Das Geschlechtswort
Buch | Engel (1922): Gutes Deutsch. Ein Führer durch Falsch und Richtig. |
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Seitenzahlen | 90 - 92 |
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Unsicherheit |
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In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
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Genannte Bezugsinstanzen: | Fachsprache (Technik), Gebildete, Schreiber guten Stils, Sprachgelehrsamkeit, 18. Jahrhundert, Ungebildete, Behördensprache, Neu, Sprachverlauf, Gesprochene Sprache, Volk, Schulsprache, Sprache der Politik |
Text |
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Die Schwankungen und Zweifel am Geschlecht des Hauptwortes werden beim Hauptwort behandelt; hier kommt hauptsächlich in Frage die falsche Weglassung oder Setzung des Geschlechtswortes. Daß es in formelhaften Wendungen oft fehlt und fehlen darf, gehört nicht zu den Schwierigkeiten; zweifelhaft ist nur die Grenze. ,Mit Recht, auf Grund, bei Sinnen' erregen keine Zweifel; ,an Hand, in Nachahmung' gelten für ungut. Dergleichen die Auslassung des Geschlechtswortes in Fällen wie: Schreiber dieses ist der Ansicht; Verfasser (statt: ich) glaubt; dies ist Drahtungs-, nicht Schriftsprache. Kein andres Volk treibt solche Beknapsung des Notwendigen. In manchen Kanzleien galt oder gilt: ,Ein hohes Ministerium wolle geneigtest beschließen' für erhabener als ,Das hohe ..' . Drollige Auffassung, die endlich verschwinden sollte. Erich Schmidt fand das Geschlechtswort vor bedeutsamen weiblichen Eigennamen, z. B.: die Eschenbach, ,gradezu unziemlich' (vgl. S. 31). Sein Geschmack wird gewiß von sehr Wenigen geteilt. Im 18. Jahrhundert war ,die Neuberin, die Schillerin' das Selbstverständliche, und es ist nicht einzusehen, warum der weibliche Eigenname ohne . . in unziemlich wirken soll. In den romanischen Sprachen ehrt das vorgesetzte Geschlechtswort den weiblichen Namen. Aber gleichviel — der gute und der ehrerbietige Sprachgebrauch sagt nun einmal: die Stein, die Sand, die Eschenbach, die Viebig, die Kollwitz, und dabei dürfen wir uns beruhigen. ,Guten Tag, die Herren!' wird bemängelt. Wie aber, wenn solche, zunächst allerdings befremdende Formel sich einbürgert? Auch das Sie der Anrede mit der Mehrzahl er- $Seite91$ scheint bei strenger Prüfung als sinnlos; einmal fester Sprachgebrauch geworden, trotzt es jedem Tadel. Ob in Verbindungen wie der Vater und der Sohn das Geschlechtswort regelmäßig zu wiederholen oder allenfalls wegzulassen ist, ist mit einer durchgreifenden Regel nicht zu entscheiden. Je inniger die Verbindung, je vollständiger die innere Einheit, desto eher darf, ja muß die Wiederholung unterbleiben. Die Griechen und Römer hatten besondere Formen für den Ruffall ist nicht unrichtig, denn hier liegt eine begriffliche Gemeinschaft vor; in einem Satze wie Die Griechen und Römer haben Kriege miteinander geführt wird das Fehlen eines zweiten die als Härte empfunden. Ebenso in: Der Fuchs und Hase leben in Feindschaft miteinander. Mit Recht als unfein gilt die Auslassung des Geschlechtswortes in Beisatzwendungen wie: August von Goethe, Sohn des großen Dichters .., Meine Vermählung mit Fräulein Emilie Schulze, Tochter des Herrn Friedrich Schulze und . . Dies ist die Sprache der Standesamtseintragungen oder der Grundbücher, nicht die der gebildeten Rede und Schrift. Man hüte sich davor, die Formgleichheit von Geschlechtswörtern mißbräuchlich für verschiedene Bedeutungen zu verwenden. Ich habe die Mutter und Töchter gesehen, Die Größenverhältnisse und Schönheit des Bildes .., Die Art und Eigenschaften des Werkes.., Die Gesellschaft der Frau und Kinder gelten bei jedem Sprachgebildeten für grob fehlerhaft. Der Ministerpräsident und Minister des Äußern kann in gutem Deutsch nur besagen, daß von einem Minister mit zwei Ämtern die Rede ist; handelt sich's um zwei Männer mit je einem Amt, so muß das Geschlechtswort wiederholt werden. Der oder die Hochverräter sind ermittelt mag als Notbehelf geduldet werden, aber eine Tugend wird aus dieser Not niemals. In solchem Falle läßt sich durch eine ganz andre Wendung Abhilfe schaffen. Männliche Eigennamen bleiben ohne Geschlechtswort; wie aber steht es mit dem zweiten und dritten Fall der fremden männlichen Eigennamen, die mit Zischlauten endigen? Sophokles' Dramen; Er hat sich Tacitus' zugewandt? Über $Seite92$ die Beugung selbst wird beim Hauptwort gehandelt (vgl. S. 116); hier nur die Frage, ob die Dramen des Sophokles, des Tacitus Germania, zulässig sind? Diese, bei neuzeitlichen Namen unzulässigen, Fügungen rühren aus dem Schulbetriebe her, wurden dort durch das Beispiel des Griechischen, zum Teil des Französischen, unterstützt und haben sich mit der Zeit Sprachbürgerrecht auch in der reifen Bildungswelt erobert. Es lohnt jedenfalls nicht, dagegen anzukämpfen. |
Zweifelsfall | |
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Beispiel |
mit Recht, auf Grund, bei Sinnen, Schreiber dieses ist der Ansicht, Verfasser, ein hohes Ministerium, das hohe Ministerium, die Eschenbach, die Sand, die Stein, die Kollwitz, die Biebig, Guten Tag, die Herren!, Die Griechen und Römer hatten besondere Formen für den Ruffall, Die Griechen und die Römer haben Kriege miteinander geführt, Der Fuchs und Hase leben in Feindschaft miteinander, Sohn des großen Dichters, des Herrn Friedrcih Schulze, Ich habe die Mutter und Töchter gesehen, die Größenverhältnisse und Schönheit des Bildes, die Art und Eigenschaften des Werkes, die Gesellschaft der Frau und der Kinder, Der oder die Hochverräter sind ermittelt, Sophokles` Dramen, Er hat sich Tacitus` zugewandt?, die Dramen des Sophokles, des Tacitus Germania, der Vater und der Sohn, Der Fuchs und Hase leben in Feindschaft miteinander, Ich habe die Mutter und Töchter gesehen, die Größenverhältnisse und Schönheit des Bildes, die Gesellschaft der Frau und der Kinder, Minister des Äußern, Neuberin, Schillerin |
Bezugsinstanz | 18. Jahrhundert, Fachsprache (Technik), Schreiber guten Stils, Sprache der Politik, Sprachverlauf, neu, Ungebildete, gesprochene Sprache, Gebildete, Schulsprache, Sprachgelehrsamkeit, Behördensprache, Volk |
Bewertung |
als Härte empfunden, befremdende Formel, bemängelt, drollige Auslassung, dürfen wir uns beruhigen, ehrbietig, eine Tugend wird aus dieser Not niemals, erhabener, falsche Weglassung, formelhafte Wendungen, Frequenz/eingebürgert, Frequenz/fester Sprachgebrauch, Frequenz/hauptsächlich, Frequenz/oft, gehört nicht zu den Schwierigkeiten, gradezu unziemlich (Fremdbewertung von Erich Schmidt), grob fehlerhaft, gut, hüte sich davor, keine Zweifel, lohnt nicht, dagegen anzukämpfen, mag als Notbehelf gedultet werden, mißbräuchlich, mit Recht als unfein, muß unterbleiben, nicht, nicht einzusehen, nicht unrichtig, nicht unziemlich, nicht zu entscheiden, Notbehelf, Schwankungen, sinnlos, sollte endlich verschwinden, trotz jedem Tadel, ungut, unzulässig, Verknapsung des Notwendigen, war das Selbstverständliche, zulässig, zweifelhaft |
Intertextueller Bezug | Schmidt, Erich |