Verwechselte Wörter

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Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 330 - 333

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Behandelter Zweifelfall:

Lexikalische Konkurrenzen

Genannte Bezugsinstanzen: Gebildete, Kindersprache, Gastronomie, Leipzig, Behördensprache, Neu, Sprachverlauf, Literatursprache, Zeitungssprache
Text

Nicht bloß Kindern, auch Erwachsenen, oft sogar recht „gebildeten" Erwachsenen begegnet es, daß sie ein Wort in falschem Sinne gebrauchen oder zwei Wörter oder Redensarten miteinander verwechseln oder ver- mengen. Es fehlt ihnen dann an der nötigen Sprach- erfahrung. Sie haben die Wörter noch nicht oft genug gehört, oder sie haben nicht scharf genug auf den Zu- sammenhang geachtet, worin ihnen die Wörter vorge- $Seite 331$ kommen sind, und so verbinden sie nun einen falschen Sinn damit. Es gibt Bücher über Shakespeares, Goethes, Schillers Frauengestalten. Darunter hat wohl noch niemand etwas andres verstanden als die Frauen in den Werken der drei Dichter. Vor kurzem ist aber ein Buch erschienen: Lenaus Frauengestalten. Das behandelt „diejenigen (!) Frauen, welche (!) bedeutsam (!) in das Leben und Werden (!) Lenaus eingegriffen haben." Wenn eine solche Begriffsverwechslung einem Schrift- steller begegnet, dann kann man den Schenkwirten keinen Vorwurf machen, wenn sie neuerdings mit Vorliebe auf die kleinen Preise ihrer Speisekarte aufmerksam machen. Zwischen Preis (praemium) und Preis (pretium) ist ein Unterschied. Große und kleine Preise gibt es bei Preis- ausschreiben und Preisverteilungen; im Handel gibt es nur hohe und niedrige Preise. In den Zeitungen kann man jeden Tag lesen, daß ein Erkrankter oder ein Verunglückter in das oder jenes Krankenhaus ein- geliefert worden sei. Welche Roheit! Ein Verbrecher wird ins Gefängnis eingeliefert, nachdem er verhaftet worden ist, aber doch nicht ein armer Kranker. Oft verwechselt werden jetzt von Hauptwörtern: Neuheit und Nettigkeit, Wirkung und Wirksam- keit, Folge und Erfolg, von Zeitwörtern: zeigen, zeichnen, bezeichnen und kennzeichnen, ver- lauten und verlautbaren, von Adverbien: regel-mäßig und in der Regel, anscheinend, scheinbar und augenscheinlich, zumal und besonders. Neuheiten liegen in dem Schaufenster des Mode- warenhändlers; in dem des Buchhändlers liegen Neuig- keiten. Bis vor kurzem wenigstens ist dieser Unter- schied stets gemacht, und von literarischen Erzeugnissen dasselbe Wort gebraucht worden wie von neuen Nach- richten: Neuigkeit. Es hat einen geistigern Inhalt als Neuheit, und die Schriftsteller sollten es sich ver- bitten, wenn man jetzt ihre Erzeugnisse mit denen des Schneiders auf eine Stufe stellt. Von der Wirksamkeit des Sarlehnerschen Bitter- wassers zu reden ist ebenso verkehrt, wie zu sagen: diese Maßregel verliert auf die Dauer ihre Wirksamkeit. $Seite 332$ Der Pfarrer wirkt in seinem Amte, eine Maßregel wirkt vielleicht im Verkehr, und das Bitterwasser wirkt in den Gedärmen; aber nur der Pfarrer hat eine Wirksam- keit, die beiden andern haben eine Wirkung. Ebenso sinnwidrig ist es, von dem Erfolg zu knapper Mittel zu reden, statt von den Folgen, denn ein Er-folg ist etwas positives, erfreuliches, zu knappe Mittel sind etwas negatives, unerfreuliches. Kennzeichnen ist sehr beliebt geworden, seitdem man es als Ersatz für das Fremdwort charakterisieren gebraucht. Es wird aber oft ganz gedankenlos verwendet. Wenn geschrieben wird: welche Stellung er zur Revo- lution einnahm, ist schon oben kurz gekennzeichnet worden — durch ihre Aussprüche kennzeichnen sie ihre Zugehörigkeit zur stillen Gemeinde — wir haben das Buch als das gekennzeichnet, was es ist: als eine Tendenz- schrift — der ungeheure Verbrauch von Offizieren muß als ein Luxus gekennzeichnet werden — der Haupt- raum, der als Halle oder Kapelle gekennzeichnet werden kann — die ganze Kläglichkeit der heutigen Handwerkspolitik hat kürzlich Stieda trefflich gekenn- zeichnet — so liegt auf der Hand, daß in den ersten drei Sätzen zeigen (andeuten, verraten, nachweisen), in den zwei nächsten bezeichnen, in dem letzten einfach zeichnen (schildern) gemeint ist. Verlauten ist ein intransitives Zeitwort und be- deutet: laut werden. Es verlautet etwas — heißt: man erzählt es, man spricht davon. Verlautbaren dagegen (ein entsetzliches Kanzleiwort!) ist transitiv und bedeutet: laut aussprechen, bekannt machen. Ganz verkehrt ist es also, zu sagen: es verlautbart etwas.//*) In Leipzig wird ein Hauskauf nicht ins Grundbuch geschrieben sondern grundbücherlich (so!) verlautbart.// Regelmäßig ist dasselbe wie immer; in der Regel aber ist nicht dasselbe wie immer. Wer regel- mäßig früh um fünf Uhr aufsteht, leistet mehr, als wer es bloß in der Regel tut. Die Regel leidet eine Aus- nahme, die Regelmäßigkeit leidet keine. $Seite 333$ Wenn eine Zeitung schreibt: die Herren verlebten einen scheinbar köstlichen Abend — so ist das etwas ganz andres, als was der Zeitungschreiber sagen will. Mit scheinbar wird ein Anschein gleich für falsch er- klärt, mit augenscheinlich wird er gleich für richtig erklärt, mit anscheinend wird kein Urteil ausgesprochen. Er verzichtet scheinbar auf einen Gewinn — heißt: in Wahrheit ist er ganz gierig darnach; er verzichtet an-scheinend — heißt: es kann sein, daß er verzichtet, es kann auch nicht sein; er verzichtet augenscheinlich — heißt: er verzichtet offenbar. Durch zumal erfährt eine Behauptung eine in der Sache selbst liegende, also selbstverständliche Steigerung, z. B.; die Urkunden sind schwer lesbar, zumal im siebzehnten Jahrhundert (wo man überhaupt schlecht schrieb — ist der Sinn) — du solltest dich doch sehr in acht nehmen, zumal im Winter. Ganz unangebracht ist es dagegen in folgendem Satze: als ich die Quellen zur Geschichte des Bistums durcharbeitete, stieß ich, zumal in zwei Handschriften des fünfzehnten Jahrhunderts, auf zahlreiche Aktenstücke. Hier kann es nur besonders oder namentlich heißen. Keine Verwechslung, sondern bloße Ziererei ist es, für erstens zu schreiben einmal; ich muß das aus verschiednen Gründen ablehnen, einmal weil, sodann weil usw. Wer darauf aufmerksam gemacht worden ist, unterläßt es; es ist wirklich eine Abgeschmacktheit. Nicht verwechselt, aber vermengt werden neuerdings fortwährend die beiden Redensarten einig sein und sich klar sein. Einig sein über etwas können immer nur mehrere; sich klar sein kann auch ein Einzelner. Ganz sinnlos also ist das ans beiden zusammengeknetete sich einig sein, das man jetzt täglich lesen muß: Protestanten und Katholiken sind sich in diesem Punkte einig — die Archäologen sind sich nicht ganz einig, ob sie in dem Jüngling einen Hermes oder einen Epheben sehen sollen — darin waren sich zwei Männer von so verschiedner Art wie Freytag und Treitschke einig — es handelt sich da um wirtschaftliche Maßnahmen, über die wohl die überwiegende Mehrheit sich einig ist.

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Wustmann(1903) 330-333.pdf