Noch einen Schritt breiter geht die Gespreiztheit, wenn wieder im Amtsstile und danach in dem des Briefes wie überhaupt im Tone einer falschen Bescheidenheit nicht mehr gesagt wird, daß etwas geschieht, sondern daß die Ausführung nicht unterlassen, also eigentlich ausgeführt wird. Oder ist es etwas anderes als solche Doppelung der Worte, wenn eine Behörde nicht bloß nicht umhin kann oder sich verpflichtet hält darauf hinzuweisen, sondern auch nicht unterläßt zu bemerken; nicht verfehlt oder ermangelt zu betonen; sich nicht bedenkt, nicht ansteht, keinen Anstand nimmt zu erklären u. v. ä.? Dazu verbirgt sich, was das Schlimmste ist und die Seele der Sprache nur verdirbt, weil die des Volkes verderbt ist, in solchen Wendungen zugleich ein schlimmes Zeichen der Zeit, eine Furcht vor der Wahrheit, die Scheu, eine Tatsache so wie sie ist, auch ohne Umschweife gerade heraus zu sagen; und doch hat Gott die Gradheit selbst ans Herz genommen. Davon wissen freilich die nichts, welche die Schuld für Tun und Lassen auf andere schieben, indem sie ewig erklären, daß sie sich genötigt, gedrängt, außerstande sehen, veranlaßt und behindert fühlen. Eben darum dünkt es viele vorsichtiger, sich statt eines bestimmten tadelnden Ausdruckes der Verneinung eines allgemein lobenden zu bedienen, der ja immer noch beliebig aufgefaßt werden kann: da steht man nicht an, einem Werke keine tiefere Bedeutung zuzumessen, während ihm eine (jede) tiefere Bedeutung abgesprochen werden müßte. Man findet etwas nicht häßlich, sondern unschön, nicht schlecht, sondern ungut und als rücksichtsvoller Lehrer den Schüler ja nicht faul und liederlich, sondern unfleißig und von geringem Ordnungssinn. Auch unsanft, unfein und unzart sind oft nur ähnliche Ausgeburten der Zimperlichkeit; und wenn einer leichtes Spiel mit etwas gehabt hat, so könnte man ihn beleidigen, wenn man das offen ausspräche, und sagt deshalb lieber, daß er es unschwer getan habe.
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