Unterschied zwischen Haupt- und Nebensatz
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 317 - 319 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Gesprochene Sprache, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Zeitungssprache, Wissenschaftssprache, Fachsprache (Rechtswissenschaft) |
Text |
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Der Geschmack ist es auch, der, freilich mit der Rücksicht auf Deutlichkeit und Übersicht verbunden, selbst innerlich Verwandtes und in Beziehung Stehendes in Sätze zu zerlegen gebietet. Für die Wahl nun zwischen Haupt- und Nebensatz mag weiter zunächst die logisch-stilistische Vorschrift wegweisend sein, daß die Hauptsachen in Haupt-, die Nebensachen in Nebensätze kommen. Schon danach wird man den Fehler in der folgenden Reihe von Sätzen erkennen, in denen Eumäus als ein treuer Diener seines Herrn erwiesen werden soll: Obgleich das Harren auf seinen Herrn nun schon lange vergeblich ge- $Seite 318$ wesen ist, sorgt er noch immer für das ihm anvertraute Gut, und nur mit Widerwillen liefert er die verlangten Eber auf die Tische der prassenden Freier. Verrat ist es gewiß auch nicht, wenn er die Treue vom alten Herrn auf dessen geliebten Sohn überträgt; ihn betrachtet er in Odysseus' Abwesenheit als seinen Gebieter, und man sieht seine Zuneigung zu dem jungen Fürsten nie deutlicher als bei dessen Rückkehr von Pylus und Sparta. Doch deshalb ist das Bild des Vaters in seinem Herzen nicht verblaßt. "Odysseus noch immer in Bettlergestalt stellt ihn kurz vor Beginn des Kampfes auf die Probe und fragt ihn, ob er wohl seinem alten Herrn, wenn er heimkehre, gegen die Freier helfen wolle; Eumäus aber erklärt mit Leidenschaft die Rückkehr als den Wunsch seines Herzens, dessen Erfüllung ihm Körper und Arme wunderkräftig stärken würde". — Die schräggedruckten Worte passen in dieser Form nicht in den Zusammenhang, in welchem sich, dem Zwecke der Beweisführung gemäß, ein Urteil über Eumäus’ Treue an das andere reiht, während jetzt auf einmal ein Nebenumstand, aus dem ein neuer Beweis, ein neues Urteil erst gewonnen werden konnte, in die Form von Hauptsätzen gekleidet und ihnen durch aber gleichgestellt wird. Es mußte etwa heißen: Denn als Odysseus noch immer in Bettlergestalt ihn prüfend fragte, ob er wohl seinem alten Herrn helfen würde, wenn der heimkehre, da erklärte Eumäus usw. Man vergleiche noch die beiden folgenden Sätze: Oxenstierna wendet sich an den Kurfürsten von Sachsen, der die schwedische Sache verläßt, um mit dem Kaiser ... zu traktieren (Schiller), und aus einer Ztg.: Im französischen Marineressort hebt eine Periode angestrengter Tätigkeit an. Der Besuch, welchen das Nordseegeschwader in (!) Kronstadt zugedacht hat, wird aufs sorgfältigste vorbereitet, um den nordischen Besuchern der französischen Schiffe einen möglichst hohen Begriff von der Leistungsfähigkeit Frankreichs auf der See beizubringen, "was im Hinblick auf die bekannten Allianzträume der Pariser Russenschwärmer nur zu begreiflich erscheint". Hand in Hand mit diesen Vorbereitungen ... geht die Mobilmachung des Kanal- und Mittelmeergeschwader. Den ersten Satz wird nicht nur der Grammatiker tadeln, sondern jeder als fehlerhaft empfinden, weil darin von zwei Handlungen, welche für den Fortschritt der Geschichtserzählung gleich wichtig sind, die eine in einem Relativsatze ausgedrückt wird, dessen Aufgabe nach § 305 eine ganz andre ist. Die dadurch erweckte Vorstellung, als habe sich Oxenstierna an den Kurfürsten gewandt, während dieser schon die schwedische Sache verließ, wäre ausgeschlossen bei der richtigen Form: dieser aber verläßt die schwedische Sache. In dem Zeitungsabschnitte enthält gerade der schräggedruckte Relativsatz das, worin wir oben für den Stil der Abhandlung und Beweisführung das erkannt haben, was in die Form des Hauptsatzes gehört: ein Urteil über die berichteten Tatsachen. Und doch ist diese Form in dem Falle richtig; und warum? Das Urteil ist die Nebensache innerhalb einer Erzählung, in der die Mitteilung der aufeinander folgenden Ereignisse die Hauptsache ist und für alle, soweit sie gleich wichtig sind, auch dieselbe Hauptsatzform erfordert wird. Für den Stil der Abhandlungen, der Beweisführung dagegen werden diejenigen Sätze Hauptsätze, die das Urteil enthalten, daß die und die Hand- $Seite 319$ lungen, Tatsachen und Umstände unter den darzulegenden Gesichtspunkt fallen, für die darzutuende Behauptung Belege enthalten; die jene Handlungen, Tatsachen und Umstände enthaltenden Sätze dagegen werden Nebensätze, entweder auch der Form nach; oder wenn sie die Hauptsatzform behalten, müssen sie doch dem Sinne und Tone nach als untergeordnet erscheinen. Wenigstens für die Schriftsprache ist das letzte, da die lebendige Rede die Abhängigkeitsverhältnisse überhaupt viel leichter durch den Ton klarstellen kann, freilich nur möglich, wenn die Hauptsätze, welche Nebenumstände anführen, durch einen höchstbetonten Satz vorher und nachher in die rechte Unterordnung hinabgedrückt werden. Zu diesem Zwecke brauchte in dem Beispiele oben hinter den Worten: deshalb ist das Bild des Vaters in seinem Herzen noch nicht verblaßt, nur der Satz eingefügt zu werden: Dies zu erkennen, denke man nur an den Auftritt kurz vor dem Freiermorde; dann könnte es sehr wohl weitergehn: Odysseus ist mit den beiden treuen Hirten vor den Männersaal hinausgetreten und hat heimlich die Frage an sie gerichtet, ob denn wohl ihr Herr, wenn er heimkehre, auf sie zählen dürfe. Mit welcher Leidenschaft fleht da Eumäus zu Zeus um Erfüllung dieses seines Herzenswunsches und gelobt zu zeigen, welche Kraft ihm dann in Körper und Hände wachsen würde! |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Wissenschaftssprache, Fachsprache (Rechtswissenschaft), Schriftsprache, gesprochene Sprache, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Zeitungssprache, Zeitungssprache |
Bewertung |
braucht nur der Satz eingefügt zu werden, der Geschmack ist es auch, der, freilich mit der Rücksicht auf Deutlichkeit und Übersicht verbunden, gebietet, erfordert, Es mußte etwa heißen, Fehler, in die Form des Hauptsatzes gehört, jeder fehlerhaft empfinden, könnte es sehr wohl so weitergehn, passen nicht in den Zusammenhang, rechte Unterordnung, richtig, richtigen Form, wird nicht nur der Grammatiker tadeln |
Intertextueller Bezug |