Mundartliche Verrückungen des Geschlechtes

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 38 - 39

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Unsicherheit
Text

In vielen andern Fällen ein abweichendes Geschlecht einzuschwärzen, können die Mundarten verleiten, mögen sie nun bloß aus Eigenart ein anderes als die Schriftsprache belieben oder, wie überaus oft, das ältere bewahrt haben. Als Österreicher, Schweizer und Süddeutsche verraten sich Schriftsteller in Maskulinformen wie der (statt die) Asche, der (statt die) Butter, Gatter, Hummel, Schwalb, Zeug und Zwiebel, und in Neutren wie das Armbrust, Teller, das Stapel (Trentini) und dem selbst bei Fr. Th. Vischer stehenden das Bleistift; auch der Bank ist trotz Hebels Vorgange und der Barbe, das Halfter trotz dem Auerbachs in der Schriftsprache noch nicht eingebürgert. Ebenso darf sich der Niederdeutsche nicht, wie z. B. Boyen, wenn er das Kahn schreibt, in der Schriftsprache die Hinneigung zum Neutrum übermannen lassen, aus der er daheim sagt: das Koffer, Schachtel, Schüssel, Spiegel, Talg u. a., und gleich ungerechtfertigt sagt er auch der (Hals-, Arm-, Uhr-) Band und der (Hals-, Taschen-) Tuch. Die östlichen Mitteldeutschen, Lausitzer und Schlesier, neigen wieder dazu, zu schreiben: das Altar (statt der), das Bast, die Brocke (statt der Brocke[n]), die Dunst, das Dotter und Thüringer die Dotter (statt der Dotter), das Kloß, das Klotz, die Mittwoch, der (statt das) Schme(e)r. Auch das westliche Mitteldeutschland will sich das Mandel und die Rabe nicht nehmen lassen; und auch sonst tauchen bald hier, bald da aus der Mundart auf das (statt der) Alaun, die (statt der) Aufruhr, das (statt der) Block besonders im Geschäftsleben für verschiedene allerneuste Vorrichtungen zu bequemen vorübergehenden Aufzeichnungen, die Rahme (statt der Rahmen), der (statt die) Deichsel und der (statt das) Wams, das (statt der) Bratrost.

Bei einigen Wörtern ist neben dem Geschlecht auch die Form ein wenig verschieden, so bei den folgenden, deren erste Form zugleich die freilich oft kaum merklich feinere und höhere ist: der Mennig und die Mennige, der Quast und die Quaste, der Pfirsich (Mehrzahl: Pfirsiche) und die Pfirsiche (Mehrzahl: Pfirsichen), der Ritz und die Ritze, der Spalt und $Seite39$$ die Spalte, die und in der Mathematik ausschließlich und von da aus allmählich überwiegend der Scheitel.

Die Entscheidung nur für das eine Geschlecht ist wenigstens für die Schriftsprache erfolgt bei der folgenden zweiten Reihe: das Bündel//1 Trotz Scheffels Form im Trompeter: den Reisebündel.//, der Docht, der Garaus, der Lack (auch der Gummi-, Siegellack in Ausschreiben von Behörden), obwohl sich da von der niederländischen Heimat her das Neutrum noch zäher behauptet, der Käfig, die Klafter, die Pflugschar, der Schreck(en), das Rückgrat, der Sparren, auch gewöhnlich kein Hehl, selten keinen Hehl aus etwas machen.


Zweifelsfall

Substantiv: Genusvarianz

Beispiel

der Asche, die Asche, die Butter, der Butter, der Gatter, der Hummel, der Schwalb, der Zeug, der Zwiebel, das Armbrust, das Teller, das Stapel, das Bleistift, der Bank, der Barbe, das Halfter, das Kahn, das Koffer, das Schachtel, das Schüssel, das Spiegel, das Talg, der Band, der Tuch, das Altar, der Altar, das Bast, die Brocke, der Brocken, die Dunst, das Dotter, die Dotter, der Dotter, das Kloß, das Klotz, die Mittwoch, der Schme(e)r, das Schme(e)r, das Mandel, die Rabe, das Alaun, der Alaun, der Aufruhr, die Aufruhr, der Block, das Block, die Rahme, der Rahmen, der Deichsel, die Deichsel, der Wams, das Wams, der Bratrost, das Bratrost, der Mennig, die Mennige, der Quast, die Quaste, der Pfirsich, die Pfirsiche, die Pfirsiche, die Pfirsichen, die Ritze, der Ritz, der Spalt, die Spalte, der Scheitel, die Scheitel, das Bündel, der Docht, der Garaus, der Lack, der Gummi-, Siegellack, der Gummilack, der Halstuch, das Taschentuch, der Halsband, der Armband, der Uhrband, der Käfig, die Klafter, die Pflugschar, der Schreck(en), der Schreck(en), das Rückgrat, der Sparren, Hehl, Hehl, der Brocke[n] der Brocke

Bezugsinstanz Auerbach - Berthold, Behördensprache, Boyen - Hermann von, gesprochene Sprache, Geschäftssprache, Hebel - Johann Peter, Fachsprache (Mathematik), Mundart, niederdeutsch, Lausitz, Schlesien, Niederlande, Österreich, westdeutsch, mitteldeutsch, Schriftsprache, Literatursprache, Schweiz, süddeutsch, Thüringen, Trentini - Albert von, Vischer - Friedrich Theodor, alt, Mitteldeutsch, neu
Bewertung

ungerechtfertigt, ausschließlich, bequem, Eigenart, gewöhnlich, nicht, noch nicht eingebürgert, selten, ungerechtfertigt

Intertextueller Bezug


Zweifelsfall

Lexik - Grundform mit oder ohne '-e'

Beispiel

der Spalt, die Spalte, der Quast, die Quaste

Bezugsinstanz
Bewertung

feiner, höher, Frequenz/überwiegend

Intertextueller Bezug