Obschon, obgleich statt während; wenn (wo) statt wenn auch, während und wie
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 282 - 283 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Sprachgelehrsamkeit, Hoffmann - Hans, Mittelhochdeutsch, Vogt - Karl, Gegenwärtig, Goethe - Johann Wolfgang, Neu, Schiller - Friedrich, Schriftsprache, Literatursprache |
Text |
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Aus mangelnder Schärfe des Denkens beruht es, wenn obgleich, obwohl, die den Grund für das Gegenteil einräumen, also einen inneren Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebensatz voraussetzen, statt während verwendet wird, das den bloßen Unterschied und Gegensatz ausdrückt. So wenn Wetzke vor Freytags Auswahl aus F. Kürnberger schreibt: Obwohl (statt: während) viele seiner Gedanken nicht in die Tat umgesetzt wurden, konnten andere Ideen doch praktische Erfolge aufweisen, wo auch doch aus derselben Gedankenverschiebung erwächst. Nur eine Folge der Unklarheit und des Strebens nach unnatürlichem Ausdrucke ist die Einschmuggelung des Bedingungsverhältnisses oder wenigstens seiner Ausdrucksweise an Stelle begründender, vergleichender und entgegensetzender Sätze. Zur Verdeutlichung, worauf doch die Sprachentwicklung mit ihren Spaltungen immer hinstrebt, trägt es wahrlich nicht bei, wenn die rein bedingende Form für die einräumende gesetzt wird, zu deren Unterscheidung sonst ein schon, gleich, auch hinter wenn und ein doch im Nachsatze eingefügt zu werden pflegt. Wohin dieses falsche Streben nach Knappheit führen kann, zeigt z. B. der Satz H. Hoffmanns: Sie gab jede Geschichte, wenn in abgekürzter Gestalt, so immer mit der vollen Farbe wieder, für den die Auffassung als Bedingungssatz und somit der Schluß sehr nahe liegt: wenn sie sie völlig ausspann, verloren sie also die Farbe! Wenn wird sogar auch ganz falsch anstatt des in seiner entgegengesetzten Bedeutung nie zu verkennenden während gesetzt, wie bei K. Vogt: Wenn (statt: während) früher nur französische Weine in Cette veredelt wurden, so geschieht dies jetzt mit ausländischen. Das Urteil ändert sich auch darum nicht, daß Schüler und Goethe diese Fügung haben, freilich haupt- $Seite 283$ sächlich nur in der poetischen Form, für welche verstandesmäßige Scheidung nicht oberster Grundsatz ist. Im Gefolge von wenn dringt auch wo in das nämliche Verhältnis ein, und man kann sogar lesen: Die Chinesen gehen in Seide umher, wo//1 Seine bedingende Verwendung sollte auf die Formeln wo nicht, womöglich und auf kurze Bedingungssätze oder solche mit lokalem Grundtone (Wo der Wille des Fürsten wankt, wankt das gemeine Wesen [Goethe]), beschränkt bleiben, namentlich auf Drohungen der Art: Wo du das tust! Denn hierfür ist diese Form mit ihrem vollen Selbstlaut offenbar besonders geeignet, wie denn auch beliebter.// (statt während) der reichste Scheich der Araber sich kaum einen einzigen seidenen Schlafrock kaufen kann. Selbstverständlich durfte heutigen Tages, wo alles neben Gespreiztheit auf das Gesuchte abzielt, von solchem Mißbrauche auch die Form des Bedingungssatzes nicht verschont bleiben, die nur für besonders lebhafte, nachdrückliche und eindringliche Darstellung ausgespart werden sollte: statt der Sätze mit wenn, wofern, wo und so die Form des Fragesatzes. Heute liest man ohne Ende statt Vergleichen mit wie oder Entgegenstellungen mit während solche Sätze: Trifft die Juden die Verachtung (richtig während oder wie die Juden die Verachtung trifft), so trifft die Ruthenen der Haß der Polen. Auch ein Sprachforscher kleidet Einräumungs- und Begründungssätze in diese aufrüttelnde Form, die ja dem Gedankenwerte der Sätze nicht gerecht zu werden braucht: War Vilmars Buch arm an Gedanken (= wenn es auch arm ... war), so war es umso reicher an anschaulichen Bildern; legte es auf die altdeutsche Dichtung einen unerlaubten Akzent (statt: da es ... legte), so wuchs unser Publikum immer gründlicher in das altdeutsche Interesse. Der Zug der Sprache nach Unterscheidung, der uns gegenüber einer geringern Anzahl zum Teil sehr vieldeutiger Fügungen des Mittelhochdeutschen eine größere Zahl der Bedeutung nach verschiedener Bindewörter gebracht hat, wird von dem Streben nach Klarheit und Deutlichkeit gelenkt, verdiente also gegenüber der in den zuletzt behandelten Fällen sich zeigenden Verschwommenheit alle mögliche Förderung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist man vielmehr berechtigt, freilich soweit ein Gebrauch nicht schon vorherrscht, noch nicht verpflichtet, die Weise der neusten Schriftsteller zu untersuchen, die zwischen bedeutungsverwandten Ausdrucksweisen sorgfältig unterscheiden. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Goethe - Johann Wolfgang, Hoffmann - Hans, gegenwärtig, Vogt - Karl, Schriftsprache, mittelhochdeutsch, neu, Literatursprache, Literatursprache, Schiller - Friedrich, Sprachgelehrsamkeit |
Bewertung |
Auf mangelnder Schärfe des Denkens beruht, aufrüttelnde Form, aus derselben Gedankenverschiebung erwächst, dem Gedankenwerte der Sätze nicht gerecht, falsche Streben nach Knappheit, Folge der Unklarheit und des Strebens nach unnatürlichem Ausdrucke, Frequenz/beliebter, ganz falsch gesetzt, Gespreiztheit, Gesuchte, Mißbrauche, sich zeigenden Verschwommenheit, verdiente Förderung, zu unterstützen, Zur Verdeutlichung, worauf doch die Sprachentwicklung mit ihren Spaltungen immer hinstebt, trägt es wahrlich nicht bei |
Intertextueller Bezug |