Matthias(1929) Wer und der: Unterschied zwischen den Versionen
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|KapitelText=In der Natur des männlichen Geschlechtes, das sich auf solche allgemeine Für- und Eigenschaftswörter wie auf Sätze $Seite83$ nicht beziehen kann, liegt es, daß der Gebrauch von ''wer'' eingeschränkter ist als der von ''was''. Es ist nicht einmal üblich nach vorausgehenden unbestimmten Zahl- und Fürwörtern: ''der(jenige), einer, mancher, jeder, kein, niemand'', die aus der Allgemeinheit zwar nicht sachlich, aber doch nach Zahl und Form bestimmt nur einen herausheben und deshalb bloß ''der'' (und ''welcher'') nach sich haben. Also nicht: ''die Schilderungen muß jeder gelesen haben, wer'', sondern: ''der die Geschichte jener Tage schreiben will''. Selbst wenn kein solches Beziehungswort vorausgeht, ist nur ''der'', nicht ''wer'' am Platze, sobald der Relativsatz die Umschreibung für ein bestimmtes Einzelwesen ist, wofür es kein belehrenderes Beispiel gibt als immer wieder die Verse aus Goethes Mignon: ''Nur wer die Sehnsucht kennt'' (das sind viele), ''weiß was ich leide''; aber: ''der mich liebt und kennt'' (nur ein Bestimmter), ''ist in der Weite''. Nur dann steht in diesem Falle ''wer'', wenn die durch den Relativsatz bezeichnete Person zwar ein Einzelwesen ist, aber eines, von dem es noch nicht festgestellt, noch fraglich ist, ob es mit jener Person sich deckt; woran man denn noch recht deutlich fühlt, wie das rückbezügliche ''wer'' aus dem fragenden herausgewachsen ist. So heißt es in Grimms Märchen: ''Wer aber herein kam, das war der Wolf.'' (Lebhafter gelesen: ''Wer aber herein kam? — das war der Wolf'') und oft genug in den Spalten der Zeitungen: ''Wer mir den Täter so anzeigt, daß ich ihn gerichtlich belangen kann, erhält 50 M. Belohnung ''//* Ebenso fein ist der Wechsel zwischen beiden Wörtchen in der Stelle von „Wallensteins Lager 880 ff.: ''wenn hier in dem Streite, wer sie bezahle, der Arkebusier sagt: Und der uns bezahlt, das ist der Kaiser, der Trompeter aber wer uns nicht bezahlt, das ist der Kaiser'', so klingt da in dem ''wer'' die Unsicherheit der Entscheidung und — wieder die Entstehung aus der Frage durch!//. | |KapitelText=In der Natur des männlichen Geschlechtes, das sich auf solche allgemeine Für- und Eigenschaftswörter wie auf Sätze $Seite83$ nicht beziehen kann, liegt es, daß der Gebrauch von ''wer'' eingeschränkter ist als der von ''was''. Es ist nicht einmal üblich nach vorausgehenden unbestimmten Zahl- und Fürwörtern: ''der(jenige), einer, mancher, jeder, kein, niemand'', die aus der Allgemeinheit zwar nicht sachlich, aber doch nach Zahl und Form bestimmt nur einen herausheben und deshalb bloß ''der'' (und ''welcher'') nach sich haben. Also nicht: ''die Schilderungen muß jeder gelesen haben, wer'', sondern: ''der die Geschichte jener Tage schreiben will''. Selbst wenn kein solches Beziehungswort vorausgeht, ist nur ''der'', nicht ''wer'' am Platze, sobald der Relativsatz die Umschreibung für ein bestimmtes Einzelwesen ist, wofür es kein belehrenderes Beispiel gibt als immer wieder die Verse aus Goethes Mignon: ''Nur wer die Sehnsucht kennt'' (das sind viele), ''weiß was ich leide''; aber: ''der mich liebt und kennt'' (nur ein Bestimmter), ''ist in der Weite''. Nur dann steht in diesem Falle ''wer'', wenn die durch den Relativsatz bezeichnete Person zwar ein Einzelwesen ist, aber eines, von dem es noch nicht festgestellt, noch fraglich ist, ob es mit jener Person sich deckt; woran man denn noch recht deutlich fühlt, wie das rückbezügliche ''wer'' aus dem fragenden herausgewachsen ist. So heißt es in Grimms Märchen: ''Wer aber herein kam, das war der Wolf.'' (Lebhafter gelesen: ''Wer aber herein kam? — das war der Wolf'') und oft genug in den Spalten der Zeitungen: ''Wer mir den Täter so anzeigt, daß ich ihn gerichtlich belangen kann, erhält 50 M. Belohnung ''//* Ebenso fein ist der Wechsel zwischen beiden Wörtchen in der Stelle von „Wallensteins Lager 880 ff.: ''wenn hier in dem Streite, wer sie bezahle, der Arkebusier sagt: Und der uns bezahlt, das ist der Kaiser, der Trompeter aber wer uns nicht bezahlt, das ist der Kaiser'', so klingt da in dem ''wer'' die Unsicherheit der Entscheidung und — wieder die Entstehung aus der Frage durch!//. | ||
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Version vom 2. März 2017, 14:53 Uhr
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Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 82 - 83 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Grimm - Jacob, Goethe - Johann Wolfgang, Schiller - Friedrich, Grimm - Wilhelm, Zeitungssprache |
Text |
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In der Natur des männlichen Geschlechtes, das sich auf solche allgemeine Für- und Eigenschaftswörter wie auf Sätze $Seite83$ nicht beziehen kann, liegt es, daß der Gebrauch von wer eingeschränkter ist als der von was. Es ist nicht einmal üblich nach vorausgehenden unbestimmten Zahl- und Fürwörtern: der(jenige), einer, mancher, jeder, kein, niemand, die aus der Allgemeinheit zwar nicht sachlich, aber doch nach Zahl und Form bestimmt nur einen herausheben und deshalb bloß der (und welcher) nach sich haben. Also nicht: die Schilderungen muß jeder gelesen haben, wer, sondern: der die Geschichte jener Tage schreiben will. Selbst wenn kein solches Beziehungswort vorausgeht, ist nur der, nicht wer am Platze, sobald der Relativsatz die Umschreibung für ein bestimmtes Einzelwesen ist, wofür es kein belehrenderes Beispiel gibt als immer wieder die Verse aus Goethes Mignon: Nur wer die Sehnsucht kennt (das sind viele), weiß was ich leide; aber: der mich liebt und kennt (nur ein Bestimmter), ist in der Weite. Nur dann steht in diesem Falle wer, wenn die durch den Relativsatz bezeichnete Person zwar ein Einzelwesen ist, aber eines, von dem es noch nicht festgestellt, noch fraglich ist, ob es mit jener Person sich deckt; woran man denn noch recht deutlich fühlt, wie das rückbezügliche wer aus dem fragenden herausgewachsen ist. So heißt es in Grimms Märchen: Wer aber herein kam, das war der Wolf. (Lebhafter gelesen: Wer aber herein kam? — das war der Wolf) und oft genug in den Spalten der Zeitungen: Wer mir den Täter so anzeigt, daß ich ihn gerichtlich belangen kann, erhält 50 M. Belohnung //* Ebenso fein ist der Wechsel zwischen beiden Wörtchen in der Stelle von „Wallensteins Lager 880 ff.: wenn hier in dem Streite, wer sie bezahle, der Arkebusier sagt: Und der uns bezahlt, das ist der Kaiser, der Trompeter aber wer uns nicht bezahlt, das ist der Kaiser, so klingt da in dem wer die Unsicherheit der Entscheidung und — wieder die Entstehung aus der Frage durch!//. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel |
was, der(jenige), einer, mancher, kein, niemand, der, welcher, jeder, die Schilderungen muß jeder gelesen haben, wer die Geschichte jener Tage schreiben will, die Schilderungen muß jeder gelesen haben, der die Geschichtejener Tage schreiben will, wer, der, wer |
Bezugsinstanz | Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Jacob, Grimm - Wilhelm, Schiller - Friedrich, Zeitungssprache |
Bewertung |
eingeschränkter, Frequenz/nicht üblich, Frequenz/oft genug, lebhafter, Unsicherheit der Entscheidung |
Intertextueller Bezug |