Wenn von den bisher gekennzeichneten Beifügungen der Vorwurf im besonderen gilt, den Friedrich der Große (De la littérature
allemande, S. 19) dem Satzbau der Deutschen überhaupt macht, daß sie
Bestimmung auf Bestimmung türmten und erst am Ende einer Seite den
Satzteil folgen ließen, von dem die ganze Wendung abhänge, so trifft die eingeschachtelten auch der von Lessing (Laokoon XVIII) ausgesprochene Tadel, daß das wichtigste Wort nachschleppt und seine Unkenntnis es nur zu einem schwanken, wirren Bilde kommen läßt. Selbst wem aber diese feineren Gegengründe nicht fühlbar sind, dem wird bei solchen Einschachtelungen das enge Band zwischen Geschlechts- oder Verhältniswort und Hauptwort fast immer für das Ohr, oft auch für das Auge zerplatzen, so über die Maßen wird es zerdehnt. Das gilt schon für Jensens Fügung: Die Netze bildeten einen ständigen, mehr oder minder zerrissenen, Salzgeruch ausbreitenden, schwärzlichen Kranz; wie viel mehr für die längere v. Hörmanns mit lauter gleichmäßigen Formen: Der Anblick so einer wie die Kugel aus dem Rohr heraussausenden, donnernden, krachenden und knirschenden, von Schneerauch eingehüllten und von Staubwirbeln und schneidend scharfen Windstößen begleiteten Lawine! Der Feind solcher Unnatur freut sich ordentlich, wenn einen so geschmacklosen Satzkünstler das verdiente Schicksal ereilt, daß er selber, beim Schlußworte angekommen, von dem ersten, das doch durch dieses bestimmt wird, nichts mehr weiß und aus der Fügung fällt. So ein Musikkritiker: Das reiche Vermächtnis seiner Serenaden ... hätte einen weit passenderen Stoff geliefert als das zwar sehr edel gedachte und ebenso musterhaft ausgeführte wie deklamierte, aber gar zu knapp in seiner Form hingestellte, allzu grau in grau gefärbte, weil mehr in das Bereich abstrakter Reflexionsmusik zu verweisende als innerhalb schöner Formen ein reiches Gedankenleben, also Volkmanns stärkste Seite herausstellende „die Nacht“ überschriebene Phantasie für Altsolo und Orchester. Das entsetzliche Beispiel enthält zugleich einen zweiten Fehler, der bei solcher Ausdehnung der Beifügungen leider nicht mehr selten und doch ein Widerspruch ist: in eine Beifügung, also eine nebensächliche Angabe gemeinhin einer (stehenden oder vorübergehenden) Eigenschaft wird ein Satz eingeschoben, der eine Ent- $Seite 258$ wicklung, verschiedene Zeiten angibt, z. B. die zukünftige als Absichtssatz, die vergangene oft als Zeit- und als begründender Satz. Man höre nur: Nach zweistündigem, wohl etwas ermüdenden (!) und, um sich an den scharfen Felskanten nicht die Hände zu verwunden, sehr vorsichtigen Bergklettern. In einer anderen Ztg. steht noch schöner zu lesen: Der von dem Versuche, eine bekannte, nicht zu politischen Zwecken bestimmte Versammlung dazu zu mißbrauchen, den damaligen Prinzen Wilhelm für die kirchlich-politische Reaktion mit Beschlag zu belegen und ihn politisch zu isolieren, an bis in die neuste Zeit mit der größten Zähigkeit festgehaltene Plan. Selbst ein Gelehrter wie Deussen mutet uns folgende Schachtelung zu: Nach Lukas sollen Jesu Eltern bei Gelegenheit des nach Verbannung des Archilaus vom syrischen Legaten P. Sulpicius Quirinius i. J. 7. p. (!) Chr., wo Jesus schon mindestens 7 Jahre alt war, veranstalteten Zensus gezwungen worden sein, die weite Reise von Nazareth nach Bethlehem zu machen. Die Sache wird auch dadurch nicht gebessert, daß man solche einen Satz enthaltende Beifügung zerreißt und das übergeordnete Wort zwischen beide Teile einkeilt, wie Th. Ziegler in dem Satz: Mit diesem von der Aussicht getragenen Unterricht, daß in dem jungen Menschen die eigne Kraft geweckt werden müsse (statt: mit diesem Unterricht, der von der Aussicht getragen ward, daß oder: Mit der diesen Unterricht tragenden Aussicht, daß ....), stand die erzieherische Seite der Akademie in grellstem Widerspruch.
|