Wesen des sächlichen Geschlechts - niemand anders
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
---|---|
Seitenzahlen | 37 - 37 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
---|
In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
---|---|
Genannte Bezugsinstanzen: | Vesper - Will, Gegenwärtig, Lessing - Gotthold Ephraim, Molo - Walter von, Schiller - Friedrich, Voß - Johann Heinrich, Zeitungssprache, Herzog - Rudolf |
Text |
---|
Noch jetzt hat unsere Sprache ein Gefühl für dieses Wesen ihres Neutrums, ein feineres sogar als z. B. die lateinische, die in gleichzeitiger Beziehung auf männliche und weibliche Lebewesen nur das stärkere zu setzen weiß, während wir dann richtiger eine bestimmte Geschlechtsbezeichnung vermeiden. Die Stelle des Ovid, wo er von Pyramus und seiner Geliebten Thisbe sagt: „partique dedere oscula quisque suae non pervenientia contra", hätte denn Voß nicht getreulich übersetzen dürfen: „und hefteten Küsse jeder — als ob von mehreren Jünglingen die Rede wäre! — der eigenen Seite"; und bei R. Herzog durfte eine Frau im Gespräch mit ihrem Verehrer nicht sagen: „Wir haben, jeder für seine Person, unsere Separatwünsche". Zugleich Verstöße gegen das Gesetz der Kongruenz (§ 228 ff.) enthalten die Fügungen: Er war der jüngste Sohn, elfter der Geschwister (W. Vesper) u. Form und Leben haben jedes ihre eigene Gesetzlichkeit (ZDB. 27). Musterhaft sind Sätze wie: „Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken, ob Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll; oft siegt auch keines" bei Lessing, oder wie: „Kommt alle herein, Mutter, Kinder, fürchte sich keines" bei Schiller. — Das heutige//1 Eigentlich ist dieses anders ein Teilungsgenetiv.// Sprachgefühl findet dieses Neutrum auch in einigen Zusammenstellungen wie wer-, niemand-, jemand anders, wie sich in den Formen (n)iemand(em)//2 Bei Gelegenheit sei bemerkt, daß (n)iemandem und (n)iemanden für den 3. (n)iemanden für den 4. Fall erst späte, nicht nötige Formen sind statt des für diese Fälle genügenden bloßen: niemand, jemand.// anderem, (n)ie-mand ander(e)n verrät, die für den Dativ und Akkusativ neben (n)iemand-(em)-, (n)iemand(en) anders auch möglich sind, während nur wem und wen anders üblich sind. Hart klingt daher in Molos „Luise": Es war niemand Vernünftiger da. |
Zweifelsfall | |
---|---|
Beispiel |
niemandem, jeder, elfter, jedes, ihre, keines, niemanden, wer, jemand, niemand, andern, jemanden, anderen, anderem, wem, anders, wen, jemandem, anders |
Bezugsinstanz | Herzog - Rudolf, gegenwärtig, Lessing - Gotthold Ephraim, Molo - Walter von, gegenwärtig, Schiller - Friedrich, Voß - Johann Heinrich, Vesper - Will, Zeitungssprache |
Bewertung |
klingt hart, möglich, musterhaft, nicht, üblich, Verstoß |
Intertextueller Bezug |