismäßig späte Bildung des Wortes zeugt, lehrt z. B. ''Behälter'' neben ''Kleiderhalter, Fördernis'' neben ''Erfordernis'', ''füglich'' neben ''Befugnis, gläubig'' neben ''unglaublich, spärlich, unersättlich, kärglich'' neben ''handlich, stattlich, fraglich'' und vielen jüngeren; ''bübisch, hündisch, abgöttisch, welsch, englisch, römisch, französisch'' neben ''schnakisch, schalkisch, modisch, launisch, russisch, spanisch, nordisch, jungfräulich'' neben den ganz jungen Bildungen Fr. Gundolfs: ''fraulich große Seelen'' und: ''wegen ihrer bürgerfraulichen Tugend'' (1915), ''räuchern'' neben: ''mich rauchert'' (= verlangt zu rauchen; H. Löns 1918). Aus dem mitteldeutsch zu ''(an)mut'' gewordenen ''(ane)muot'' ist zuerst auf mitteldeutschem Boden ''mutig, anmutig'' geformt worden, während alle andern Zusammensetzungen, wie ''groß-, hoch-, ein-, klein-, wehmütig'', auf das heute nur noch in Gemüt fortlebende oberdeutsche ''muote'', dann ''müete'' zurückgehen. Wie bunt überhaupt der Einschlag der Mundarten im Gewebe der Schriftsprache gerade hinsichtlich des Umlautes durcheinandergeht, mögen noch einige Beispiele zeigen: neben mitteldeutschen Formen mit ''au'' wie ''kauen, brauen, maulen'' sind die umgelauteten mit ''äu'' wie w''iederkäuen, Bräu, vormäulig'' oberdeutscher Herkunft; umgekehrt sind neben den oberdeutschen Formen mit ''u'' wie ''nutzen, putzen, lupfen, tupfen, jucken'' die umgelauteten mit ''ü'', wie ''hüpfen, nützen''//1 Die Vorschrift, ''nutzen'' nur transitiv, ''nützen'' intransitiv zu gebrauchen, ist willkürlich; doch ist in der Zusammensetzung ''aus-, abnutzen'' die unumgelautete Form häufiger.//, nach Mitteldeutschland zuständig. Neben das alte oberdeutsche ''faltig'' von ''Falte'' im eigentlichen Sinne und das uralte ''Dreifaltigkeit'' und ''Mannigfaltigkeit'' ist in allgemeinerem Sinne in allen andern Zusammensetzungen mit Zahlen -''fältig'' getreten: ''einfältig, zwiefältig'' usw. Ähnlich hat in Zusammensetzungen wie ''silber-, gold-, fuselhaltig'' die erwähnte umlauthemmende Kraft der ''l''-Verbindungen gewirkt, während sie in Wörtern $Seite 7$ Wie ''haushältisch'', ''haushälterisch'' dem ehedem immer umlautenden -''isch'' gegenüber nicht standhielt. Lediglich solche mundartlich verschiedene Doppelformen ohne Bedeutungsunterschied sind es denn, die in ''schlupfen'' und ''schlüpfen'', ''nutze'' und ''nütze, nutzen'' und ''nützen, tupfen'' und ''Tüpfchen'' nebeneinander stehen. Kronprinz Friedrich Wilhelm hob zuerst ''völkisch'' (= national) in die hohe Sprache hinauf; M. Fisch (H. Heine, 1916) redet von ''völkischer Größe'' und: ''volkischen Scheiden''. Wie sich anderseits der feinsinnig waltende Sprachgeist aber auch solche Doppelformen zunutze zu machen verstanden hat, um für eigenartige Begriffe auch besondere Ausdrucksmittel zu schaffen, das lehrt die Verschiedenheit der Bedeutung, die z. B. obwaltet zwischen den oberdeutschen Formen ''drucken, (Buch-)Drucker, Buckel, zucken''; ''sommern'' (Sommer werden) und den mitteldeutschen: ''drücken, Drücker, Bückling, zücken; sömmern'' (während des Sommers erhalten; [Betten] sonnen). Jung ist die Spaltung von ''sachlich'' und ''sächlich'' und ganz jung zwischen ''Buchse'' (Rohrstück für einen Zapfen) und dem allgemeinem ''Büchse''.
 
Das Streben, die für die Bedeutung der Ableitung maßgebende Stammsilbe rein zu erhalten, hat namentlich bei allen jüngeren Bildungen von Namen die Umlautung verhindert, vgl. ''Hallisch, hansisch, Hans Sachsisch'' neben ''sächsisch, gotisch'' neben ''Goethisch''. Ebendarauf beruht es auch, daß sehr häufig statt älterer Formen, die nur umgelautet oder mit einer nicht umgelauteten Nebenform umgingen, jetzt allein die unumgelautete Form die Herrschaft gewonnen hat, so z. B.'' behaglich'' statt ''behegelich, Gastin'' statt ''Gästin, kupfern, tannen, buchen'' neben ''hanebüchen''. Was lehrt diese geschichtliche Erwägung? Vor allem zweierlei: daß es gut ist und dem ausgleichenden Charakter der Schriftsprache entspricht, die einmal aufgenommenen Formen, hier die mit, dort die ohne Umlaut der Schriftsprache unangefochten zu wahren, und daß in ihr vor allem Neubildungen von der Einwirkung des mundartlich noch lebendigeren Umlauts am besten freigehalten werden. Daher soll in sie weder das niederdeutsche ''Pastören, Priören'' eingeschmuggelt werden, noch die mehr in Österreich zu hörenden Formen wie ''beanständet, gutveranlägt, bevormündet, ämtlich'', oder solche, wie ''törkeln'' statt ''torkeln, sömmerlich, vorsörglich, schneebällen''.
Das Streben, die für die Bedeutung der Ableitung maßgebende Stammsilbe rein zu erhalten, hat namentlich bei allen jüngeren Bildungen von Namen die Umlautung verhindert, vgl. ''Hallisch, hansisch, Hans Sachsisch'' neben ''sächsisch, gotisch'' neben ''Goethisch''. Ebendarauf beruht es auch, daß sehr häufig statt älterer Formen, die nur umgelautet oder mit einer nicht umgelauteten Nebenform umgingen, jetzt allein die unumgelautete Form die Herrschaft gewonnen hat, so z. B.'' behaglich'' statt ''behegelich, Gastin'' statt ''Gästin, kupfern, tannen, buchen'' neben ''hanebüchen''. Was lehrt diese geschichtliche Erwägung? Vor allem zweierlei: daß es gut ist und dem ausgleichenden Charakter der Schriftsprache entspricht, die einmal aufgenommenen Formen, hier die mit, dort die ohne Umlaut der Schriftsprache unangefochten zu wahren, und daß in ihr vor allem Neubildungen von der Einwirkung des mundartlich noch lebendigeren Umlauts am besten freigehalten werden. Daher soll in sie weder das niederdeutsche ''Pastören, Priören'' eingeschmuggelt werden, noch die mehr in Österreich zu hörenden Formen wie ''beanständet, gutveranlägt, bevormündet, ämtlich'', oder solche, wie ''törkeln'' statt ''torkeln, sömmerlich, vorsörglich, schneebällen''.
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|Zweifelsfall=Umlaut bei Wortbildung und Flexion
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|Bezugsinstanz=alt, neu, 20. Jahrhundert, Gotisch, Erzberger - Matthias, ursprünglich, Mundart, Schriftsprache, Sprachverlauf, oberdeutsch, gesprochene Sprache, Gundolf - Friedrich, Löns - Hermann, mitteldeutsch, Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gehobene Sprache, Heine - Heinrich, Sprachgelehrsamkeit, niederdeutsch, Österreich
|Bewertung=Frequenz/bei weitem überwiegend, bunt durcheinander gemischt, bunt, willkürlich, Frequenz/häufiger, eigenartig,
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Aktuelle Version vom 20. Juni 2017, 16:48 Uhr

Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 5 - 7

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Unsicherheit
Text

Bei weitem überwiegend kommen Ableitungen dadurch zustande, daß vokalische, gewöhnlich aus Vokal und Konsonant bestehende Endungen an den durch Weglassung jeder Beugungsendung gewonnenen Stamm des Grundwortes treten. Dabei darf dessen Form im allgemeinen nicht getrübt werden; nur bewirkten Endungen, die ein i enthalten, wie -ling, -lich, -nis, oder doch ehemals hatten, wie -er (Räuber aus roubaere, älter roubari) und -en (hären, aus haerin) und in schwachen Verben (wie höhnen = gotisch haunjan zu Hohn), ehedem allgemein den Umlaut eines a des Stammes in ä, eines o in ö, u in ü, au in äu. So steht neben Ursache nicht nur altes ursächlich, sondern auch jüngstes (1918) Erzberger als der Ursächer des Reichstagsschlusses. Wenn aber außer dem jüngeren töricht die Eigenschaftswörter auf -icht keinen Umlaut haben, so liegt der Grund darin, daß die Endung ehedem -echt lautete. Ähnlich ist allen älteren Eigenschaftswörtern auf -ig der Umlaut fest gegeben oder sicher vorenthalten, je nachdem das heutige ig ein altes ic ist, das gewöhnlich umlautete, oder ein altes ac, das dies nicht tat. Schwache Verben haben den Umlaut, wenn zu ihrer Bildung, wie etwa bei höhnen, erhöhen, nähren, ein i oder j gedient hat, andere, wie wandeln, verwandt, haben ihn nicht, weil sie ohne diese Laute gebildet sind. Ganz allgemein ist der Umlaut sodann schon in alter Zeit, vor tausend Jahren, als man ihn erst bloß zu sprechen, und später, als man ihn regelmäßiger zu bezeichnen anfing, durch gewisse Mitlaute und Mitlautverbindungen gehemmt worden. Indem die Kraft dieser Verbindungen wie überhaupt die Neigung zum Ausdruck des Umlauts in den verschiedenen Mundarten verschieden groß war, kamen in unsere aus bunt durcheinander gemischtem mundartlichem Sprachgut erwachsene Schriftsprache oft umgelautete Formen von einem, Stamme neben gleich gebildeten unumgelauteten von andern Stämmen; ja häufig stehen von demselben Stamme beide Formen nebeneinander sei es in gleicher Bedeutung, sei es auch so, daß die Doppelformen, deren Verschiedenheit ursprünglich bloß auf dem verschiedenen Lautstande der $Seite 6$ sie der Schriftsprache zuführenden Mundarten beruht, verschiedene Bedeutungen angenommen haben. Endlich schwächte sich mit der in der Entwicklung unsrer deutschen Sprache besonders fühlbaren Abnahme der musikalischen Kraft der Wortgebilde und mit der steigenden Berücksichtigung des Bedeutungsgehaltes und seines Trägers, der Stammsilbe, auch die umlautende Kraft der Endungen mit i und j ab. So ist das Fehlen des Umlautes gewöhnlich ein Zeichen jüngeren Ursprungs eines Wortes oder der Ausdruck für das heimliche Walten des Sprachgeistes, das darauf gerichtet ist, die für die Bedeutung maßgebende Zugehörigkeit zum Stammworte durch die Wahrung des gleichen Klanges der Stammsilbe zu betonen.

Einige Beispiele! Daß es z. B. heißt möchte, dürfte, müßte usw., aber wenn er nur wollte, sollte! beruht auf der umlauthemmenden Wirkung der l-Verbindungen. Daß neben jungen Bildungen wie Befugnis, Bewandtnis, Erfordernis, Ersparnis, Wagnis u. ä. auch von den älteren Bildungen, die sonst alle umgelautet sind — vgl. Begräbnis, Verständnis, Zerwürfnis — die beiden Wörter Erlaubnis und Verdammnis unumgelautet geblieben sind, beruht ebenso auf umlauthemmender Kraft, wie sie in den für beide maßgebenden oberdeutschen Mundarten b-Verbindungen gehabt haben (Verdammnis ward gesprochen und oft auch geschrieben: verdampnis!). Wie der Umlaut für höheres Alter, sein Mangel für verhältnismäßig späte Bildung des Wortes zeugt, lehrt z. B. Behälter neben Kleiderhalter, Fördernis neben Erfordernis, füglich neben Befugnis, gläubig neben unglaublich, spärlich, unersättlich, kärglich neben handlich, stattlich, fraglich und vielen jüngeren; bübisch, hündisch, abgöttisch, welsch, englisch, römisch, französisch neben schnakisch, schalkisch, modisch, launisch, russisch, spanisch, nordisch, jungfräulich neben den ganz jungen Bildungen Fr. Gundolfs: fraulich große Seelen und: wegen ihrer bürgerfraulichen Tugend (1915), räuchern neben: mich rauchert (= verlangt zu rauchen; H. Löns 1918). Aus dem mitteldeutsch zu (an)mut gewordenen (ane)muot ist zuerst auf mitteldeutschem Boden mutig, anmutig geformt worden, während alle andern Zusammensetzungen, wie groß-, hoch-, ein-, klein-, wehmütig, auf das heute nur noch in Gemüt fortlebende oberdeutsche muote, dann müete zurückgehen. Wie bunt überhaupt der Einschlag der Mundarten im Gewebe der Schriftsprache gerade hinsichtlich des Umlautes durcheinandergeht, mögen noch einige Beispiele zeigen: neben mitteldeutschen Formen mit au wie kauen, brauen, maulen sind die umgelauteten mit äu wie wiederkäuen, Bräu, vormäulig oberdeutscher Herkunft; umgekehrt sind neben den oberdeutschen Formen mit u wie nutzen, putzen, lupfen, tupfen, jucken die umgelauteten mit ü, wie hüpfen, nützen//1 Die Vorschrift, nutzen nur transitiv, nützen intransitiv zu gebrauchen, ist willkürlich; doch ist in der Zusammensetzung aus-, abnutzen die unumgelautete Form häufiger.//, nach Mitteldeutschland zuständig. Neben das alte oberdeutsche faltig von Falte im eigentlichen Sinne und das uralte Dreifaltigkeit und Mannigfaltigkeit ist in allgemeinerem Sinne in allen andern Zusammensetzungen mit Zahlen -fältig getreten: einfältig, zwiefältig usw. Ähnlich hat in Zusammensetzungen wie silber-, gold-, fuselhaltig die erwähnte umlauthemmende Kraft der l-Verbindungen gewirkt, während sie in Wörtern $Seite 7$ Wie haushältisch, haushälterisch dem ehedem immer umlautenden -isch gegenüber nicht standhielt. Lediglich solche mundartlich verschiedene Doppelformen ohne Bedeutungsunterschied sind es denn, die in schlupfen und schlüpfen, nutze und nütze, nutzen und nützen, tupfen und Tüpfchen nebeneinander stehen. Kronprinz Friedrich Wilhelm hob zuerst völkisch (= national) in die hohe Sprache hinauf; M. Fisch (H. Heine, 1916) redet von völkischer Größe und: volkischen Scheiden. Wie sich anderseits der feinsinnig waltende Sprachgeist aber auch solche Doppelformen zunutze zu machen verstanden hat, um für eigenartige Begriffe auch besondere Ausdrucksmittel zu schaffen, das lehrt die Verschiedenheit der Bedeutung, die z. B. obwaltet zwischen den oberdeutschen Formen drucken, (Buch-)Drucker, Buckel, zucken; sommern (Sommer werden) und den mitteldeutschen: drücken, Drücker, Bückling, zücken; sömmern (während des Sommers erhalten; [Betten] sonnen). Jung ist die Spaltung von sachlich und sächlich und ganz jung zwischen Buchse (Rohrstück für einen Zapfen) und dem allgemeinem Büchse.

Das Streben, die für die Bedeutung der Ableitung maßgebende Stammsilbe rein zu erhalten, hat namentlich bei allen jüngeren Bildungen von Namen die Umlautung verhindert, vgl. Hallisch, hansisch, Hans Sachsisch neben sächsisch, gotisch neben Goethisch. Ebendarauf beruht es auch, daß sehr häufig statt älterer Formen, die nur umgelautet oder mit einer nicht umgelauteten Nebenform umgingen, jetzt allein die unumgelautete Form die Herrschaft gewonnen hat, so z. B. behaglich statt behegelich, Gastin statt Gästin, kupfern, tannen, buchen neben hanebüchen. Was lehrt diese geschichtliche Erwägung? Vor allem zweierlei: daß es gut ist und dem ausgleichenden Charakter der Schriftsprache entspricht, die einmal aufgenommenen Formen, hier die mit, dort die ohne Umlaut der Schriftsprache unangefochten zu wahren, und daß in ihr vor allem Neubildungen von der Einwirkung des mundartlich noch lebendigeren Umlauts am besten freigehalten werden. Daher soll in sie weder das niederdeutsche Pastören, Priören eingeschmuggelt werden, noch die mehr in Österreich zu hörenden Formen wie beanständet, gutveranlägt, bevormündet, ämtlich, oder solche, wie törkeln statt torkeln, sömmerlich, vorsörglich, schneebällen.

Scan
Matthias(1929) 005-007.pdf


Zweifelsfall

Umlaut bei Wortbildung und Flexion

Beispiel
Bezugsinstanz alt, neu, 20. Jahrhundert, Gotisch, Erzberger - Matthias, ursprünglich, Mundart, Schriftsprache, Sprachverlauf, oberdeutsch, gesprochene Sprache, Gundolf - Friedrich, Löns - Hermann, mitteldeutsch, Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gehobene Sprache, Heine - Heinrich, Sprachgelehrsamkeit, niederdeutsch, Österreich
Bewertung

Frequenz/bei weitem überwiegend, bunt durcheinander gemischt, bunt, willkürlich, Frequenz/häufiger, eigenartig,

Intertextueller Bezug