Konjunktiv falsch statt des Indikativs

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 376 - 377

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Unsicherheit
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Im allgemeinen ist die Grenzfrage für Indikativ und Konjunktiv noch wohl geregelt, und zwar für die Fälle, in denen es zwischen beiden Aussageweisen zu wählen gilt, folgendermaßen: Weder allein das regierende Zeitwort noch gar die Konjunktion, sondern mehr als alles die subjektive oder objektive Färbung des Gedankens entscheidet für Indikativ oder Konjunktiv. (Vgl. S. 3911) und § 370 und 372). Somit wird der Indikativ — heute — unbedingt erfordert durch Wendungen, unpersönliche zumal, die einfach den Eintritt eines Ereignisses feststellen, wie es geschieht, ereignet sich und die zugehörigen Aktiven: bewirken, durchsetzen u. ä., nicht minder durch solche, die das Bestehn einer Sitte, eines Zustandes oder gar ausdrücklich die Tatsächlichkeit eines Vorganges, das Zusammentreffen des allgemeinen Urteils mit der Wirklichkeit ausdrücken: es ist Sitte, Gewohnheit, Recht, Tatsache, es ist (allgemein) bekannt, steht fest, ist gut, wer wüßte nicht? alle Welt weiß u. ä. Eben deshalb ist der Satz Behaghels: Daß, formal betrachtet, dieser Modus im Deutschen der Optativ sei, ist bekannte Tat- $Seite 377$ sache, so wenig mustergültig wie der Herders: Man weiß — allgemeine Wahrheit — daß, wenn man am emsigsten sucht, man oft am wenigsten finde (statt: findet). Auch W. Helpach durfte nicht schreiben: Es ist heute schon Erfahrung, es ist Tatbestand, daß innerhalb derselben Rasse der Schmaling psychologisch wesensanders sei als der Dralling und daß über Rassen- und Völker-, über Alters- und Standesgrenzen hinweg der Schmaling dem Schmaling, der Dralling dem Dralling wesensverwandt sei; und K. Hildebrand in der Deutschen Rundschau nicht: In diesem Sinne bleiben noch heute neun Zehntel der Menschen Kinder; und es ist gut, daß dem so sei (statt ist)//1 Es muß betont werden, nicht das regierende Verb bloß, sondern der ganze regierende Satz entscheidet: sonst geht es einem wie Andresen, der mit dem obigen Satze Herders den Goethischen gleichsetzt: Ich bin gewiß, daß dieser Druck ... Folgen haben werde, und nach dem Vorgange Adelungs auch den Gellertschen: Wisse, daß Gelehrsamkeit ohne Tugend weder für dich noch die Welt Glück sei. Aber trotz des Wortes gewiß kann mit der Formel: Ich bin gewiß besonders stark das Subjektive einer persönlichen Überzeugung hingestellt werden, und noch deutlicher drückte die Heischeform wisse aus, daß die Überzeugung des Redenden noch nicht auch die des Angeredeten ist, also nicht als allgemein oder im vorliegenden Fall anerkannte Wahrheit hingestellt werden kann!//. Bloßer Mischmasch zwischen Bedingungs- und Wunschform ist vollends die Wendung: In natürlicher Pose — wenn mir diese Contradictio erlaubt sei — steht der jugendliche Siebzigjährige da (DAZ.28).

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Matthias(1929) 376-377.pdf