e als Zeichen der Zusammensetzung

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche
Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 19 - 19

Nur für eingeloggte User:

Unsicherheit
Text

Ähnlich weich, freilich ohne den falschen Glanz, Dichtern abgeborgt zu sein, erscheinen uns auch besonders mitteldeutsche, sächsische und schlesische Formen mit einem e zwischen Grund- und Bestimmungswort, wo es im allgemeinen fehlt, gleichviel ob der biedere Sachse von Mittewoche oder einer in Grimms Märchen von Pfannekuchen oder ein Drömlingspfarrer vom Schlachtefest redet. Aber einfach vorzuschreiben, Badarzt, Pfleganstalt, Sterbfall, Wegordnung, weil man nicht Heileanstalt sage, geht auch nicht an. Das Gesetz, daß das Bestimmungswort eigentlicher Zusammensetzungen — und solche liegt bei Wörtern mit verbalem erstem Teile immer vor — im Stamme erscheine, ist nämlich nicht buchstäblich vom Standpunkte der heutigen Sprache zu verstehen, auf dem freilich die Stämme von baden und pflegen so gut bad-, pfleg- heißen, wie von fallen und fahren fall- und fahr-. Erstens hat aber bei schwachen Verben bisweilen der ursprüngliche Bildungsvokal als Erinnerung eine hinterlassen//1 Vgl. das § 18 über Gänsebrust Gesagte.//, so gleich in Zeigefinger, Pflegeanstalt. Sodann wird das Sprachgefühl öfter durch ein neben dem Verbum stehendes Substantivum auf e veranlaßt, dieses zugleich oder gar mehr zu berücksichtigen, wie bei Ruheplatz, Plag(e)geist, Scheidewand. Weiter gibt es viele sogenannte Heischeformen, für deren ersten Bestand, die Befehlsform, das e gerade das Erkennungszeichen ist, so Habedank, Wage-, Wendehals. Endlich birgt manch solches e den Rest des im allgemeinen freilich längst verloren gegangenen Zeichens der echten Zusammensetzung, eines alten a, und dies nicht nur in verbalen Zusammensetzungen wie Lesebuch, Sterbezimmer, sondern auch bei derartigen Substantivischen: Herzeleid, Hagestolz, Tagebuch, Badegast, Hundehütte. Eine dieser vier Entstehungsarten, dazu noch das Streben nach Wohllaut, das zwei hart aneinanderstoßende Stammsilben auseinanderhalten, vor allem aber die tönenden (weichen) Mitlaute (Weideplatz, Hebefest, Hegemeister, naseweis) erhalten sehen will, werden es dann rechtfertigen, wenn Schriftsprache und mittel- und norddeutsche Redeweise oft ein e haben, wo es die härtere süddeutsche ausstößt, so z. B. in Wartesaal, -halle, Haltestelle, Speisesaal. Deshalb ist nicht jede süddeutsche kürzere Form für die Schriftsprache verpönt, und ein Tiroler Landschaftsschilderer hat z. B. bei Schlittweg zur Seite Fahrweg, bei Reb- statt Rebengänge Goethes Vorgang und bei Rückkorb die auch in Rückgrat erhaltene kürzere Form zur Rechtfertigung. Durchaus herrschend ist die kurze Form in den Zusammensetzungen mit Elbe: Elbhöhen, Elbsandstein(gebirge) u. v. a. Aber W. Bölsches weicher Farbton ist, da hier nicht das Eigenschaftswort -farb vorliegt, so hart, wie seine Plakatensäule nach § 18 geradezu falsch gebildet ist//2 Sprachgeschichtlich behandelt die Frage „Bad-Arzt oder Bade-Arzt"? auch K. Scheffler, Ztschr. des Deutschen Sprachvereins 1908, S. 458 f.//.


Zweifelsfall

Wortbildung: Fugenelemente

Beispiel

Mittewoch, Pfannekuchen, Wegordnung, Sterbfall, Pfleganstalt, Badarzt, Schlachtefest, Heileanstalt, Zeigefinger, Pflegeanstalt, Ruheplatz, Plaggeist, Plagegeist, Scheidewand, Habedank, Wagehals, Wendehals, Lesebuch, Sterbezimmer, Herzeleid, Hagestolz, Tagebuch, Badegast, Hundehütte, Wartesaal, Wartehalle, Haltestelle, Speisesaal, Schlittweg, Fahrweg, Rebgänge, Rebengänge, Rückkorb, Rückgrat, Elbhöhen, Elbsandstein, Elbsandsteingebirge, Farbton, Plakatensäule, Gänsebrust, Bad-Arzt, Bade-Arzt

Bezugsinstanz alt, Drömling, Kirchensprache, Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Jacob, Grimm - Wilhelm, mitteldeutsch, mitteldeutsch, norddeutsch, Sachsen, Sachsen, Schlesien, Schriftsprache, süddeutsch, Tirol, Literatursprache, ursprünglich, Bölsche - Wilhelm
Bewertung

das Streben nach Wohllaut wird es dann rechtfertigen, Frequenz/durchaus herrschend, hart, härter, nicht für die Schriftsprache verpönt, ohne falschen Glanz, weich

Intertextueller Bezug K. Scheffler: Zeitschrift des Deutschen Sprachvereins 1908, S. 458 f.