Hoffnung auf Besserung

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 458 - 459

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Unsicherheit
Text

Doch liegt in Wirklichkeit die Sache unserer Sprache noch nicht so verzweifelt. Klagen vollends und Gehenlassen, die Mittel, auf die heute in andern Dingen gerade die Besten verfallen, sind hier am wenigsten geeignet, die vorhandenen Schäden abzustellen. Drum frisch weiter gekämpft den Kampf für ein sauberes Gewand an immer mehr, an möglichst vielen, auch den alltäglichen Gestaltungen deutschen Geistes. Wer dazu außer dem im Guten der Sache selbst liegenden Triebe noch andere, von außen kommende Ermutigung bedarf, dem fehlt überdies auch solche nicht. Gerade in den letzten Jahrzehnten sind die Werke über Sprachrichtigkeit in größerer Anzahl als je vorher nicht nur erschienen, sondern auch gekauft worden. Der Deutsche Sprachverein, dessen Bestrebungen oft genug verkannt und in einem kleinlichen und unverständigen Kampfe gegen Fremdwörter gesucht worden sind, hat kraftvoll dazu beigetragen, das deutsche Sprachgewissen aufzurütteln. Alle Arten von Tagesblättern und Monatsschriften halten ihre Spalten immer öfter für Auseinandersetzungen über Fragen deutscher Wort- und Satzfügung offen und tun es damit ihren Lesern zu Dank. Möchten deren doch viele, nun sie schon in Amt und Würden sind, wenigstens nachträglich und dosenweise den richtigen Gebrauch der Muttersprache lernen, über den genügenden Aufschluß zu geben der tastende, unsichere und unklare Deutschunterricht auch der höheren Schulen meist immer noch versäumt. Glücklicherweise dürfen diese Nachlernenden wenigstens hoffen, daß ihre Kinder die nötige Einsicht auch hierin zu günstigerer Zeit erhalten werden; denn immer häufiger werden an zuständigen Stellen dahingehende Forderungen erhoben. Prüfungskommissionen der Hochschulen und andere ähnliche Körperschaften haben schon oft das mangelhafte Ausdrucksvermögen ihrer Prüflinge beklagt. Prüfungskommissare für Mittelschulen haben sich erfreulicherweise nicht damit begnügt, in diese Klage einzustimmen und den Rückschritt in den Leistungen des deutschen Aufsatzes während der letzten Jahrzehnte zu bestätigen, sondern haben auch begonnen, auf Mittel zur Besserung hinzuweisen. Berufene Wegweiser auf dem Gebiete des deutschen Unterrichts dringen die einen darauf, daß gerade dieser wichtigste und nationalste Bildungszweig in anschaulichster und naturgemäßester Weise gepflegt werde, und andre eifern mit gleichem Rechte dagegen, daß noch länger alle Übungen in deutscher Wort- und $Seite 459$ Gebrauche der Muttersprache anzuleiten; und am Ende desselben Jahres erhob er an vernehmbarerer Stelle seine Klage über das Mißverhältnis in der Wertschätzung des lateinischen und des deutschen Aufsatzes. Im „freien" Reiche hat der Kultusminister des größten Gliedstaates, Konrad Hänisch, in seiner Rede über „Kulturpolitische Aufgaben" am 3. Februar 1919 Wunsch und Hoffnung ausgesprochen, daß künftig der Deutsche in allen Schulen des Volkes seine Muttersprache ebenso hegen, pflegen und beherzigen möge, wie der Franzose seine Sprache liebt, beherrscht und pflegt. In allen deutschen Ländern sind ansprechende Hilfsmittel geschaffen worden, die der Erfüllung solcher Erwartungen zu dienen vermögen, zeitlich und im Bekenntnis zu reinem Deutsch allen voran Kl. Bojungas wegweisendes Heft „Der Deutschunterricht auf höheren Schulen"; und wie dieses nicht nur auf Verständnis und Kenntnisse, sondern auf eigene Rede- und Schreibtüchtigkeit abzielt, so haben es auch in der „Zeitschrift für Deutschkunde" wie in der „Zeitschrift für Deutsche Bildung" immer häufigere Würdigungen namentlich neuerer und neuster Stilmeister weniger auf stoffliche Zergliederung als vielmehr auf Einleben in alle Ausdrucksmittel deutscher Wortkunst abgesehen. Noch tut auch solcher Dienst an unserm Schrifttum bitter not. Was Goethe über die jungen Schriftsteller seiner Zeit urteilte, daß sie infolge des Wirkens der Klassiker vor und neben ihm an deren Lektüre wie „in einer Art von unsichtbarer Schule früher als ihre Vorgänger zu einem reinen, dem Gegenstand angemessenen Stile gelangen konnten“, das hat unter der Wirksamkeit des fremdsüchtigen „Jungen Deutschland“ und einer in dessen Bahnen überstürzt entwickelten Presse nicht Bestand gehabt. Gar was vor vier Jahrzehnten der Kanzler der Universität Tübingen, G. Rümelin, für weitere Kreise, für alle geistigen Führer des Volkes, besonders auch die Gelehrten, Kritiker und Redner unter ihnen behauptete, daß sie dank unserm auf die Lektüre fremder Klassiker gegegründeten höhern Unterrichte die von unsern Klassikern eingeleitete neue Epoche deutscher Bildung erfreulich und würdig weitergeführt hätten, das bleibt um so anfechtbarer, je mehr sich gerade unter den von ihm gerühmten Kritikern und Gelehrten viele dessen gleichzeitige Schutzschrift für die Fremdwörter zunutze gemacht haben und bis heute ein Kauderwelsch schreiben, hinter dessen schwer durchdringbarem Nebel der Laie oft zu Unrecht besondere oder gar neue Erkenntnis vermutet. Sicher und maßvoll führt der Deutsche Sprachverein den Kampf für die Reinheit und Richtigkeit, die Klarheit und Schönheit der Muttersprache, und im höheren Schrifttum unsers Volkes haben ja jüngere und jüngste Meister des Erbes der Klassiker trefflich gewaltet und es in immer klarerer Gestaltung fortgebildet, und günstige Zeichen sprechen dafür, daß es die Expressionisten, die es durch Sprachgliederverrenkungen und Bildervermalungen wieder zu verderben drohen, nicht lange mehr in der Hand haben werden.

Scan
Matthias(1929) 458-459.pdf


Zweifelsfall

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Beispiel
Bezugsinstanz gegenwärtig, Sprachverlauf, Schulsprache, Sprachgelehrsamkeit, Haenisch - Konrad, 20. Jahrhundert, Frankreich, Goethe - Johann Wolfgang, Literatursprache, Tübingen, Rümelin - Karl Gustav, Gelehrte, Gehobene Sprache
Bewertung

kleinlicher und unverständiger Kampfe, Frequenz/immer häufiger, mangelhaft, Frequenz/immer häufiger, Kauderwelsch

Intertextueller Bezug Der Deutsche Sprachverein, Kl. Bojungas: Der Deutschunterricht auf höheren Schulen, Zeitschrift für Deutschkunde, Zeitschrift für Deutsche Bildung