Untersteh dich nicht und gehe oder zu gehen?
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
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Seitenzahlen | 325 - 326 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Schreiber guten Stils, Meyer - Conrad Ferdinand, Hansjakob - Heinrich, Köln, Mittelhochdeutsch, Billroth - Theodor, Bauer - Erwin Heinrich, Dahn - Felix, Hartmann von Aue, Grimm - Jacob, Alt, Goethe - Johann Wolfgang, Neu, Lessing - Gotthold Ephraim, Grimm - Wilhelm, Literatursprache, Zeitungssprache, Umgangssprache, Trentini - Albert von |
Text |
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Am üblichsten ist diese Ausdrucksweise in den Wendungen so gut sein, die Güte haben, und es heißt geradezu gegen den Strom schwimmen, wenn man statt solcher alltäglichen und auch bei den Klassikern gar nicht seltenen Wendungen: seien Sie so gut oder: haben Sie die Güte und teilen ihm dies bei Gelegenheit mit; Jüngling, sei so ruchlos nicht und leugne die Gespenster (Less.), die angeblich straffere Form verlangt//1 Zwei mittelhochdeutsche Beispiele stehn z. B. bei H. v. Aue. Im ersten Büchlein (V. 1172) wird auf die Versicherung: nu gevellet mir dîn rede wol zur Antwort gefragt: Entriwen unde tuot sî so? — Unserm so gut sein und — entspricht genau die Wendung im Gregor (V. 915): daz man den Abbet baete, daz er so wol taete und das Kind selbe toufte.//: Seien Sie so gut, ihm ... das mitzuteilen. Aber beschränkt ist solche — Satzlösung auf diese Formeln durchaus nicht. Es kann auch ganz allgemein in einem beigeordneten Satze Handlung oder Zustand angefügt werden, die als der Ausfluß einer Eigenschaft oder ihre besonders geartete Betätigung in einem Folgesatze stehn könnten, also statt: Er war so vernünftig, nicht nachzugeben, wenn mehr Nachdruck auf dem Tun liegt: er war so vernünftig und gab nicht nach. Oder was nach einem die Ausführung oder den Beginn einer Handlung bezeichnenden Verbum in einem Adverbial- oder Objektssatz stehn könnte, kann nach der allgemeinen Ankündigung, daß etwas ausgeführt oder unternommen worden sei, als das Wichtigere in einem selbständigen Satze erscheinen: Die Kaiserin Friedrich hat es wirklich gewagt und ist nach Paris gegangen. Wie denn Grimm mit gutem Fug geschrieben hat: Der Kerl da ist imstande und behauptet, ich hätte seinen Rock an, so auch C. F. Meyer: Er enthielt sich nicht und küßte den Nacken; Felix Dahn im „Kampf um Rom": Die Einwohner fangen an und werden schwierig, und ein an $Seite 326$ derer Romanschriftsteller in der Tgl. R. (E. Bauer) aus ein und derselben Seite: Wenn er den Wink versteht, so wird er vernünftig sein und sich beizeiten davon machen, und: Ist es nicht besser, wir kehren um? und Goethe gar: Ich dächte, Herr, und ihr begnügt euch; und Billroth: Ich begreife nicht, wovon die Leute leben und so gut aussehen. Welche Wirkung mit bewußter Handhabung der älteren Form erzielt werden kann, mag wieder eine Stelle aus dem Wilhelm Meister zeigen: ... er ... wollte nach Hause und ward immer wieder umgewendet; endlich als er's über sich vermocht, ging und an der Ecke noch einmal zurücksah, kam es ihm vor, als wenn Mariannens Tür ginge; hier wird man an der verbindungslosen Beiordnung vermocht, ging ordentlich den Ruck nachempfinden, den der Entschluß ihn kostet. Umgekehrt malt das flüssige und die Schnelligkeit des Vorganges in dem Satze Trentinis: Dieses Wort „Nacht“ kaum gedacht, und jeder Blutstropfen erblich schon in Wissen. Wie innig übrigens die Verbindung einer also mit und angeknüpften Ausführung mit dem Vorhergehenden empfunden wird, ergibt sich daraus, daß in dem zweiten Gliede eine bei dem ersten stehende Verneinung nicht wiederholt zu werden braucht, ja es nicht einmal darf. Heute, scheint es, kommt der Schwager nicht und holt uns zu einem Abendspaziergange ab, heißt es in einer Erzählung, und in der Köln. Ztg. z. B.: Wir bedauern, daß man den Rat des Generals Chanzy nicht befolgt und den Mund gehalten hat. Umgekehrt bedeutet die Fügung bei Hansjakob: Der Vogt von Mühlstein gibt kein Jawort und hält es nicht, natürlich so viel als: das er nicht hielte; nur ist die losere Form kräftiger. Alles in allem also wird die Schönheit des Stiles an sich nicht gefährdet, wenn Sätze wieder in der älteren und kräftigeren selbständigen Form statt in der daraus hervorgegangenen jüngeren abhängigen Form austreten. Nur dann zeugt dies von einer gewissen Überreizung und einer Sucht nach Besonderem, wenn diese selbständigen Formen, die ein das Alte bewußt mit dem Neuen verbindender Stil gewissenhaft für besondere Fälle aufspart, bevorzugt oder gar fast allein verwendet werden, wie in den folgenden Fällen. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel | |
Bezugsinstanz | Umgangssprache, alt, Billroth - Theodor, Meyer - Conrad Ferdinand, Schreiber guten Stils, Literatursprache, Dahn - Felix, Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Jacob, Grimm - Wilhelm, Hartmann von Aue, Hansjakob - Heinrich, neu, Köln, Zeitungssprache, Lessing - Gotthold Ephraim, mittelhochdeutsch, Bauer - Erwin Heinrich, Trentini - Albert von |
Bewertung |
alltäglichen, das Alte bewußt mit dem neuen verbindender Stil für besondere Fälle gewissenhaft aufspart, bevorzugt oder gar fast allein verwendet, es heißt geradezu gegen den Strom schwimmen, Frequenz/fast allein, Frequenz/gar nicht seltenen, hier wird man ordentlich den Ruck nachempfinden, kräftiger, kräftigeren, malt das flüssige und die Schnelligkeit des Vorganges, mit gutem Fug geschrieben, Schönheit des Stils an sich nicht gefährdet, stehn könnte, straffere, zeugt dies von einer gewissen Überreizung und einer Sucht nach Besonderem |
Intertextueller Bezug |