Immer größer wird die Unbeholfenheit, den Konjunktiv des Imperfekts richtig zu bilden. Viele getrauen sichs kaum noch, sie umschreiben ihn womöglich überall durch den sogenannten Konditional (würde mit dem Infinitiv), auch da, wo das nach den Regeln der Satzlehre ganz unzulässig ist. Besonders auffällig ist bei einer Reihe von Zeitwörtern die Unsicherheit über den Umlautsvokal: soll man ä oder ü gebrauchen? Das Schwanken ist dadurch entstanden, daß im Mittelhochdeutschen der Pluralvokal im Imperfektum vielfach anders lautete als der Singularvokal (half, hulfen; wart, wurden), dieser Unterschied sich aber später ausglich. Da nun der Konjunktiv immer mit dem Umlaut des Pluralvokals gebildet wurde, so entstand Streit zwischen ä und ü. Da aber die ursprünglichen Formen (hülfe, stürbe, verdürbe, würbe, würfe) doch noch lebendig sind, so verdienen sie auch ohne Zweifel geschützt und den später eingedrungnen hälfe, stärbe, verdärbe, wärbe, wärfe vorgezogen zu werden. Neben würde ist die Form mit ä gar nicht aufgekommen. Von stehen hieß das Imperfekt ursprünglich überhaupt nicht stand, sondern stund, wie es in Süddeutschland noch heute heißt; das u ging durch den Singular wie durch den Plural. Folglich ist auch hier stünde älter und richtiger als stände. Bei einigen Verben, wie bei beginnen, hat der Streit zwischen ä und ü im Anschluß $Seite62$ an das o des Partizips (begonnen) im Konjunktiv des Imperfekts ö in Aufnahme gebracht. Auch diese Formen mit ö (beföhle, begönne, besönne, empföhle, gewönne, gölte, rönne, schölte, schwömme, spönne) verdienen, da sie den Formen mit umgewandeltem Pluralvokal entsprechen, den Vorzug vor denen mit ä.
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