Zu den häufigsten Beisätzen gehören die mit als und wie angeschlossenen. Man hat zu unterscheiden den eng an das Bestimmungswort angeschlossenen Beisatz: ,Goethes Bedeutung als des Dichters des Faust', und die weitere in der Satzaus-sage: ,Goethe erwies sich als treuester Freund.' Ein lehr-reiches Beispiel, wie der engere Beisatz auf keinen Fall ge-fügt werden darf, ist der berühmte Satz eines einst berühmten Schriftstellers, der sich selbst eine führende Stellung unter den Meistern der Sprache beigemessen: ,Meine Jugendjahre verflossen mir als Berliner Schusterjunge', nicht etwa als Witz, sondern als voller Ernst beabsichtigt. — ,Mir als älte-ster Hauptmann steht es zu ..' Unbedingt falsch, ,mir als ältestem Hauptmann' muß es heißen. — ,Wir huldigen dem alten Kaiser als Held des Krieges von 1870.' Nein, als Helden oder dem Helden.
So einfach liegt die Frage dieser Beisatzfügung leider nicht immer. ,Goethes Stellung als dramatischer Dichter ist zu fest begründet ..' Muß es nicht regelrecht heißen: ,.. als dramatischen Dichters'? Früher wurde in allen solchen Fällen die genau übereinstimmende Beugung von den Sprachmeistern vorgeschrieben, und die strengsten unter den neueren fordern sie noch heute. Sie läßt sich nicht mehr durchsetzen: der Sprachgebrauch hat sich gewandelt, mit ihm das Sprachgefühl fürs Richtige. Die Auffassung des Verhältnisses solcher Bei-sätze zum Bestimmungswort ist läßlicher geworden, hat sich von dem strengen lateinisch-griechischen Vorbilde freigemacht und betrachtet den Beisatz als einen freischwebenden. ,Stel-lung als dramatischer Dichter' rückt zu einem Begriff zu-sammen, und der 1. Fall. gilt für alle seine Glieder. — ,Seine Anstellung als Lehrer' wäre nach der ,Logik': als die eines Lehrers; so aber denkt und fühlt der Sprechende nicht, sondern ihm erscheint der gleiche Fall für beide Begriffs-glieder als das Natürlichere und Bequemere; er kann dabei in demselben sprachlichen Gleise bleiben, und so stellt sich innerlich die Gleichheit der Form doch wieder her, die äußer-lich aufgehoben schien. Der wahren Sprachvernunft, die sich nicht an den Buchstaben klammert, geschieht auch damit$Seite 260$Genüge. Man fasse z. B.: ,die Einverleibung eines eroberten Gebietes als Landesteil' so auf, daß ,Einverleibung als Landes-teil' ein Begriff ist, der nur äußerlich durch zwei mit als verbundene Wörter ausgedrückt wird, denke sich statt dessen ein zusammengesetztes Hauptwort, und die Fügung mit dem 1. Fall nach als ist in Ordnung. Etwas Ähnliches scheint dem Sprachgefühl vorzuschweben, sonst würden sehr gute Schreiber in solchen Fällen nicht so oft von der ihnen be-kannten und bewußten Grundregel der Fallgleichheit ab-weichen. ,Bismarck hat in seiner Stellung als Gesandter ..' (nicht: Gesandten oder eines Gesandten) ist nicht mehr zu beanstanden; im Gegenteil, die beiden andern Fassungen wären hart und schlecht.
Wird die Begriffseinheit dadurch zerrissen, daß zum Bei-satz eine wichtige erweiternde Bestimmung tritt, so ändert sich das Sprachbedürfnis, mit ihm der Sprachgebrauch, ein Be-weis für die Richtigkeit der obigen Begründung. ,Goethes Schaffen als ein Dichter, der seine Anregungen nur aus dem Leben schöpfte ..' wird als brüchig empfunden; der Sinn für das innere Gefüge fordert hier die Übereinstimmung mit dem äußern, also: .. als eines Dichters.
Wie leicht die engeren Beisätze mit als zu Mißverständ-nissen durch Doppeldeutigkeit führen können, sehe man aus folgenden Beispielen und lasse sich warnen. ,Wenn man von Goethe als Kritiker sprechen will, so ..' Da Goethe selbst Kritiker war, so weiß man beim ersten Lesen nicht mit zweifel-loser Sicherheit, ob Goethe oder ,man' der Kritiker sein soll. Fast ebenso: ,Wer von Herder als Prediger spricht ..' Auch hier bietet unsre Sprache mehr als ein Mittel, jede selbst nur augenblickslange Doppeldeutung zu vermeiden, besonders das nicht genug gewürdigte der Wortstellung: ,Wenn man als Kritiker, als Prediger ..' sind eindeutig. Soll aber Goethe der Kritiker sein, was ist einfacher, als zu schreiben: ,Wenn man von dem Kritiker Goethe .., Wenn man von Goethe dem Kritiker ..'?
Es gibt in Goethes Tasso (Antonio, 2, 5) ein berühmtes Verspaar, das die sprachliche Untersuchung herausfordert:
Als Menschen hab' ich ihn vielleicht gekränkt, Als Edelmann hab' ich ihn nicht beleidigt.
Nicht jedem Leser wird der unstreitig richtige Sinn des zweiten$Seite 261$Verses beim ersten Lesen aufgehen: ,als Edelmann' kann sprachlich der 1. oder der 4. Fall sein, und der Gedanke, daß auch Tasso Edelmann sii, liegt nicht jedem Leser im Augen-blick so nahe wie der an den adligen Antonio.
Bei der Zeitwörtergruppe erweisen, beweisen, zeigen, be-kennen, bewähren usw. ist auf einen notwendigen Unterschied des Sinnes zu achten, der vom Beugungsfall des Wortes nach als abhängt. ,Er hat sich als dein bester Freund er-wiesen': war er's schon und hat er sich jetzt wieder als solcher (nicht solchen!) bewährt; oder wußtest du's zuvor nicht, und er hat sich dir jetzt als solchen (nicht solcher!) erwiesen? Allgemeine Bedeutungsregel: der 1. Fall, weil er die Gleich-heit zwischen Träger und Aussage des Satzes darstellt, spricht aus, daß der Träger sich auch jetzt als der (nicht den) immer Gleiche gezeigt hat; der 4. Fall, daß seine Eigenschaft bis jetzt unerwiesen oder unbekannt war und erst jetzt bewiesen und erkannt wird. Welche Feinheit unsrer Sprache, und mit wie einfachen Mitteln! Und welche andre Feinheit: diese zwei Fügungen gelten nur für rückbezügliche Zeitwörter, also für solche, die keine feststehende Wahrheit aussprechen, sondern das Tun oder Urteil des Handelnden oder Sprechenden selbst und über sich maßgebend sein lassen. ,Diese Handlung er-wies ihn als den Mann ..', selbstverständlich nur 4. Fall; aber: ,Durch diese Handlung erwies er sich als der oder den Mann ..' Und solche Feinheit unsrer wundersamen Mutter-sprache sollten wir unachtsam verkommen lassen? Also: ,Er erwies sich (wieder) als wirksamer Redner' (der er immer gewesen); ,Er erwies sich schon in seiner Jungfernrede als wirksamen Redner' (als den man ihn noch nicht gekannt hatte).
In Beisätzen mit wie sind die Fügungen mit dem 1. Fall und die mit dem Fall des Bestimmungswortes gleich gut, und es besteht keine Regel, daß Gleichheit der Beugung herr-schen muß. ,In einem Falle wie diesem' (oder dieser!) gilt nicht das griechisch-lateinische, sondern das deutsche Fügungs-gesetz, das uns eine sehr nützliche Freiheit läßt. In dem soeben benutzten Beispiel ziehe ich diesem vor, aber nicht aus einem Grunde der Fügung, sondern des Wohlklangs: das Ohr könnte Anstoß nehmen an dem zu jähen Wechsel der Fallbeugung hart nacheinander. Falsch wäre dieser nicht: der 1. Fall steht in einer gedachten und zulässigen Abkürzung: in einem Falle, wie dieser einer ist. Man braucht nicht ein-$Seite 262$mal durch Beistriche anzudeuten, daß hier ein abgekürzter Zwischensatz gemeint ist; der deutschen Sprache sind solche abgekürzte Nebensätze so geläufig, daß der unbefangene Leser, der selber (nicht selbst!, vgl. S. 144) in der Rede so spricht, den 1. Fall ohne weiteres richtig erfaßt. Auch hier sind die klassischen Sprachen starrer und fordern durchaus die Gleich-heit der Beugung, und von ihnen ausgehend solche deutsche Sprachmeisterer, die nicht aus der Sprache selbst, sondern auf ihrer Gelehrsamkeit fußen. Schopenhauer schreibt mit voller Absicht: ,Bei einem Werke wie meines (ist) ..' Schiller: ,Diese Milde steht großen Seelen an wie du und ich' (sind). — In einem Falle wie diesem (!): ,Er sah sie bleich wie der Tod' (so bleich, wie der Tod ist) würde den Tod gradezu falsch klingen, und in: ,Man sah ihn wie ein begossener Pudel abziehen' werden die Meisten gleichfalls den 1. Fall bevor-zugen. — ,In Zeiten wie den jetzigen' und ,.. die jetzigen' (sind) dürfen als gleichwertig gelten; dagegen sprechen gute Gründe für: ,Wir sehen dies an vielen Berufen wie dem Lehrer, dem Künstler.' Nach längerem Abwägen wählte ich für einen Satz von mir diese Fassung: ,Bei einer so vor-nehmen Gelegenheit wie einer Fahrt nach Amerika.' Den Ausschlag gibt die größere oder geringere Möglichkeit, den Ausdruck mit wie nur als Beisatzwort oder als abgekürzten Nebensatz aufzufassen.
Hierher gehört noch die Frage nach der Behandlung von Beisätzen ohne als und wie in Fällen wie diesen (!): ,Ich wandte mein Pferd und verließ sie weinend' (Goethe, Dich-tung und Wahrheit). Wer weinte, er oder sie? Die Stelle ist entschieden doppeldeutig. — ,Auf einer Reise durch Frankreich begriffen, hat es Gott gefallen, unsern Sohn ab-zuberufen.' Man stutzt, lacht, sagt: Ach so!, weiß aber, wie man mit dem Schreiber dran ist. — ,In die Heimat zurück-gekehrt, begrüßten ihn seine Mitbürger. — Auf die Stuhl-lehne gestützt, richteten sich seine Augen auf die Eintretende. — An bessere Verhältnisse gewöhnt, bewilligten ihm seine Verwandten eine Unterstützung. — Weil völlig verarmt, ge-währte ihm die Akademie ein kleines Jahresgehalt.' Daß diese Sätze schief und krumm sind, begreift der Leser; auch daß die Verrenkungen von einem Fehler der Beisatzfügung, besonders der Satzstellung, herrühren. Die Schreiber, die solche Fehler begehen, verdanken sie der Fügung der klassischen$Seite 263$Sprachen und der Nichtbeachtung des tiefen Unterschiedes ihrer und unsrer Ausdrucksformen.
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