Ankommen, anwandeln, anliegen, angehn

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 198 - 199

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Unsicherheit
Text

Ursprünglich hat ankommen nur den vierten Fall bei sich (etwas kommt an mich), und so ausschließlich noch bei Luther, gleichviel ob es mit persönlichem Subjekte bedeute befallen (Angst kam die Philister an) oder unpersönlich soviel als werden, fallen (es kommt ihn hart an); heute steht in beiden Fällen der dritte Fall daneben, im zweiten sogar überwiegend und immer im Perfekt: Als diese Wallung dich ankam stand M. N. N. 26, aber: Nicht einen Augenblick ist mir die Furcht vor der Hölle angekommen, sagt schon Goethe, und Gellert: das kommt mir sauer an; Furcht ist -, es ist mir sauer angekommen. Ähnlich ist das Verhältnis bei anwandeln; ja da ist neben die regelrechte empfehlenswertere Form: Ihn hat die Lust angewandelt, die Äpfel zu brechen, nicht nur die Form getreten: Was ist dir angewandelt, sondern sogar die wegen des Hilfszeitwortes sein beim Transitivum auffälligere: Was ist dich angewandelt? Ganz entschieden muß dagegen von den recht ähnlichen Zeitwörtern anlegen und angehn jenem die Berechtigung abgesprochen werden, sich mit dem vierten Fall, diesem, sich mit dem dritten zu verbinden. Denn wenn der vierte Fall neben anliegen auch bei den Klassikern bisweilen vorkommt, so bleibt er doch damit, da liegen kein Richtungsverhältnis ausdrückt, doppelt unverträglich und lediglich eine Folge schwindenden Gefühles für die sinnliche Schönheit der Wendung. Man ahme also nicht mit P. Richter und Putlitz den Satz Lessings nach: Hier lag Antonio den König an, ihm mit einer Summe beizuspringen, sondern füge das Wort wie Goethe und Schiller immer: Ich lag der Mutter an, und diese suchte den Vater zu bereden. Dagegen fordert anspringen in feindlichem Sinne den 4. Fall: Fritz sprang meinen Vater mit einem Messer an (L. Corinth), und auch bei angehn soll ja der Norddeutsche dem geschichtlich gerechtfertigten Akkusative gegenüber mit seinem Dative dahintenbleiben, den im wesentlichen nur er in das Schrifttum des 17. Jahrhunderts einschmuggelte und auch heute im wesentlichen nur er einschwärzen möchte//1 Infolge dieser Beobachtungen über die Herkunft des dritten Falls kann ich Hildebrand, Deutsch. Unterr. (S. 66), nicht zustimmen, der im Übergänge zum Dative eine gesunde Entwicklung erblickt, eine Folge der Gleichstellung mit nahekommen, -treten. Doch liegt diese gar nicht so nahe, und schließlich führt allzugroße Nachgiebigkeit gegen jede Anlehnung eines Wortes an ein sinnverwandtes auch in der Fügung eher zur Auflösung als zur Freiheit der Sprache, die als rechte Freiheit doch nur in einer gewissen Gebundenheit bestehen kann. Oder man müßte auch überwiegen mit dem Dative gestatten, weil es einzelne, so Grimm, mit überlegen sein gleich gefühlt haben! Man müßte auch kein Gefühl mehr für den Widerspruch haben, der darin liegt, wenn man statt (gut, schlecht) stehn, passen (lassen) (die Farbe steht ihr nicht) das sinnliche Bild kleiden wählt (die Farbe, das Benehmen kleidet sie nicht) und dieses gleich wieder in die Fügung jener abgezogneren Begriffe steckt und (falsch) sagt: Die Tracht, dieser Leichtsinn will ihm nicht kleiden, was einfach ein Mischmasch ist.//. Dagegen bei dünken, dessen Zusammensetzung bedünken natürlich (§ 34, 2) nur den vierten Fall neben sich hat, ist neben dem ursprünglich herrschenden vierten Fall der dritte zur Gleichberechtigung durchgedrungen, übrigens von recht alten Anfängen aus; steht doch schon in Lamprechts Alexanderliede nicht nur mir dûhte (5082), sondern sogar uns allen $Seite 199$ bedûhte (5072). Heute fügt auch der Schweizer G. Keller: Die Zukunft dünkte (!) ihnen so lieblich u. ä. m.

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Matthias(1929) 198-199.pdf


Zweifelsfall

Verb: Valenz

Beispiel
Bezugsinstanz Keller - Gottfried, Gellert - Christian Fürchtegott, Goethe - Johann Wolfgang, Grimm - Jacob, gegenwärtig, Literatursprache, Corinth - Lovis, Pfaffe Lamprecht, Lessing - Gotthold Ephraim, Luther - Martin, Zeitungssprache, norddeutsch, Richter - Johann (Jean) Paul Friedrich, Gans zu Putlitz - Gustav, Schiller - Friedrich, 17. Jahrhundert, Schweiz, ursprünglich, Sprachverlauf
Bewertung

abgezogeneren, auffälligere, doppelt unverträglich, falsch, Folge schwindenden Gefühles für die Schönheit der Wendung, Frequenz/ausschließlich, Frequenz/bisweilen, Frequenz/immer, Frequenz/nur, Frequenz/überwiegend, Frequenz/ursprünglich herrschenden, geschichtlich gerechtfertigten, Man ahme nicht nach, Man füge immer, Mischmasch, muß die Berechtigung abgesprochen werden, nur, regelrechte empfehlenswertere Form, soll dahintenbleiben, Widerspruch, zur Gleichberechtigung durchgedrungen

Intertextueller Bezug Hildebrand: Deutsch. Unterr. (S. 66)